CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)
Finisterre - In limine
(61:37, Mellow Records, 1996)
Wie schon bei ihrem letztjährig erschienen Debüt, ist es Finisterre wiederum gelungen einen Stil zu kreieren, der jegliche eindeutige Zuordnung nur sehr schwer bis überhaupt nicht zulässt. Dadurch garantiert keine Musik zum Einmalhören, vielmehr ein verschachteltes Gesamtwerk, welches sich lohnt durch mehrmaligen, intensiven Hörgenuss zu entdecken. Was bekommt man nun auf über einer Stunde geboten? Zum einen ist unterschwellig eine Hinwendung zum klassischen Italo Prog aus den 70ern unverkennbar vorhanden. Doch dies allein wäre ja nicht besonders erwähnenswert, wenn da nicht weitere Versatzstücke prägend einfließen würden. Neben gelegentlichem Keyboardeinsatz und glasklaren E-Gitarrensoli, setzten vor allem die akustischen Instrumente, wie Piano und Konzertgitarre die Akzente, wobei vor allem Flötistin Francesca Biagini ihren Teil dazu beiträgt, indem sie verspielt, folkloristisch agiert. Gesang wird nur selten eingesetzt, fügt sich dann aber sehr harmonisch und geradezu untypisch für italienische Bands, sehr zurückhaltend ein. Doch damit nicht genug. Jazzgefärbte Stimmungen und Instrumentierungen auch in klassische Richtung durch Cello, Violine, Trompete und Klarinette heben dieses Album von Jazz Rock über Klassik bis hin in leicht avantgardistische Bereiche. Die Verschmelzung dieser vielen Teile macht "In limine" besonders hörenswert, da die Band sowohl kompositorisch, als auch spieltechnisch ihr Handwerk versteht. Die Lieder wechseln von prägender, weitreichender Ruhe und Besinnlichkeit bis hin zu abgedrehten und schrägeren Klängen. Man legt deutlich mehr Wert auf Melodie und Harmonie, Eindrücke und Stimmungen, als auf erschlagende Rhythmuswechsel und Chaos. Trotzdem gilt es gerade Schlagzeuger Marcello Mazzocchi herauszuheben, der unauffällig, aber ausgefeilt sein rhythmische Tagewerk verrichtet. Deswegen Daumen hoch für Finisterre, die mir ihrer klassisch, jazzig geprägten Musik sicherlich nicht jeden ansprechen und es einem wirklich nicht leicht machen. Der Kauf ist also mit verhaltener Vorsicht zu überdenken, wobei aber dem, der sich mit dem Quintett auseinandersetzt, eine wirklich lohnenswerte Überraschung geboten wird.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996