CD Kritik Progressive Newsletter Nr.11 (11/1996)
Standarte - Curses and invocations
(50:28, Black Widow, 1996)
Wenn man schon nichts mehr Neues bieten kann, warum dann nicht auf Bewährtes zurückgreifen und die Uhr einfach um 20 Jahre zurückdrehen? So oder so ähnlich mochten wohl die Gedanken dieses italienischen Trios gewesen sein. Und was sie mit dieser Einstellung erreicht haben, erklingt auf "Curses and invocations" in perfekter Umsetzung. Zu hören bekommt man in erschlagender Breite massiven Mellotron Einsatz, fette Hammondsounds und ebenfalls angestaubt klingende Töne aus Harpsichord und Moog. Liebhaber altmodisch klingender Sounds kommen hier voll auf ihre Kosten. Dazu noch Bass und Schlagzeug, um so den typischen 70er Italo Prog aufleben zu lassen. Standarte spielen ihre Musik mit solcher Intensität und Überzeugung, als wären die letzten Jahre in der Rockmusik völlig spurlos an ihnen vorbeigegangen. Auf der Produktion liegt meterweise Staub und wenn man nicht sicher wüsste, das dieses Album 1996 aufgenommen wurde, hielte man es mit größter Wahrscheinlichkeit für eine längst vergessene Perle aus den 70ern. Was immer wieder für Gänsehaut und Begeisterung sorgt, sind die Klänge aus dem Mellotron, die wunderbar die Gehörgänge schmeicheln. Wenn dann auch noch der Moog ziemlich floyid-ige Klänge anschlägt, die Hammond zufrieden vor sich hinröhrt, dann sind auch die letzten Zweifel vergessen, ob diese Musik noch heute ihre Berechtigung hat. Gesungen wird übrigens in akzentfreiem Englisch, was ja bei den Kollegen südlich der Alpen nicht so oft vorkommt. Wenn in Großbritannien derzeit alle auf die Brit Pop Welle mit Anleihen an die späten 60er abfahren, warum darf dann nicht die kleine, aber feine Prog Gemeinde auch in Vergangenem schwelgen? Wer an alten Klängen seine Freude hat - Ohren auf und schleunigst Standarte angehört!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996