CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)

Quidam - Quidam
(65:09, Ars Mundi, 1996)

Es scheint immer schwieriger zu werden, einen nicht bereits vorhandenen Bandnamen zu finden. Diese Band aus Polen bediente sich wahrscheinlich völlig unbeabsichtigt eines Namens, der schon von einer französischen Combo benutzt wurde. Jedoch ist mir deren Musik nicht nachhaltig in Erinnerung geblieben, was bei der polnischen Variante jedoch garantiert nicht passiert. Quidam spielen höchstmelodischen, sinfonischen Neo Prog, der einfach wunderbar anzuhören ist und eine eingängige Leichtigkeit versprüht. Gesungen wird in Landessprache, was eigentlich kein Nachteil ist, obwohl selbst Collage Sänger Robert Amirian behauptet "This language is so ugly". Doch besitzt Sängerin Emilia Derkowska eine solch angenehme Stimme, dass dies überhaupt kein Manko darstellt. Daneben ist sie auch optisch hübsch anzuschauen, wie das Bild im Booklet beweist. Ach, könnte ich doch nur polnisch und würde verstehen, was sie singt, wahrscheinlich würde ich noch mehr hinwegschmelzen. Bei so viel verträumter Glückseeligkeit ist die musikalische Untermalung natürlich nur noch Nebensache. Aber zurück zu den Fakten. Neben Emilia, die gleichzeitig noch Cello einstreut, ist als weiteres weibliches Bandmitglied Ewa Smarzynska hauptsächlich für weitere Flötentöne zuständig. Die Herren der Schöpfung sind mit Keyboarder Zbyszek Florek, Gitarrist Maciek Meller, Bassist Radek Scholl und Schlagzeuger Rafal Jermakow vertreten. Zusätzlich greift auch mal Marek Gil, seines Zeichens Gitarrist bei Collage, unterstützend bei einem Song in die Saiten. Wie bereits anfangs erwähnt, ist die Musik sehr melodisch, ohne dabei in totalen Kitsch abzugleiten. Wo man jedoch seine persönliche Grenze für Belanglosigkeit und Langeweile zieht, ist individuell. Schimpfe ich sonst eigentlich über die nötige Aggressivität, so ist dessen Fehlen bei Quidam für mich kein Kritikpunkt. Die Melodien sind so wunderbar arrangiert und die Strukturen mit dem gewissen Prog Touch von Keyboards und vor allem Gitarre versehn, dass es nahezu perfekt anzuhören ist. Alleine der Anfangsteil von "Nocne widziadla" ist jedoch sehr poppig ausgefallen und erinnert etwas an Pendragons "Kowtow" Album, dem ultimativen Griff ins Klo. Hat man die ersten drei Minuten ohne Schäden überstanden, wird man aber nach überleitendem Geflöte mit der gewohnt guten Melodic Mischung belohnt. Weiterhin etwas negativ fällt auf, dass die letzten drei Lieder inhaltlich an Stärke verlieren und das zuvor gehörte Niveau nicht erreichen können. Diese CD ist empfehlenswert, jedoch sind dafür einige Einschränkungen nötig. Wer keine Probleme mit nicht-englischem Gesang hat, schöne Melodien ohne jegliche Ecken und Kanten im luftigen Neo Prog Kleid mag und auch bei etwas langatmigen Liedaufbau noch mit Begeisterung zuhört, der wird mit Quidam seine helle Freude haben.

Kristian Selm



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