CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)
Echolyn - Where the sweet turns sour
(54:37, Cyclops, 1996)
Tja, da halte ich sie nun in den Händen. Die langerwartete neue CD von Echolyn, meiner Meinung nach einer der größten Prog Hoffnungen in den USA. Doch wie wir inzwischen leider wissen, sieht es mit der Zukunft der Gruppe düster aus. Besser gesagt, es wird keine Zukunft geben, denn man hat sich bereits um den Jahreswechsel herum getrennt. Der auf große Beachtung gestoßene Vertrag mit Sony, seit langem der erste einer Nachwuchs Prog Band, muss den Amis schlecht bekommen sein. Man kann es nicht genau nachvollziehen, was jetzt der eigentliche Trennungsgrund der Gruppe von Sony und der Gruppe untereinander war. Auf jeden Fall lässt man im Booklet einige negative Bemerkungen über den japanischen Medienriese fallen, die darauf schließen lassen, dass dieser sich einerseits nicht richtig um die Gruppe gekümmert hat, andererseits sie aber an der kurzen Leine geführt hat. Somit ist dieses Album auch kein reguläres, sondern eine Zusammenstellung von bisher unveröffentlichten Songs. Es sind Stücke, die nicht mehr auf der letzten CD Platz gefunden haben oder für die geplante neue CD komponiert wurden und zusätzlich noch zwei Live Stücke. Auf der Rückseite wird extra darauf hingewiesen, dass die Lieder zwar professionell aufgenommen wurden, es aber nur Arbeitsversionen sind, die noch nicht von kleineren "Fehlern" gereinigt wurden. Mit Fehlern sind aber nicht falsch gespielte Noten o.ä. gemeint, sondern andere Instrumentierungen oder Sounds. Die Produktion, obwohl nicht brillant, ist daher auch trotzdem als gut zu bezeichnen, also keine Demoqualität, falls dieser Eindruck entstanden sollte. "100 Diversion", das letzte Lied, das die Gruppe zusammen geschrieben hat, ist ein typische Echolyn Lied, wie es auch auf der letzen CD hätte sein können. Teils komplex, teils melodisch, die typischen mehrstimmigen Harmoniegesänge und interessante Einfälle. Dasselbe gilt auch für "Current of me", das bei den gleichen Sessions entstanden ist. "Where the sour turns to sweet", ein alter Song von Genesis, wurde für ein Tributealbum aufgenommen. Wegen des Einspruchs von Sony durfte der Track dann doch nicht mit auf die CD. Dieses und noch ein Lied sind recht langsam und melancholisch geraten. Manchmal hat man das Gefühl, man kann die Enttäuschung der Musiker über den Ärger mit dem Label raushören. Diese gefallen mir dann auch nicht so gut, da die Qualitäten der Band nicht richtig zum Tragen kommen. Die zwei Live-Stücke von der "As the world" CD, "A little nonsense" und "As the world" wurden beim letzten Konzert am 3.September 1995 in North Carolina mitgeschnitten. Sie zeigen, dass an dieser Band leider auch eine hervorragende Live Truppe verlorengegangen ist. Genauso komplex und anspruchsvoll wie auf CD, aber noch mit ein bisschen zusätzlichem Live Schwung und als "extended live version", beenden diese Track die CD. Mit gemischten Gefühlen lässt mich dieses Werk zurück. Auf der einen Seite ist es gut, dass man wenigstens noch ein paar unveröffentlichte Lieder herausgebracht hat. Auf der anderen Seite ist es schade, dass dies die letzten Ergüsse dieser hervorragenden Band waren. Klar, man muss sagen, dass diese Scheibe nicht ganz die Qualität der "As the world" erreicht. Das Ganze wirkt, was in der Natur der Sache liegt, etwas zusammengewürfelt und ohne Gesamtkonzept. Somit doch ein ganz kleiner Abstieg im Vergleich zur "As the world", aber im Vergleich mit anderen Bands trotzdem sehr gut. Für Echolyn Fans führt auf jeden Fall kein Weg an diesem Tonträger vorbei.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1996