(CD Box Set, Vinyl Box Set, Digital, Dangervisit/[PIAS] Cooperative/Rough Trade, 2019)
Es gab Zeiten, als elektronische Musik noch dem weiten Umfeld des Progressive Rock oder, bei deutschen Bands, dem Krautrock zugerechnet worden ist. An dieser Stelle seien vor allem Elektro-Pioniere wie Kraftwerk, Neu! oder Tangerine Dream genannt. Über die Jahrzehnte hinweg, entwickelte sich die elektronische Musik zu einem eigenen Genre mit so unterschiedlichen Sub-Genres wie Techno, House, Minimal, Dubstep und unzähligen weitern Spielarten. Würde man die Prog-Gemeinde heutzutage fragen, ob diese kontemporären Spielarten elektronischer Musik noch etwas mit Prog zu tun haben, so wäre die einhellige Meinung wohl ein klares Nein.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen, da es durchaus Musikprojekte gibt, die auch im elektronischen Bereich progressive Wege beschreiten. Boards of Canada, The Orb und Aphex Twin beispielsweise, sind in der Vergangenheit schon vereinzelt mit dem Label Electronic-Prog beschrieben worden. Zumeist wird jedoch das Kürzel IDM benutzt: Intelligent Dance Music.
Bands, die in den letzten Jahren so wie Archive beide Musikstile wieder zusammengeführt haben, gibt es dagegen nur wenige. Umso wichtiger erscheint es mir daher, den Stellenwert des britischen Kollektivs zu betonen. Vor allem weil Archives Kreativität noch viel weiter reicht. Wahrscheinlich gibt es kein anderes Musikprojekt, welches sich in den vergangenen 25 Jahren eine so große Vielzahl unterschiedlicher Musikstile zu eigen gemacht hat, ohne dabei ihrem ureigenen Trademark-Sound untreu zu werden.
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Zum 25-jährigen Jubiläum des Projektes ist nun endlich, zum ersten Mal, eine Art Best-Of Archives erschienen. Die Werkschau trägt passenderweise den Namen “25” und verschafft im Rahmen von sechs LPs, einer 10″- und einer 7″-Single, mit Hilfe von 43 Liedern einen Überblick über die Vielfalt der Klangexperimente der ehemaligen House-DJs Danny Griffiths und Darius Keeler. Das Resultat ist eine abwechslungsreiche Sammlung von Musik, die so unterschiedliche Stile wie Pop, Rock, Ambient, Trip Hop, Alternative Rock, Filmmusik, Prog Rock, Art Rock, New Artrock, Hip Hop, Shoegaze, Avantgarde, Post Rock, Industrial und eben auch immer wieder elektronische Musik abdeckt.
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Archive haben sich bei vorliegender Werkschau gegen eine chronologische Abfolge ihres Liedgutes entschieden. Lediglich fünf von acht neuen Liedern haben Archive auf zwei separate Singles gepackt. Alle anderen Songs verteilen sich in einer kaum nachvollziehbaren Reihenfolge über die zwölf Vinyl-Seiten. Das Resultat ist ein Stilmix, wie er nur auf den wildesten genreübergreifenden Samplern vorkommt. Dies hat zur Folge, dass es dem Hörer aufgrund des Abwechslungsreichtums beim Konsum von “25” nicht langweilig werden kann. Selbst Songs der unter Prog-Fans eher ungeliebten beiden letzten Alben “Restriction” und “The False Foundation” fügen sich auf “25” perfekt ins Gesamtbild und bereichern die Sammlung durch ihre Andersartigkeit.
Begleitet wird die Kollektion musikalischer Großtaten wie ‘You Make Me Feel’, ‘Again’, ‘Fuck U’, ‘Lights’, ‘Controlling Crowds’ oder ‘Distorted Angels’ nicht nur von eher unbekannten und neuen Liedern, sondern auch von einem 160 Seiten umfassenden, mit zahlreichen Fotografien ausgestatteten Begleitbuch. In chronologischer Reihenfolge erzählen die Bandköpfe Griffiths und Keeler die Geschichte des Kollektivs, sowie die Entstehungsgeschichten zu den unterschiedlichen Alben. Neben Dave Pen, Maria Q, Pollad Berrier und Holly Martin, den aktuellen Mitgliedern des Kollektivs, kommen auch ehemalige Mitstreiter des Projektes wie Rosko John, Roya Arab, Suzanne Wooder, Matt Martin, Craig Walker, sowie aktuelle Kooperationspartner wie Steve Mason, Emma Richardson, Russel Marsden und Lisa Mottram zur Sprache. Vor allem die Wortäußerungen der ehemaligen Mitglieder eröffnet dabei erkenntnisreiche Einblicke in die musikalische Entwicklung des Kollektivs.
Was die neuen Songs betrifft, so passen diese aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit sehr gut in den Gesamtkontext des Albums. Bei insgesamt acht Liedern kann man fast von einem neuen Album sprechen, das auf “25” enthalten ist. Hörenswert sind dabei nicht nur die sich auf den 12″-Scheiben befindenden Lieder, sondern auch die fünf Songs auf den Singles. Die acht Lieder sind dabei sehr unterschiedlich und repräsentieren die große Vielfalt der stilistischen Ausdrucksformen des Kollektivs.
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Besonders erwähnenswert erscheinen mir hier die drei Singles ‘Remains of Nothing’, ‘Erase’ und ‘Lightning Love’. Bei ‘Remains of Nothing’ handelt es sich um eine Kooperation mit der englischen Rockformation Band of Skulls. Es ist ein sehr kontrastreiches Stück, bei dem Archive wieder einmal neue Wege einschlagen. In dessen ersten Part treffen elektronische Spielereien auf treibende Rock-Grooves und mysteriösen Gesang, bevor diese in der zweiten Hälfte von orchestraler Instrumentierung und Rap-Gesang abgelöst werden. ‘Erase’ hingegen ist klassischer elektronischer Archive-Sound der 00er Jahre mit gefühlvollem Gesang von Pollard Berrier. Bei ‘Lightning Love’, einer Zusammenarbeit mit dem schottischen Musiker Steve Mason hingegen fühlt man sich an die Alternative-Sounds der Craig Walker-Jahre erinnert.
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Highlight der neuen Lieder ist allerdings das knapp 15-minütige ‘Heart Beats’. Anders als bei den berühmten Long-Tracks ‘Lights’ und ‘Again,’ steht bei diesem Stück weniger die Musik im Mittelpunkt, sondern vielmehr der betörende Gesang von Holly Martin. Einfach wunderschön.
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Alles in allem bekommt man mit dieser Werkschau genau das geliefert, was man als Fan erwarten durfte: einen repräsentativen Querschnitt durch ein Vierteljahrhundert Bandgeschichte in minimalistisch-edler Verpackung. Die Songauswahl ist überzeugend und deckt sämtliche musikalische Phasen des Kollektivs ab. Dazu gibt es praktisch die komplette Bandgeschichte zum nachlesen. Obendrein wird mit acht brandneuen Liedern praktisch ein komplettes neues Studioalbum mitgeliefert.
Am Ende stellt sich mir lediglich eine Frage: Warum wurden fünf der acht neuen Lieder auf Singles und nicht wie die drei anderen gemeinsam mit den alten Songs auf die 12″-Scheiben gepresst? Dies ist nicht nur unverständlich, sondern auch ein wenig ärgerlich. Der Aufwand nach so kurzer Spielzeit immer wieder die Platten wechseln zu müssen, ist einfach zu groß um sie öfters zuhören.
Aber zum Glück gibt es das Album ja auch in digitaler Form.
Bewertung: 15/15 Punkten
Tracklist (Vinyl Version):
A1 ‘Again’
A2 ‘Londinium’
B1 ‘Bullets’
B2 ‘System’
B3 ‘Kings Of Speed’
B4 ‘Erase’
C1 ‘You Make Me Feel’
C2 ‘Kid Corner’
C3 ‘Bastardized Ink’
C4 ‘Shiver’
D1 ‘Controlling Crowds’
D2 ‘Pills’
D3 ‘Falling’
E1 ‘Noise’
E2 ‘Violently’
E3 ‘Bright Lights’
E4 ‘End Of Our Days’
F1 ‘Finding It So Hard’
F2 ‘The Empty Bottle’
G1 ‘Fuck U’
G2 ‘Remains Of Nothing’
G3 ‘The False Foundation’
G4 ‘Hatchet’
H1 ‘Lights’
I1 ‘Waste’
I2 ‘Splinters’
I3 ‘Black & Blue’
J1 ‘Collapse/Collide’
J2 ‘Bridge Scene’
J3 ‘Numb’
J4 ‘Feel It’
K1 ‘Wiped Out’
K2 ‘Driving In Nails’
K3 ‘So Few Words’
L1 ‘Distorted Angels’
L2 ‘Nothing Else’
L3 ‘Lines’
L4 ‘Take My Head’
M1 ‘Heart Beats’
N1 ‘Hyperreal’
N2 ‘The Hell Scared Out Of Me’
O1 ‘Lightning Love’ – feat. Steve Mason
P1 ‘While There’s Light’
Surftipps zu Archive:
Konzertbericht: 31.10.19, Köln, E-Werk
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