CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)
Il Balletto Di Bronzo - Ys
(41:37, Polydor, 1972)
Und nun wieder mal ein Griff in...nein, nicht ins Klo, sondern in die Mottenkiste. Heraus fischen wir ein Teil der wohl bekanntesten italienischen Progressive Rock Band - Il Balletto Di Stronzo (ha, ha, alter Redaktionskalauer!). Klar den meisten wird der Name schon was sagen, aber bei diesem Album handelt es sich um ein (zwar nicht ganz neues) Reissue, und viele kennen sich bei den alten Italo Prog Dinosauriern doch nicht so aus, daher hier nun die Besprechung. Als erstes fällt beim Blick auf die Rückseite das leuchtend rote Logo von Polydor auf. Tja, früher waren selbst Prog Combos bei großen Labels unter Vertrag. Schade, dass das heute so gut wie gar nicht mehr vorkommt. Und wenn, dann ist das Ganze anscheinend zum Scheitern verurteilt, wie bei Echolyn. Nun, was erwartet man bei einer Scheibe aus dem Jahre 72? Ich für meinen Teil nenne da mal hoher Grad an Komplexität oder Bombast, "antiquierte" Instrumente (Synthesizer, Mellotron), mindestens ein langes Lied, und ein hohes Maß an handwerklichem Können. Bei unseren vier Italienern bekommt man auch prompt das meiste davon frei Haus. Die Produktion ist für ein so altes Teil sehr gut, das Booklet aber (wie oft bei Reissues) recht billig gehalten. Witzig aber die Fotos der Musiker in Original 70er Klamotten. Vor allem bei dem Herrn rechts unten in den pelzbezottelten Stiefeln würde selbst ein Mammut neidisch werden. Um gleich auf den letzten Punkt der vorherigen Aufzählung einzugehen, die Musiker haben es alle wirklich drauf. Fangen wir mal beim Herr der Tasten an, der auch gleichzeitig den Part des Sänger übernommen hat, was ja nicht unbedingt extrem häufig vorkommt. Gianni Leone bedient u.a. wie erwartet Moog, Mellotron, Hammond und zusätzlich noch das Spinetta und Celesta. Ich bin jetzt zu faul in der Bücherei im Lexikon nachzuschauen, was das wirklich heißt, aber ich tippe mal auf Spinett und Cembalo. Jedenfalls hat der Mann es drauf, obwohl er sich nicht so klassisch virtuos verausgabt, wie z.B. Rick Wakeman. Sein italienischer Gesang ist auch sehr gut, vor allem wenn man bedenkt, mit was für grausigen Tönen aus Italien unsere Hörorgane schon gequält worden sind Gleiches gilt für Vito Manzari am Bass, der wirklich gut ist, sich aber nicht so herausstellt wie sein Kollege Squire. Da hätte er ruhig etwas mehr aus sich heraus gehen können. Die Gitarre, fast ausschließlich elektrisch, spielt die meisten Soli, in Abwechslung mit den Tasteninstrumenten. Diese zwei Instrumente bilden den eigentlichen Kern der Truppe, sie erzeugen den typischen Sound des Balletts. Diesen kann man ganz eindeutig und ohne Schuldgefühle in die Schablone 70er Art Rock reinpressen. Die Strukturen sind wirklich recht komplex, Bombast ist aber wenig vertreten. Das fällt v.a. im Vergleich mit den gleichzeitig auftretenden Yes oder Genesis auf. In diese Ecke können wir die Kapelle also nicht stellen, sie klingen vielmehr wie entfernte Verwandte der King Crimson Familie. Folglich dröhnen einem auch viele schräge Passagen mit verzerrten Instrumenten entgegen. Ab und zu kann man vielleicht auch etwas Jazziges hören. Obwohl komplex, anspruchsvoll und mit Longsongs versehen, könnte ich mich nicht so richtig in diese Musik hineinfinden. Das lässt sich aber leicht damit erklären, dass ich eben kein ausgesprochener Fan des karmesinroten Königs bin. Für alle Untertanen desselben besteht aber Ka...ng Upt! Da hätte ich doch beinahe das Tabuwort ausgesprochen, das es bei uns, im Gegensatz zu anderen Magazinen, nicht gibt. Nein, Kaufzwang (verdammt, jetzt ist es doch rausgerutscht!), da wäre auch zu übertrieben. Für Leute, die an solcher Musik Gefallen finden, sage ich lieber mal: unbedingt antesten!
El Supremo
© Progressive Newsletter 1996