(73:10 + 77:35 + 68:02, 3 CDs + Blu-Ray, Discipline Global Mobile, 2018)
“Das Konzert begann wegen Regens verspätet, die Band war gut, das Publikum großartig. 3 Stunden 10 Minuten. Es handelte sich um das enthusiastischste Publikum, dem wir je begegneten”. Diese Worte aus dem Tagebuch von Robert Fripp beschreiben in knappen Worten eines der Konzerte, die zwischen dem 14. und 19.Juli 2017 im Teatro Metrópolitan in Mexico City stattfanden. Und genau von jenen Konzerten liegt nun unter dem Namen “Meltdown” ein weiterer Konzertmitschnitt (siehe “Live in Toronto“, “Live In Chicago“, “Live In Vienna“) der aktuellen King Crimson Reinkarnation vor. Das achtköpfige King Crimson Ungetüm besteht neben Bandleader Robert Fripp (Gitarre, Keyboards) aus: Mel Collins (Saxophon, Flöte), Gavin Harrison (Schlagzeug), Jakko Jakszyk (Gesang, Gitarre, Flöte), Tony Levin (Bass, Stick, Background Gesang), Pat Mastelotto (Schlagzeug), Bill Rieflin (Keyboards) und Jeremy Stacey (Schlagzeug, Keyboards).
Die ähnlich umfangreiche, in Japan mitgeschnittene und 2016 veröffentliche Box “Radical Action To Unseat The Hold Of Monkey Mind” verzichtete im Audioteil gänzlich auf Zuschauerreaktionen, während “Meltdown” ebenso die Euphorie des mexikanischen Publikums dokumentiert. Deswegen ist sicherlich für diejenigen, die eine ausführliche Dokumentation der aktuellen britisch-amerikanischen King Crimson Formation in Betracht ziehen, in der persönlichen Einschätzung “Meltdown” die eindeutig bessere Wahl. Zwar ist auf der 2016er Box auch einiges an damals exklusiven, bis heute noch auf keinem Studioalbum veröffentlichten Material enthalten, ist die titelmäßige Ausrichtung von “Meltdown” dafür im Repertoire weitgreifender und eben nicht nur auf die klassische Phase bis 1974 ausgerichtet. Vor allem ist diese Box jedoch von der Umsetzung und Reaktion wesentlich energetischer und enthusiastischer, bietet jede Menge Musik fürs Geld. Hinzu kommt die Verpackung in einer hübschen Box, ergänzt um Kommentare und diverse Fotos.
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Die Auftritte von King Crimson gleichen in der aktuellen Formation mehr einem klassischen Konzert. Die Bekleidung im edlen Zwirn und der völlig auf die Musik hochkonzentrierte Habitus der Musiker, die sparsame, auf jegliche Effekte verzichtende Ausleuchtung, das Weglassen jeglicher Interaktion mit dem Publikum und jeglicher Bühnenaction manifestiert diese Sichtweise. Auf dem sechsten Livemitschnitt seit 2015 (Los Angeles, Toronto, Wien, Takamatsu, Chicago und nun Mexico City) sind logischerweise inhaltliche Redundanzen nicht zu vermeiden – die Sinnhaftigkeit einer weiteren Veröffentlichung ist demnach rein subjektiv zu beurteilen. “Meltdown” bietet somit im regulären Set bis auf ein sehr umfangreiches Programm nicht grundlegend Neues, lediglich das sehr kurze, knapp über 1-Minute dauernde ‘CatalytiKc No.9’ gab es bisher noch nirgendwo sonst zu hören.
Ansonsten unternimmt man einen kurzweiligen Streifzug durch die Geschichte mit einem erkennbaren Schwerpunkt auf den 70er Alben “Lizard” (1970), “Islands” (1971), “Lark’s tongues in aspic” (1973) und “Red” (1974) – u.a. mit Klassikern wie ‘Starless’, ‘Easy Money’, ‘Red’ oder ‘Cirkus’ – aber genauso finden 80er Jahre Ausflüge mit ‘Neurotica’ oder ‘Indiscipline’ ihren Platz.
Als wunderbare Ergänzung wurden auf CD3 unter dem Titel “Official Bootleg” einige bisher noch nicht von dieser Besetzung zu hörende Titel von der aktuellen Tour hinzugefügt. So feiern u.a. ‘Discipline’ (vom gleichnamigen 81er Album), ‘Moonchild’ (vom 1969 Debüt) und ‘Breathless’ (vom 79er Robert Fripp Soloalbum ‘Exposure’) ihre Premiere.
In Nuancen interpretiert die Band das Material wiederum etwas anders, gerade die Keyboardparts bzw. Mellotronflächen finden an neuen Stellen Einzug, ’21st Century Schizoid Man’ bekommt einen neuen Improvisationsteil verpasst. Man merkt und hört der Band an, dass sie zwar unheimlich konzentriert, aber eben auch mit Leidenschaft und Freude musiziert, vor allem Robert Fripp scheint inzwischen seinen musikalischen Frieden gefunden zu haben – siehe auch sein Grinsen auf dem unten angefügten Bandfoto.
Wer hier lediglich eine lustige Rentnerband erwartet, die nur ihre Historie fürs schnelle Geld reproduziert, liegt komplett falsch. Noch immer sind gefährliche, unerwartete Schlenker zu hören, z.B. durch Mel Collins, wirkt vieles erstaunlich frisch, geradezu zeitlos und trotz inhaltlicher Sperrigkeit faszinierend und spannend. Auf den Punkt gebracht: ein weiteres interessantes und lohnenswertes King Crimson Livealbum.
Bewertung: 13/15 Punkten (GH 12, KR 13, KS 13)
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Abbildungen: King Crimson / Discipline Global Mobile