CD Kritik Progressive Newsletter Nr.11 (11/1996)
Lethe - Nymphae
(51:04, Mellow Records, 1994)
Die Geschichte der italienischen Band Lethe reicht zurück bis ins Jahr 1988, als Sänger / Flötist Stefano Fornaroli und Keyboarder Norberto Vecchio sich zusammentaten und ein erstes Demotape mit dem Titel "Immagini passate" einspielten. Drei Jahre später komplettierten Gitarrist Claudio Mazzoli, Bassist Fabio Sanzo und Schlagzeuger Pietro Paganelli die Band. Als Mazzoli den Militärdienst ableisten musste und es zu Differenzen zwischen Fornaroli und Vecchio kam, war eine Umbesetzung unumgänglich. Im Januar 92 stießen dann Valerio Valdo (Gitarre) und Lorenzo Gervasi (Keyboards) zur Band, die schließlich in dieser Besetzung zwei Demotapes aufnahmen. "Il salto del falco" und das Live Tape "Lethe in concerto", das u.a. eine Coverversion des Tull Klassikers "Aqualung" beinhaltet. Die Qualität dieser Tapes ist nur mäßig, so dass diese sich lediglich für den Sammler lohnen. Im darauffolgenden Jahr erhielt man einen Vertrag bei Mellow Records und startete die Aufnahmen zum Debütalbum. Aufgrund diverser Probleme erschien dies unter dem Titel "Nymphae" erst im Januar 94. Die Mischung aus italienischen Prog Rock und Folk-Einlagen kam beim Publikum gut an. Doch der Band blieb es nicht vorbehalten, in dieser Form weiter zu machen, denn kurz später traf sie ein Schlag, der härtet nicht hätte ausfallen können: Bandgründer Stefano Fornaroli starb an Leukämie. An dieser Stelle wusste man natürlich nicht, ob man überhaupt als Lethe weitermachen sollte. Schließlich entschloss man sich dazu, im Sinne des Verstorbenen die Bandarbeit fortzusetzen. So begann also die langwierige Suche nach einem neuen Sänger, der letztendlich in Claudio Milano (ehemals Linea d'Ombra) gefunden wurde. In der Zwischenzeit arbeiten Lethe am neuen Konzeptalbum, einer Rockoper namens "Il cavaliere inesistente", das auf einem Werk des italienischen Lyrikers Italo Calvino beruht. Hört man sich den Erstling aus dem Jahre 1994 an, kann man erahnen, woher die angesprochenen Probleme mit Mellow Records kommen. Der Soundteppich ist wie leider zu oft bei diesem Label recht dürftig ausgefallen. Gesang und Flöte wurden viel zu viel in den Vordergrund gemischt, das Schlagzeug klingt ziemlich blechern und die inhomogene Mixtur der einzelnen Instrumente klingt so, als ob die Musiker aneinander vorbei spielen würden. Damit ist natürlich der Höreindruck dürftig und lässt die Musik in falschem Licht erscheinen. Denn Lethe spielen sehr melodischen, meist sehr ruhigen Neo Prog, durchsetzt von vielen Flöteneinsätzen, indem aber auch sinfonische Gitarrensoli ihren Platz finden. Auch versucht sich die Band in recht langen Kompositionen (10:08, 6:18, 7:37, 9:31, 17:00), hat aber dennoch Schwierigkeiten, über die gesamte Dauer eines Liedes gleichbleibend einen Spannungsbogen fortzuführen. In den Instrumentalteilen sehr gefällig, sorgen jedoch die Gesangskünste von Stefano Fornaroli nicht für Begeisterungsstürme, da er doch zu emotionslos klingt. Im Gegensatz dazu sorgen seine Flöteneinlagen für die heimlichen Höhepunkte des Albums, zieht sich dieses Instrument wie ein roter Faden durch das gesamte Album und alle Lieder. Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass hier neben der Produktion, leider auch teilweise beim musikalischen Inhalt, Abstriche gemacht werden müssen. Jedoch bleibt aufgrund des Gehörten und den Ambitionen der Band die berechtigte Hoffnung auf einen ausgewogeneren Nachfolger von "Nymphae".
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996