CD Kritik Progressive Newsletter Nr.11 (11/1996)

Daphne - Daphne
(51:12, Mellow Records, 1996)

Über geschmackvolle Cover lässt sich ja vortrefflich streiten, zumindest verdient Mellow mit dieser Fantasy-mäßigen Zeichnung bestimmt keinen Schönheitspreis. Auch hat die Produktion, wie bei diesem Label leider schon oft vernommen, kleinere Mängel, da sie insgesamt zu dumpf und das Schlagzeug zu hart klingt. Doch entgegen dem ersten oberflächlichen Eindruck, bietet das Fünfgestirn von südlich der Alpen musikalisch einiges an Abwechslung. Gleich zu Beginn ein 16 Minuten Stück, bei dem alle Asse gezogen werden. Flötentönen folgt sinfonischer Bombast mit Italo Touch untermauert von einem unterschwellig komplexen Rhythmusgerüst, dazu leicht euphorischer Gesang in italienisch. Mediterraner Progressive Rock der Extraklasse, fast auf gleichem Niveau wie erst letztlich beim Debüt von Divæ vernommen. Da übernimmt die Gitarre auch mal die Melodieführung, schwingt sich in unendliche Höhen, um durch eigenartige Klangcollagen wie Weckerklingeln und Gesprächsfetzen unterbrochen zu werden. Untergraben von einem hektisch, stetig vorantreibenden Rhythmus verlangt der Opener "Nascita" dem Hörer einiges ab. Nach diesem dramatischen Beginn wird dann in den nächsten vier Stücken doch gewaltig an Ideen gespart. Normaler Rock, einen Nonsens Honky Tonky Nummer und Liedlängen, die kaum noch die Schallmauer von vier Minuten durchbrechen können. Doch Daphne sind trotzdem für Überraschungen gut, da die abschließenden drei Stücke deutlich in sehr dynamischen Jazz Rock und Progressive Rock gehen, wo man sich auch zu ausführlichen Soloausflügen aufmacht. Da werden instrumentale Feuerwerke abgebrannt, Gitarrengeheule wie beim Zahnarzt raubt einem fast den Nerv, um aber immer wieder zum instrumentalen Abwechslungsreichtum zurückzukehren. Nach diesem Ritt durch die Stile bleibt die Erkenntnis, dass Daphne wirklich überraschend viel an Stilen spielen können, doch fehlt in diesem Konglomerat der innere Zusammenhalt und eine einheitliche Struktur. Deswegen eine CD mit viel Licht, aber auch Schatten, da man bei so viel Vielfalt gezwungenermaßen zwischen den Stühlen sitzt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1996