(47:17, CD, Vinyl, Digital, Napalm Records, 2022) Atma bzw. Ātman steht im Buddhismus für das Konzept eines unveränderlichen Selbst, auch Buddha-Natur genannt. Ganz grob vereinfacht also das, was übrig bleibt, wenn die Verhaftung an Empfindungen, Sehnsüchte, Gier und die Spiegelfechtereien des eigenen Geistes ganz oder zumindest zeitweise überwunden werden können. So etwas wie des Pudels Kern. Ein krasses Konzept – und ein ungemein passender Titel für ein Album, mit dem das Aschaffenburger Quartett wieder zurück ins Leben tritt. Und damit ist jetzt ausnahmsweise nicht nur der Winterschlaf bei Live-Auftritten gemeint, zu dem die Pandemie natürlich auch MSK gezwungen hat. Die…
Autor: Klaus Reckert
(42:26, digital, CD, LP, Circular Waves Records, 2022) Sie tun es einfach nicht unter einem Konzeptalbum. Nach den jeweils einem gemeinsamen Storyboard folgenden Longplayern “Vasilisa” (2015) und dem Über-Werk “Asylum” (2020) reisen wir mit Chaosboys-Airlines und ihrer stark modifizierten Bong 747 “Chaosforce 2222” nunmehr in eine nicht allzu ferne, jedoch umso erstaunlichere Zukunft. Ihren Weg bis auf diese Rollbahn hatte Kollege Floh anlässlich der ebenfalls in diesem Jahr erschienen EP “Boxes” bereits so wunderbar beschrieben, dass wir uns das hier kneifen können. Im Gegensatz zur sonst weit verbreiteten Schwarzmalerei bezüglich des Kommenden erleben wir hier das rosarote Gegenteil: “Die Songs…
Kuschliger Sommersonnenwendensoundtrack Seit dem Start 2017 hat sich unser Mag diese Perle unter den proggigen Open Air-Festivals nie entgehen lassen. Beim diesjährigen Nachholtermin des Midsummer Prog (MSP) für 2021 wurde die Vorfreude zumindest des Autoren übrigens von keiner einzigen der angekündigten Bands aufgeheizt. Doch dafür umso mehr von der sicheren Aussicht, viele Freunde und Bekannte sowie eines der schönsten uns bekannten Venues überhaupt (vielleicht neben der Parkbühne vom GeyserHaus, Leipzig) wiederzusehen. Wohlgemerkt, mit Leprous, Antimatter, Mystery, RPWL, Klone und Perfect Storm ist per se auch nichts verkehrt (es sei denn, man hat sie schon soooo oft gesehen – Luxusproblem). Aber…
Lotto, TOTO, Seniorensextett Es wirkte auf den allerersten Blick wie ein doch minimal putziges Parshipping, das Mascot Records/Wizard Promotions da ersonnen hatten: Die PsychRock-Wunderkinder aus den Niederlanden eröffnen für die Titanen des Geronto-Rock. Aber zum einen sind auch DeWolff halt nicht mehr die Teens, die sie zu ihrem Karrierebeginn verblüffenderweise waren. Und zum anderen hat es noch selten geschadet, einen wirklich heißen Einheizer zu haben. Nicht mal Toto… Der Konzertspaß begann – bei hinreißendem Sommerwetter – auf die Minute genau wie angekündigt um 18:30 Uhr… DeWolff … und überrollte gleich mal mit dem wuchtigen, aber differenzierten Sound. Und dem optischen…
(1:38:53, DoCD, Digital, AmygdaLand/Just For Kicks, 2022) Allein schon die Song-Titel sind hier strong. Doch fürwahr nicht nur die. ‘Crazy little thing called Reality’ hat zwar einen Beat, den der Rezensent vermutlich im Release Radar reflexhaft wegklicken würde. Aber darüber geschehen ja noch viele andere, charmante Dinge. Wie diese die Beine des Hörers nahezu fernsteuernden Percussion-Grooves (so in etwa: “We are the BORGah-Mentals. Lower your shields and start to dance”). Der spaßige Lo-Fi-Gesang. Die Akustikgitarren-Licks… Dann wäre da noch das längliche ‘Cara – Wahn Part II’. Müsste mit seiner satten Mellotron-Sahnetortenschicht und der lieblichen Akustikgitarre Proggies runtergehen wie ein auf…
(43:13; Vinyl, CD, Digital, Construction Records/Suburban/Just for Kicks, 24.06.2022) Bei unseren nordwestlichen Nachbarn muss doch irgendwas im Wasser sein – ob es an den Grachten liegt? Am Heineken ja wohl kaum?? (Beinahe) aus dem Nichts erscheint hier jedenfalls wieder einmal eine Band, die die progressive Szene aufmischen könnte, ja sollte. Lanciert als “Zwischen Riverside und (in geringerem Umfang) Opeth” lautet das vorläufige persönliche Fazit nach einigen Hördurchgängen eher auf Porcupine Tree meets Tool meets Jo Quail. Und damit würden ja u.a. einige aktuelle Superreize bedient. Die Porcupine-Tree-Assoziation erscheint wohl primär wegen Fons Herders Gesang (A Liquid Landscape), Tool ist unausweichlich…
Die Geschäftsmodelle in der Musikindustrie haben durch die zunehmende Digitalisierung einen Paradigmenwechsel erfahren. Gerade Auftauchen und Aufstieg der Streaming-Services zeigen bedrohliche Effekte wie andere Disruptive Technologien, bei der laut Wikipedia “ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung ersetzt oder diese vollständig vom Markt verdrängt wird”. Zum Problem und (Kultur-)Politikum wird dies aber erst dadurch, dass zahlreiche Musiker vom jetzt verdrängtnuten Modell – also dem Verkauf von Musikmedien wie LP, CD, Tape plus Merch, direkt oder über Labels und Händler – jahrzehntelang leben konnten. Während die Beteiligung am Umsatz, also die “Ausschüttung” an die Content Creators beim Streaming so gering ist,…
Leprosis Ursprünglich hätte mal Haken der Headliner des Prognosis-Samstages sein sollen. Corona und die Band (bis auf Ross Jennings) wollten es anders – gut für Leprous. Und den Publikumsreaktionen nach auch gut für den Festival-Abschluss. Die Setlist – wohl auch, wie bei Katatonia, aus Fan-Wünschen selektiert, aber da bin ich mir nicht ganz sicher – ließ jedenfalls kaum Wünsche offen: ‘Running Low’, ‘Moon’, ‘Dare You’, ‘Rewind’, … Um da mal Floh zu zitieren: Herausragend waren dabei vor allem die vereinzelten Death Metal Vocals von Sänger Einar Solberg, denn genauso wie seine hohen Tonlagen hat sich auch sein harrscher Gesang über…
Life is like a Wheelosis Es tat einfach gut, Wheel endlich mal mit gutem Sound zu erleben. Noch besser, wahrzunehmen, wie die Band bei Auftritten immer souveräner agiert. Am besten, mitten drin dabei gewesen zu sein, als sie den kleineren Prognosis-Saal abgerissen haben. Wo sich zu diesem Zeitpunkt gefühlt genauso viele Sardinen-Menschen hineingequetscht hatten, wie zuvor bei Focus in den großen. James Lascelles (Gesang & Gitarre), Santeri Saksala (Schlagzeug), Aki Virta (Bass) und Jussi Turunen (Lead-Gitarre) sind mittlerweile eine sichere Live-Bank. Auch Anwürfe wie der, nur Tool-Kopisten zu sein, perlen inzwischen rückstandslos an dem finnisch-britischen Power-Quartett ab. Denn dafür haben…
Legendosis Ob das wirklich eine gute Idee gewesen war? Die niederländische Nationalinstitution Focus so relativ spät im Billing eines ProgMetal-Festivals? Aber hallo! Denn das Quartett um Flötist/Organist/Chefjodler Thijs van Leer hatte den großen Saal ab den ersten Flötentönen von ‘Focus 1’ megafest im Griff. Etwaige Bedenken wegen des biblischen Alters des Frontmannes und der doch um einige Härtegrade hinter allem vom heutigen Tagesprogramm zurückbleibenden Musikstil wurden einfach – wegmusiziert. Eine royale Version von ‘House of the King’, die Ausbrüche von ‘Eruption’ und natürlich der Showstopper ‘Hocus Pocus’ ließen das Publikum kollektiv ausrasten. Kein Wunder, dass unsere westlichen Nachbarn auf diese…
Kelleramourosis In den Keller musste niemand hinab für die lohnende Begegnung mit Cellar Darling, einem ungemein attraktiven Eluveitie-Spaltprodukt. Der Abstieg zum kleinen Saal und eine gewisse Leidensbereitschaft aufgrund des für die Band schmeichelhaften, kaum noch steigerbaren Gedränges reichte schon vollkommen aus. Einer der vielen Gründe, den Festival-Organisatoren dankbar zu sein. Denn das Gewölbe-Liebchen hatte der Autor so überhaupt nicht auf dem Schirm oder im Plattenkeller. Was sich aber nun gründlich geändert hat. Der Charme des Schweizer Trios hat viel mit Anna Murphys Bühnenpräsenz zu tun, ihrer so warmen wie kraftvollen Stimme (bisweilen, z. B. bei ‘Death’, an Anneke van Giersbergen…
Ferngesprächosis Die beiden Teile von ‘Curiosity’ gaben sowohl vom Thema wie vor allem musikalisch einen idealen Einstieg in den Gig der deutschen Post-Rock-Institution Long Distance Calling ab. Über Mangel an Neugier bzw. Vorfreude konnte sich hier eh keiner beklagen – der große Salon(osis) des Hauses war zum Konzertstart gut, aber noch nicht brechend gefüllt. Die treibenden Rhythmen bauten sich in mehreren Wellen immer gewaltiger auf. Der Lichtmischer tauchte diesen Sturm auf See in monochromes Rotlicht – und viel davon. Wer Post Rock aufgrund des meist “fehlenden” Gesangs per se unspannend findet, dem kann der Besuch eines LDC-Konzertes nur ans Herz…
Blutrotosis War es nur der Heimvorteil des Sextetts aus Tilburg, der ihnen ein von Anfang an aus allen Nähten platzendes Auditorium bescherte? Wohl kaum. Die Band hat sich u.a. durch Auftritte beim ProgPower Europe 2019, aber auch Support Slots für z. B. Danny Cavanagh oder Klone einen Namen gemacht und die Reihen ihres Gefolges gefüllt. Von Kollegen der schreibenden Zunft als “Doom” angekündigt, erlebten zumindest wir mehr einen einigermaßen originellen Mix aus Alternative Rock, Songstrukturen aus dem Progressive Rock, der überwiegend in gemächlichem Tempo unterwegs ist. Und sehr geprägt von der charakteristischen Stimme von Frontfrau Lisette van den Berg. Mit…
We are Motörpsycho! Motorpsycho ist – gemeinsam mit Motörhead – vermutlich die Band, die der Autor bisher am meisten im Konzert erlebt hat. Bei Letzteren (R.I.P.) hat es sich einfach auf Festivals immer so ergeben, bei den Erstgenannten hingegen ist dieser Umstand vollkommen freiwillig und lustvoll… Zusätzlichen Reiz erhielt die diesjährige Motorpsychose dadurch, dass damit auch endlich mal wieder ein weißer Fleck auf der rheinischen Konzerthallenlandkarte gestrichen werden konnte. Bim, Bam, Gloria! Das zeitweilig als Porno-Lichtspieltheater genutzte Gloria-Theater in der Apostelnstraße ist wirklich pornös schön: ein kultiger Schriftzug begrüßt die Besucher ebenso wie die wundervolle alte Architektur und der rote…
Magic Love Potionionosis Was stand jetzt an? “The characteristic and unique Magic Pie sound is founded on strong melodious songs, blended by power”. Oder “Der kleine Bruder der Flower Kings”, wie es in unserem Vorgänger-Print-Medium Progressive Newsletter mal hieß, der relativ häufig über die Band aus dem norwegischen Fredikstad berichet hat. Als Allererstes fiel ja mal auf, dass es im großen Salonosis zumindest anfangs genauso leer war, wie es grade noch bei der Cobra im kleinen überfüllt gewesen war. Komplett korrespondierend auf der Bühne, das Quintett stieg nur als Duo ein. Entfaltete wenig später in voller Mampfstärke aber einen durchaus…
Aufspießosis Eine der Prognosis-Bands, die der Autor zuvor so gar nicht auf dem Zettel hatte. OK, irgendwann mal ihrer FB ‘n Like gegeben, aber was heißt das schon groß. Doch das noch vergleichsweise junge Quartett + Drummer aus dem belgischen Gent entpuppte sich als eine von zwei erfreulich positiven Überraschungen des Festivals. Und das ging schon mit der Optik los. Im kleinen Saal, der bei bereits laufendem Konzert so gepackt voll war, dass sich da kaum noch eine Schlange hätte reinschlängeln können. Um wieviel schwerer erst ein neugieriger Metal-Fan. Der Optik-Bonus bestand im Wesentlichen aus einem tüchtig großen Backdrop, der…
Totgeburtosis “Queens of the Stone Age, Biffy Clyro and Foo Fighters” schickt die Band selbst zu ihrer Positions-Bestimmung in den Ring. Unser Floh hingegen hatte ein trockenes “Sollen wie Ghost klingen” in den Ring geworfen. Darüber möchte der Autor als bekennender Nicht-Geister-Beschwörer nicht entscheiden müssen. Bedauerlicher Fakt aber bleibt, dass der Auftritt der teils maskierten, teils lustig fluoreszierenden Norweger als der erste (und einzige!) Beinahe-Ausfall bei diesem Festival in Erinnerung geblieben ist. Aber das bleibt ja – wie stets – in erster Linie Geschmackssache. Nummern wie ‘Blood of Babylon’ oder ‘Zeitgeist’ wirkten nun mal enorm simpel gestrickt. Und waren durchaus…
Vorurteillosis Anlässlich der Würdigung des Prognosis-Auftritts von Novena hatten wir ja noch Auslassungen zum Thema Musik rezensieren vs. Vorurteile angedroht. Here they are. Also munter hinein in die peinlichen Geständnisse: Autor dieses ist – wie vermutlich die meisten Prog-Metal-Fans durchaus ein Fan von Haken, ‘As Death Embraces’ ist sogar so etwas wie einer der Lieblingssongs für die Insel. Entsprechend häufig wurden die Briten natürlich auch livehaftig gesehen. Aber leider stets mit dem Effekt, dass das Geschehen am ästhetischsten mit geschlossenen Augen gewirkt hat. Irgendwas an dem Agieren des grundsätzlich großartigen Mikrofon-Hakens Ross Jennings führte immer dazu, dass ich das lieber…
Katatoniosis Katatonia fiel nicht nur die ehrenvolle Aufgabe zu, den Sack eines so vielfältigen wie starken ersten Prognosis-Tages zuzuknoten. Das Konzert war auch insofern speziell, als die Fans die Setlist hatten zusammenstellen dürfen – und sich folglich auf ein Greatest-Hits-Programm freuen konnten (vgl. auch das ähnlich gelagerte Album “Dead Air” von 2020. Die dritte Besonderheit: Weil Klone durch Corona-Erkrankungen leider kurzfristig verhindert waren, durften die Schweden ein erweitertes Set spielen – immerhin von 22:15 bis zur Geisterstunde. Und das hatte es wie erwartbar in sich. ‘Lethean’ eröffnete vergleichsweise mit der Neuzeit. Und extrem melodisch. Was aber niemand im Effenaar am…
Novenanosis Eigentlich ist und bleibt das mit dem Rezensieren von Musik, von Live-Auftritten gleich gar, eine zutiefst fragwürdige Angelegenheit. Denn so viel vom am Ende Hängenbleibenden ist davon abhängig, wie der Schreiber grundsätzlich zu dem zu behandelnden Thema eingestellt ist. Aber auch davon, wie sie/er gerade generell gefusselt ist, was kurz davor erlebt (gegessen, getrunken) wurde. Und damit haben wir das mindestens ebenso wichtige Thema Vorurteile noch nicht einmal gestreift. Zu Letztgenanntem noch etwas mehr bei der Würdigung des Solo-Auftritts von Ross Jennings am Prognosis-Dienstag. Soviel nur jetzt schon: der Autor quetschte sich mit einigen Vorbehalten bei bereits laufendem Novena-Auftritt…