CD Kritik Progressive Newsletter Nr.11 (11/1996)

Gerard - The pendulum
(39:28, Musea, 1996)

Uhrengeläut kündigt es an: Gerard sind zurück - und wie! Nachdem die letzte Veröffentlichung "Save night by the knight" von 1994 mehr ein Soloprojekt von Keyboarder Toshio Egawa mit Gastmusikern war, wurde kurz nach diesem Album die Band Gerard in neuer Besetzung reformiert. Mit Atshushi Hasegawa am Bass, dem in der japanischen Heavy Metal Szene bekannten Schlagzeuger Masuhiro Goto und dem Sänger Robin Suchy, wurde eine passende Ergänzung zu Egawas massiven Keyboardattacken gefunden. Wer nun mit den Namen Gerard gar nichts anfangen kann, für den ein kleiner Zeitsprung ins Jahr 1984. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte diese japanische Band ihr Debüt und gehörte damals neben Bands wie Déjà Vu oder Vienna zum Besten aus dem fernen Osten. "The pendulum" bietet heute perfekten sinfonischen Bombast, dominiert von allerlei verschiedenen Keyboardsounds, ergänzt von einer Rhythmustruppe, die meist kräftig auf die Tube drückt. Positiv fällt weiterhin Sänger Robin Suchy auf, der sich sehr wohltuend vom sonstigen Gekreische aus Nippon abhebt. Verständlich, der Herr kommt ja auch aus Kanada. Meine persönliche Einschätzung ist jedoch, dass er irgendwie deplaziert in der Musik wirkt. Schwierig diesen subjektiven Eindruck zu erklären, aber er hat kein typischen Prog Organ (wobei ich schwerlich beschreiben kann, wie das klingen soll). Also gehen wir geflissenhaft über diese Kritik hinweg, denn zu oft ist er nicht zu hören und widmen uns so lieber einem objektiven Minuspunkt: der Spielzeit. Lächerliche 40 Minuten! Aber was soll's, dafür hat ja schließlich Musea den Vertrieb übernommen, was die CD wiederum preislich erschwinglich macht. Doch zurück zur Musik: neben den kürzeren Gesangspassagen wird vor allem in den mannigfaltig vorhandene Instrumentalteilen kräftig dem Bombast gefrönt. Teils verschachtelt, dann wieder etwas durchschaubarer, haben die Lieder, bis auf das kurze romantisch-balladeske "Ascending to heaven" mindesten 6 Minuten Spieldauer. Diese sind auch recht gut gefüllt, so dass eigentlich genügend Abwechslung geboten wird. Trotz allem Überschwang, noch abschließend etwas Kritik: für manche wird der Bombast zu erschlagend sei und auch ich vermisse manchmal die Gitarre. Des weiteren stehe ich auch nicht unbedingt auf fanfaren-mäßige Sounds aus dem Computer, zum Glück wird aber auch die gute alte Hammond aufgefahren und auch andere Klänge aus dem Synthesizer finden ihren Platz. Spieltechnisch nimmt in dieser Form Master Egawa von den derzeitigen Keyboard Heroen sicherlich einen der vorderen Plätze ein.

Kristian Selm



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