CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)
Grits - Rare birds
(75:30, Cuneiform, 1997)
Für alle Freunde des Longtracks ist dieses "Reissue" aus den USA eingetrudelt. Reissue in Anführungszeichen, weil es eigentlich kein wiederveröffentlichtes Studioalbum ist, sondern ein bisher unveröffentlichter Livemitschnitt vom 21.8.1976 in Maryland. Gesagt hat mir der Gruppenname nichts, und daher ist mir auch nicht bekannt, ob es von Grits noch andere (Studio)Tonträger gibt. Um auf die Longtracks zurückzukommen, davon tummeln sich immerhin vier über 11 Minuten, und auch ein 25-Minuten Epos hatte noch Platz. Trotzdem gibt es auch drei 3-Minuten-Lieder, die allerdings nicht so gut sind wie die langen Stücke. Die drei Herren (Geige/ Gitarre, Keyboards und Drums) sowie Bassamazone Amy Taylor liefern eine zum Großteil instrumentale, jazzige und virtuose Musik ab. Das alles hat einen ausgesprochen Jam Session-Charakter. Man hat beim ersten Hören das Gefühl, dass es nur ein kompositorisches Gerüst gibt, das durch minutenlange Improvisationen gefüllt wird. Das stimmt aber nicht, da man später merkt, dass die Musik schon durchkonstruiert ist, und nicht nur aus dem Augenblick heraus besteht. Die Hammond steht, zusammen mit der Geige, dominant im Vordergrund, und gibt der Musik diesen Jazztouch und ihren typischen Charakter. Da treten Drums und v.a. Bass doch etwas zurück. Aber auch die Gitarre spielt Tom Wright genauso gut wie die Geige, was das erste Lied "Jupiter Jam" zeigt, bei dem man manchmal das Gefühl hat, Steve Howe selbst stände da auf der Bühne, und dudele sich eins herunter. Das Ganze ist gut gemacht und anspruchsvoll, doch wohl nicht mehr dem eigentlichen Prog zuzurechnen, sondern eher im Jazz Rock Bereich angesiedelt. Es gibt daher keinen Bombast, keine Mitsingmelodien, und auch keine Mark Kelly-Keyboards. Das sollte unsere 70er- und v.a. Jazz-Spezialisten aber nicht daran hindern (bzw. sie erst recht aufmerksam machen), sich einmal näher mit dem Teil zu beschäftigen.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1997