CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)
Truth In Advertisement - Balance
(58:13, Virtue Music, 1996)
Machte vor wenigen Jahren Seattle mit dem Grunge und Bands wie Nirvana, Soundgarden oder Pearl Jam auf sich aufmerksam, so ist es heute medientechnisch recht still um diese Stadt geworden. Die Musikindustrie ist inzwischen weitergezogen, und sucht wieder mal den nächsten vermeintlichen Markt den man ausgiebig ausschlachten kann. Dennoch gibt es weiterhin vor Ort eine sehr interessante Musikszene. Vor einigen Jahren wurde sogar ein Sampler mit Progressive Rock Bands aus dem näheren Umkreis von Seattle veröffentlicht. Truth In Advertisement waren zwar damals nicht vertreten, passen aber wunderbar in die schwammige Schublade "anspruchsvolle Rockmusik". Mit Melancholie und in Pianobegleitung wird den transparenten, aber bei genauer Betrachtung dennoch vielschichtigen und interessanten Liedern ein Anflug von Anspruch eingehaucht. Easy listening Jazz Rock mit spärlichen Fragmenten des Neo Progs. Was verbal abwertend klingt, kommt wesentlich angenehmer aus den Boxen. Als Vorbild wurde in den Gitarrenparts Allan Holdsworth herangezogen, dem folgerichtig auch ein special thanks gewährt wurde. Prägend sind weiche, teilweise bombastisch anmutende Pianoklänge von gleichbleibender Intensität. Klassische Grundmuster und ausufernde Instrumentalpassagen mit minimaler Weiterentwicklung, aber spannendem Aufbau, erzeugen beruhigende Stimmungen. Wie sich bei "Mechanical Mind Suite" abwechselnd Keyboards und Gitarre hochschrauben, sorgt für ein angenehmes Erschauern. Songentwicklung und inhaltliche Geschlossenheit in moderatem, teils schleichendem Tempo stehen deutlich im Vordergrund. Da fast gänzlich auf Gesang verzichtet wurde, stehen die Soloausflüge im Vordergrund. Angenehm anzuhören für den, der es auch mal etwas instrumentaler und leicht jazz-rockiger mag.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997