CD Kritik Progressive Newsletter Nr.12 (01/1997)

Kerry Livgren - One of several possible musiks
(46:27, One Way Records, 1989)

Kerry Livgren ist einer der Gründungsmitglieder von Kansas. In jenem amerikanischen Bundesstaat geboren und aufgewachsen, war er Gitarrist, Keyboarder und Hauptschreiber der Gruppe. Aus seiner Feder stammen solch Perlen wie "Carry on wayward son" oder "Dust in the wind". Nachdem er bereits 1980 sein erstes Soloalbum "Seeds of change" mit Musikern wie Ronnie James Dio oder Jethro Tull Schlagzeuger Barriemore Barlowe herausbrachte, verließ er 1983 Kansas, um weitere Alleinausflüge zu veröffentlichen. Das vorliegende "One of several possible musiks" gewann dabei sogar einen Preis als Instrumentalalbum des Jahres. Trotz all dieser Vorschlusslorbeeren kann ich nicht vollständig den Reiz und Wert dieser Wiederveröffentlichung nachvollziehen. Mit Kansas hat dieser Soloausflug wirklich überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Nicht nur, dass die typische Geige fehlt, auch die einzelnen Lieder sind zu stromlinienförmig und synthetisch arrangiert. Da Livgren alle Instrumente selber spielt, wurde auf einen Drumcomputer zurückgegriffen, der doch einiges an Wärme und spieltechnischem Feingefühl vermissen lässt. Stellenweise klingt es sehr stark nach einer der langweiligeren Rick Wakeman Produktionen. Zum Glück beschränkt sich aber Livgren, im Gegensatz zum Tastenmagier von Yes, nicht allein auf Keyboardklänge, sondern greift auch in die Saiten. So werden die teils klassischen Ansätze aus der Klaviatur doch erheblich aufgepeppt. Starke Momente entfalten sich in den sehr atmosphärischen Passagen, die wirklich nicht blindlings versuchen Gefühle zu erzeugen, sondern diese gedanklich wirklich auslösen. Leicht keltischer Einschlag machen diesen Hörgenuss vollkommen. Von der Komplexität und Vielschichtigkeit, die ihn bei Kansas auszeichneten, hat er sich fast ganz verabschiedet und versucht es hier lieber auf harmonische, ruhige, immer melodiöse Weise. Doch blitzt zum Ende des Albums mit den Titeln "Diaspora" und "A fistful of Drachma" sein zweifelsohne vorhandenes Können auf und er spielt druckvoll, vorangetriebenen Instrumentalrock mit wesentlich mehr Abwechslung und Biss.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997