CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)
Grandbell - The sun and the embryo
(71:13, PRW, 1996)
Durch Zufälle ergeben sich manchmal kontinentale Schwerpunkte im Veröffentlichungsdschungel, so dass der südamerikanische Anteil in diesem Heft überraschend hoch ist. Also, auf geht's zum nächsten musikalischen Erguss aus dem Lande des Fußballweltmeisters, Samba und Zuckerhut. Trotz dieser Klischees passt diese CD in die bereits in der Kritik von Apocalypse erwähnte brasilianische Stilschublade nicht so ganz. Grandbell fahren überraschenderweise nicht tonnenweise Keyboardteppiche auf und auch der sonst vertretene bombastische Anteil bei Produkten aus Brasil wurde erheblich zurückgeschraubt. Das Sextett aus Porto Alegre spielt relaxten Folk Rock in teilweise sehr ausgedehnten Kompositionen und streut dabei Sinfonisches ein, um damit das Klangbild noch weicher und beschwingter klingen zu lassen. Auffallend neben sehr viel Flöte und akustischen Instrumenten ist der angenehme Gesang von Renato Jardim. Er singt zwar in englisch, doch mit seiner Ausdrucksweise und Stimmlage (irgendwo zwischen Jon Anderson und Al Stewart) drückt er der Band seinen persönlichen Stempel auf. Um mal wieder das beliebte Spiel der Vergleich mit anderen Größen auszuüben, nachfolgend die Namen zur groben Orientierung. Einen Schuss Renaissance (musikalische Mischung von Folk Rock mit sinfonischen Strukturen) wird etwas sehr frühe Genesis (Geflöte und akustische Gitarrenparts) beigegeben, dazu noch ein rockig federnder Unterbau und fertig ist die eigenständig klingende Mixtur. Eine transparente Produktion, nette unaufdringliche Ideen und deren immer wunderschön melodisch klingende Umsetzung machen "The sun and the embryo" zu einem lohnenswerten Ausflug zu den Randbereichen des Progs, wo Folk und Rock noch das Sagen haben.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996