CD Kritik Progressive Newsletter Nr.13 (03/1997)

The Use Of Ashes - Firetree
(60:58, Mellow Records, 1996)

In einer Zeit, in der die Bäume noch sprachen und die Vögel nicht fliegen konnten, kam man in einem flachen Lande (welches sich heute die Niederlande nennt) auf die glorreiche Idee, mit den verfügbaren analogen Aufnahmegeräten alle Erinnerungen, Gedanken und Gefühle als Geräusche aufzunehmen. Bewaffnet mit jenen Geräten zog man unablässig umher, lauschte dem Regen, ging nachts in den Wald, ließ Metall sprechen und bannte jeden noch so abwegig klingenden Ton auf wiederabspielbare Geräuschträger. All diese Töne wurden zusammengemengt, vor- und rückwärts abgespielt, und auf Befremdlichkeit überprüft. Das Resultat war verblüffend, es war kaum mehr zu erkennen, was da mal aufgenommen worden war. Doch damit nicht genug. Flugs wurden alle verfügbaren Instrumente, die mit Saiten bespannt waren unter Strom gesetzt, diejenigen auf denen sich Tasten befanden mit den aufgenommenen Tönen gespeist, und so entstand weiteres Tonmaterial, welches das befremdlich Konglomerat der Naturtöne ergänzte. Da man noch immer nicht mit dem Ergebnis zufrieden war, wurde einer der Flachländer erst unter Wasser getaucht, dann an die Decke gehängt und ihm schließlich ein Stück Stoff über den Kopf gestülpt. Trotz aller Pein sang er in einem fort, was die anderen in unablässige Begeisterung versetzte. Als man letztendlich diese immer noch anhörbaren, sehr traurig und spartanisch klingenden Experimente in seine endgültige Form brachte, waren sich alle einig, dass sie hiermit ein Meisterwerk abgeliefert hatten. Dabei dachte keiner von ihnen je daran, dass auch andere Erdlinge je sich diese Klänge anhören würden, denn bei vorhandener Müdigkeit führt das Lauschen zum sofortigen Einschlafen. Da aber melancholische Ruhe mit avantgardistischen Soundeffekten vielleicht doch irgendwann mal Zuhörer findet, kam ein findiger, südländischer am Meere lebender Geschäftsmann auf den Gedanken, diese wundersamen Klänge für die Nachwelt zu erhalten. Ein Geschichte, welche das Happy End jederzeit offen lässt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997