The Great Adventure
Im Norden der Domstadt gibt es noch einen der immer seltener werdenden Event-Orte mit Kultcharakter. Dort wagen es noch unermüdliche Veranstalter auch einmal wirtschaftlich riskantere ProgRock Veranstaltung anzubieten …… so zuletzt geschehen mit dem leider viel zu gering besuchten Konzert der beiden Bands Lifesigns und O.R.K. Es braucht schon einiges um die ‘alten’ Herrschaften zu mobilisieren und aus ihrer Komfort- bzw. Couch-Zone zu locken. Auf die angenehmste Weise! Als einzige Möglichkeit bleibt scheinbar nur, sie mit namhaften, international renommierten und herausstechenden Künstlern der Prog-Szene aus der Reserve zu locken. Zu diesen gehört ganz bestimmt auch der US-Amerikaner Neal Morse (seit ewigen Zeiten im Geschäft und bekannt durch seine langjährige Präsenz bei Spock´s Beard) und seine ebenfalls hochkarätigen musikalischen Mitstreiter.
Seit der Trennung von seiner damaligen Band wandelt er auf Solopfaden oder ist Teil diverser erfolgreicher Projekte, wie z.B. Transatlantic. Köln und das Bergische Land sind für Neal Morse kein unbekanntes Pflaster, so hatte er bereits in der Vergangenheit als Solist und u.a. mit Transatlantic Bekanntschaft mit unserem schönen Fleckchen am Rhein machen dürfen.
Stets in edler Besetzung schafft es der Herr der religös-ernsthaften Klänge, die Musikfans zu animieren ihre Wohnzimmer endlich zu verlassen, so auch im nicht gerade als Prog-Mekka geltenden Köln. Ausverkauft und mit einem Fassungsvermögen von knapp 1.000 zahlenden Zuschauern sollte für ausreichend Stimmung gesorgt sein, so der Plan. Um den allerdings zu erleben, musste die kleine Betreuer-Abordnung erst einmal einen gesunden Fußweg vom weiter entfernten Parkplatz und die Schlange an der Kasse über sich ergehen lassen. Aber was sind schon solche kleinen Hürden, die im Verlauf des – übrigens von BetreutesProggen.de präsentierten Konzerts schnell in Vergessenheit geraten. Neal Morse wusste mit seiner bekannt charmanten Art das Publikum auf sein großes Abenteuer mitzunehmen. Wie immer der geborene, typisch amerikanische Entertainer, stets an der Grenze der Perfektion, was seinen Stilmix aus Rock, Prog, Metal, Klassik und Jazz auch ausmacht.
Großen Anteil daran hatten natürlich auch seine auf hohem Niveau agierenden Mitstreiter. In der Besetzung Neal Morse (Vocals, Gitarre, Keys), Bill Hubauer (Vocals, Keys), Eric Gillette (Vocals, Gitarre) Randy George (Bass) und last but not least Ex-Dream Theater-Drummer Mike Portnoy spulten die Amerikaner ein Feuerwerk nach dem anderen ab. Hinreißende Sequenzen im Wechsel mit brachialer Gewalt, die die Kantine zum Beben brachten. Begeisterung pur, auch wenn es dem ein oder anderen sicherlich das Trommelfell mehr als beunruhigend zum Schwingen brachte. Der Sound, vor allem der Gesang war erfreulich gut abgemischt, auch wenn die Lautstärke wie gesagt oft etwas grenzwertig war. Was soll´s – den Fans schien es zu gefallen.
Getreu dem Tour Motto „The Great Adventure“ stand die neue DCD im vollen Umfang im akustischen Blickfeld. Unterteilt in zwei Acts und einem abschließenden Medley präsentierte sich die Band in Höchstform und ließen den Fans kaum Luft zum Durchatmen. Was allerdings bei der Enge im Saal auch keine wirkliche Überraschung war. Nach exakt 60 Minuten Dauerfeuer mit allem was Progressive Rock in seinen vielfältigen Facetten zu bieten hat und von den Fans geliebt wird, durften sich sowohl Musiker als auch Zuhörer für knapp 15 Minuten erholen. Dann folgte in gleicher Qualität mit einem bestens aufgelegten Neal Morse der zweite Act. Erstaunlich wie der Bandleader ähnlich eines Derwisches über die Bühne fegte (wow, was über 50 jährige noch leisten können!), dazu sein zwischenzeitliches verändern des Outfits und die große Spielfreude der Band, das brachte jung und alt förmlich zum Kochen.
Häufig ein Kritikpunkt, so war der Gesang zu keinem Zeitpunkt zu bemängeln. Besonders Eric Gillette wusste mit seiner warmen, besonders angenehmen Stimme stets zu gefallen. Zum Abschluss drehten die Jungs dann noch einmal eine Medleyrunde und gaben Passagen u.a. aus den Alben „Testimony“, „One“, „Lifeline“, „Momentum“, „Sola Scriptura“, „Neal Morse“, „The Grand Experiment“ und „The Similitude of a Dream“ zum Besten. Dem laut und deutlich vorgetragenen Wunsch nach einer weiteren Zugabe kam man aber leider nicht mehr nach. Nachdem die letzten Noten in der geflashten Kantine verhallten, verblieb trotzdem bei den meisten Progfans nur ein breites Grinsen, da wurden die Strapazen des langen Stehens und der schmerzenden Gliedmaßen zur unwichtigsten Nebensache degradiert. Musiktherapie wie sie nicht besser sein konnte. Nach über zwei Stunden intensiver Beschallung dürften die meisten hochzufrieden den Heimweg angetreten haben. Selber Schuld, wer sich dieses Konzert hat entgehen lassen, schade für die, die kein Ticket mehr ergattern konnten.
Für Morse Fans und die, die es noch werden wollten ein unbedingtes Muss, Dennoch trotz aller positiver Erlebnisse und einem langen Eventabend zum Schluss noch einige kritische Anmerkungen: Auch wenn eine große Zahl begeisteter Fans den Abend krönten, wäre es ganz bestimmt nicht verkehrt gewesen, wenn die Künstler im Anschluss des Konzert sich ein wenig Zeit genommen hätten. Der Rest der verbliebenen Fans wäre bestimmt an etwas Smalltalk oder dem Signieren der CDs interessiert gewesen. Musik sollte keine isolierte Konsumware sein, gerade die überschaubare Prog-Szene zeichnet sich normalerweise durch ihr geradezu familiäres Miteinander aus.
Wie gesagt das können bzw. machen andere noch bekanntere Musiker besser. Ob die zu beobachtende Unsitte bei einigen Bands, bei signierten CDs noch einmal kräftig zuzulangen, tatsächlich so eine gute Idee ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist die Musiker leben von Ihren Fans, da sollte vielleicht noch etwas mehr als nur eine gelungene Performance übrig bleiben. Zum Schluss bleibt noch der Dank an Wizard Promotions und Networking Media fürs Organisieren und möglich machen. Schade für die Zunft der Fotografen: die auf 15 Minuten begrenzte Arbeitszeit und der sehr knapp bemessene Bewegungsraum waren nicht optimal.
Setlist:
Act 1
Overture: The Great Adventure
The Dream Isn’t Over
Welcome to the World
A Momentary Change
Dark Melody
I Got to Run
To the River
The Great Adventure
Venture in Black
Hey Ho Let’s Go
Beyond the Borders
Act 2
Overture 2
Long Ago
The Dream Continues
Fighting With Destiny
Vanity Fair
Welcome to the World 2
The Element of Fear
Child of Wonder
The Great Despair
Freedom Calling
A Love That Never Dies
The Land of Beginning Again
Reunion
The Temple of the Living God
The Conflict
Leviathan
It’s for You
Momentum
The Call
Broken Sky / Long Day (Reprise)
Surftipps:
Homepage Neal Morse Band
Die Kantine
Wizard Promotions
Networking Media
Text: Horst-Werner Riedel; Live-Fotos: Timo Riedel
3 Kommentare
Full concert video of that gig: Neal Morse Band, The Great Adventure, Die Kantine, Cologne, Köln, Germany, March 29, 2019, click here:
Part 1 of 3 https://youtu.be/dXyHvLP0u8A
Part 2 of 3 https://youtu.be/ftkoroDbFNk
Part 3 of 3 https://youtu.be/mGydNoEEgWc
I think, they had to start to travel to denmark on the same evening, that’s why they startetd so early and had no time for an extra extra Zugabe or for meet & greet after the show.
Hallo Bernard,
das könnten tatsächlich die Gründe gewesen sein. Es ist allerdings nicht das 1. Konzert was ich in der Vergangenheit besucht habe und da haben sich ganz andere Größen am Schluss die Ehre gegeben und da gab es halt am nächsten Tag auch wieder das nächste Konzert. Ich denke da doch an eine Grundeinstellung, die sich im Lauf der Karriere einstellt. Ich möchte allerdings auch betonen, dass Neal Morse auf einer seinen Worship Veranstaltungen sich anders gibt und für jeden ansprechbar ist. Das alles sollte aber insgesamt nicht überbewertet werden. Im Vordergrund steht in jedem Fall die Musik und die gefällt mir fast ausnahmslos.
Hallo Horst-Werner, hattest recht – war in leipzig wie in köln – wobei ich nicht stundenlang gewartet hatte. Leipzig war die stimmung im 1. teil deutlich schwächer als in köln – dafür der sound viel satter und besser. Ab teil 2 war die stimmung wie in köln, dann auch der sound so gut (echt gut) wie in köln aber bei geringer “stimmung” ist der sound halt schon besser. Teil 3 fand ich’s dann sogar von den fans noch fanatischer als in köln. Neal war nochmal ne spur ausdrucksstärker (geht das?), stimme sogar besser. Die band war erstaunlich gelassen im spielen (etwas weniger euphorisch als in köln), ein paar mehr kleine fehler (die untergehen, wenn man’s nicht besser wüsste), aber alles in allem wie mukke auf allerhöchstem niveau. Mit kleinen nuancen – gleich stark wie in köln. Der wahnsinn – schad für alle die nicht da waren, wiegesagt, klickt ins köln-konzert, s.o. und viel spaß: IT’s FOR YOU (Songtitel)!!