CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)

Nave - Nave
(57:09, Record Runner, 1997)

Erst seit 1993 spielen Nave aus São Paulo zusammen. Sie gehören damit zur neuen Generation der brasilianischen Progressive Rock Bands, und stellen sich nun mit ihrem titellosen Debüt erstmals der Öffentlichkeit vor. Im Booklet wird ihre Musik als Mischung aus starken progressiven Atmosphären, sowie mystischen und sanften Melodien beschrieben. Wie so oft, stimmen auch hier Wunsch und Wirklichkeit nicht überein, denn ganz so einfach kann und darf man es sich mit dem Quintett nicht machen. Die progressiven Atmosphären sind hörbar vorhanden, denn instrumentale Ausflüge an Keyboards und Gitarre, und auch die neun Lieder verdienen weitgehendst dieses Prädikat. Wobei Atmosphäre gut umschreibt, dass es sich nicht um Hardcore-Prog handelt, sondern eher Prog-Einflüsse verarbeitet wurden. Ob diese nun aber so stark sind, wie dies oben angedeutet wurde, ist interpretationsfähig. Die Fähigkeiten der Instrumentalisten ist auf sehr hohem Niveau anzusiedeln, Schwachpunkt bleibt Sänger Roger Troyjo. Seine englische Aussprache und die ziemlich hohe Tonlage wirken nicht immer überzeugend. Um aber wieder das Adjektiv "stark" ins Spiel zu bringen, sind damit vor allem die Leistung vom recht groovend gespielten Bass von Benigno Jr., die auch mal jazzigen Farbtupfer des Keyboarders Marcos Vita und der starke Gitarrist Estevao Kalaany gemeint. Instrumentalpassagen und drei Stücke ohne Gesang legen davon eindrucksvoll Zeugnis ab. Sehr interessant ist der massive perkussive Einsatz bei "Portal" und die geheimnisvolle Stimmung von "Duny". Somit ist der mystische Charakter der Melodien auf jeden Fall präsent, kann auf die ganze CD gesehen, aber nur stellenweise bejaht werden, da ebenfalls zugängliche, schön anzuhörende, oder aber auch jazzige Klänge anzutreffen ist. Positiv gilt es dennoch zu vermerken, dass im Gegensatz zu anderen Kollegen aus Brasilien nicht zu stark auf zuckersüße Klangfolgen vertraut wurde, sondern Nave die Brückenschläge zwischen den Stilen Neo Prog, Rock, Folk, Weltmusik und Jazz Rock schaffen. Zwar erreichen Nave nicht ganz die Qualität von Sagrado, offenbaren aber ein eigenes Profil, an dem es noch etwas zu feilen gilt, damit dieser Rohdiamant seine volle Pracht entfaltet. Ein überdurchschnittliches Album, welches mit jedem Hördurchgang an Niveau gewinnt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997