CD Kritik Progressive Newsletter Nr.13 (03/1997)
Steve Hackett - Genesis revisted
(72:16, Mercury, 1996)
Die momentane Schwemme der Tributealben hat auch dieses Teil an meinen Schreibtisch gespült. Schon das (übrigens hässliche) Cover des Japanimports teilt mir mit, dass Steve H., ex-Saitenvirtuose von Genesis "classic Genesis songs" zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra "and friends" eingespielt hat. Aha, bisher spielten immer andere Bands ein Tributealbum für eine Kultband ein. Meister Hackett nimmt's aber gleich selber in die Hand, sprich schwingt sich aufs Surfbrett und reitet auf der Erfolgswelle der Tributealben auch noch schnell mit, bevor sie abebbt. Bös' wie ich bin, unterstelle ich hier einfach mal, dass besagter Herr H. wohl auch den Dollar gerochen hat. So oder so, was kann man schon von solchen Tributealben erwarten? Bisher wurde ich immer enttäuscht, da erstens die Originalbands einfach um Längen besser waren und zweitens die Tributzollenden es sich meist zu einfach machten, indem sie die Lieder fast identisch nachspielten (siehe Rush-Sampler). Hier aber gibt es tatsächlich Lieder, die ziemlich vom Vorbild abweichen. "Watcher of the skies", eingespielt u.a. zusammen mit John Wetton, Bill Bruford und Tony Levin, klingt da noch fast gleich. "Your own special way" kommt dann als Weichspül-Schmuseversion daher und würde so das Herz jedes "Kuschel Rock Vol.42"-Fans erwärmen. Aber immerhin hat man sich Mühe gemacht und umarrangiert. Dasselbe gilt fürs folgende "Dance on a volcano" mit verzerrtem Gesang und funkigem Mittelteil. Als Freunde sind hier Langzeit-Livemitglied Chester Thompson an der Schießbude und, der in Proggefilden recht neue Santana-Bassist Alphonso Johnson dabei. Zwei Tracks sind dann, so wie ich das verstanden habe, Sachen von Hackett selber, danach bekommen wir mit "Déja Vu" ein auf Genesisalben unveröffentlichtes Stück aus alten "Selling England"-Zeiten. Eine schöne Ballade, bei der Hackett mit seiner Gitarre in höchste Höhen klettert. "For absent friends" ist sehr ruhig und orchestral, d.h. vor allem mit Streichern, die hier ja echt sind. Übrigens, ich hatte es noch nicht erwähnt - auf das Orchester hätte man in den meisten Lieder verzichten können, da man es eh kaum war nimmt. Dies ist wohl, je nachdem wie man auf Orchester in der Rockmusik steht, ein Vor- oder auch Nachteil. "Fountain of salmacis" ist gut, aber fast gleich wie das Original, hat aber dessen Aggressivität im Schlussteil verloren. "Waiting room only" hat mit dem Stück von der "Lamb lies down..." v.a. Anfangs fast gar nichts mehr zu tun, da prallen nur wilde Samples und Geräusche ohne Musik auf mein Trommelfell und lösen eine motorische Gegenreaktion aus, die mit der Skip-Taste dieses Elend beendet. Mit "I know what I like" dann eine total abgeschlaffte Blues-Jazz-Version, der der groovige Jamrythmus des Vorbilds leider total abgeht. Schließlich "Firth of fifth" mit Gitarre anstatt Flöte, die einen total anderen Mittelteil mit der typisch Bruford'schen Sample-Percussion einleitet. Richtung Ende, wenn Hackett den Teil mit der "weinenden" Gitarre gibt, darf das Orchester mit allen Streichern dann noch mal so richtig bombastisch aufspielen. Damit also endlich mal ein Tributealbum mit teilweise variierten Songs, dafür muss man dann auch in Kauf nehmen, dass einige Stücke in der neuen Interpretation meiner Meinung nach stark verloren haben. Aber wie heißt's so schön: "Nach allen Muggen (Mücken für alle Norddeutsche) kann man nicht schnappen".
El Supremo
© Progressive Newsletter 1997