Earblast
Ein Jahr. Solang hat bei uns noch nie ein Festivalbericht gebraucht. Doch diesmal gab’s Gründe. Das nun bereits Ende dieser Woche erneut anstehende Euroblast-Festival ist immerhin ein willkommener Anlass, mit Euch wenigstens jetzt noch ein paar von Tobis tollen Bildern und ein paar Eindrücke und Gedanken zur letztjährigen Festival-Ausgabe zu teilen.
Wobei es dem Autor klar ist, dass nach dieser Event-Würdigung mindestens eine unmittelbare Facebook-Entfreundung sowie eine unehrenhafte Gruppenentlassung anstehen (watt mutt, datt mutt). Und dass wir so bald auch nicht wieder um eine EB-Akkreditierung ersuchen müssen bzw. dürfen. Wollen wir allerdings auch gar nicht mehr, das war vor einem Jahr schon klar – jedenfalls nicht, solange sich nicht mindestens eines der 2017 obwaltenden Produktionsprinzipien ändert.
Doch der Reihe nach. Der Autor hat das Festival ausgesprochen gerne besucht – mehrfach als Besucher und einmal als berichtender Journalist, als es noch in Ehrenfeld in Live Music Hall und Underground 1 und 2 (R.I.P.!) veranstaltet wurde. Hier waren die Voraussetzungen m.E. ideal, Bands und ihren Publikum die jeweils optimal passende Umgebung zu bieten, in erwiesenermaßen akustisch beherrschbaren Räumlichkeiten mit einem Fassungsvermögen von bis zu 50, bis zu ca. 400 und bis zu ca. 1.100 Personen. Und das Ganze verbunden mit dem schwer zu toppenden, nun aber erfolgreich fast weg-gentrifizierten Flair von Köln-Ehrenfeld, Rock City.
Seit 2013 ist das EB-Festival allerdings in die Kölner Essigfabrik abgewandert, in der zumindest meinereiner als jahrzehntelanger Konzertgänger in Köln noch nie eine einzige Produktion mit wirklich gutem Sound erlebt hat. Woraufhin es mit unserem EB-Engagement lange Essig war. Letztes Jahr aber wollten wir es aufgrund des tollen Billings mit dem erfolgreichen Festivalformat trotzdem noch einmal probieren.
Und niemand vom “Euroblast Collective” trug Schuld daran, dass der Autor sich passend zum langen HeavyProg-Wochenende eine Grippe eingefangen hatte und Fotograf Tobi sich aus Job-Gründen nur teilweise einbringen konnte. Am Freitag beispielsweise erst zu Textures.
Die stiftführende Virenschleuder hingegen hatte es schon zu LO! geschafft. Und war u.a. vom virtuosen Wechsel des Sängers zwischen Death-Growls und BlackMetal-Gekeife begeistert – genau wie die gefühlt vielleicht mal 300 anderen zu dieser frühen Nachmittagsstunde Anwesenden. Es zeichnete sich allerdings auch hier schon leider ab, dass man es keine Sekunde ohne möglichst guten, möglichst fest applizierten Gehörschutz aushalten würde. Und selbst mit dem war es immer noch brutal laut und der Sound schlecht.
Auch die Essigfabrik hat eine zusätzliche kleinere Räumlichkeit in petto, so können auch in der umgezogenen EB-Variante ereignislose Umbaupausen vermieden oder zumindest verkürzt werden. Allerdings handelt es sich hier um keinen Club, sondern um ein zumindest an diesem Tag brenzlig (nach Kabelbrand?) stinkendes, feuchtes, dunkles Kellerloch, in dem Verkabelung lose von der nicht allzu hohen Decke schaukelte – der feuchte Traum jedes Sicherheitsbeauftragten also.
Der Sound bei Controversial war sogar noch schwieriger als in der großen Halle, was meinereinen gemeinsam mit der die Atemwege beizenden Luft leider bald in die Flucht schlug.
Voyager sind alte Bekannte, die der Autor über die Jahre immer wieder gerne live gesehen hat, zuletzt 2016. Darum weiß man halt auch, wie diese Filigrantechniker normalerweise klingen. Im schmerzerregenden Lärmtsumani der großen Halle blieb davon leider kaum etwas übrig.
Am offensichtlichsten wurde es dann bei den schon früher bei einer Euroblast-Ausgabe begeistert gesehenen Uneven Structure, dass all dies keine kurzfristige Panne sein konnte. Hier wurde ohrenscheinlich mit voller Absicht ein Lautstärkeniveau jenseits der Schmerzgrenze gefahren.
Bitte nicht missverstehen: Der Autor ist Metal-Fan und u.a. langjähriger W:O:A-Veteran. Laut darf es gerne werden, aber halt so, dass noch Nuancen unterscheidbar bleiben. Und so, dass es nicht binnen Sekunden schmerzt.
Der im Prinzip bewegende Auftritt von Textures auf immerhin ihrer Abschiedstour wurde genau so sabotiert, sodass wir es irgendwann dann auch gut sein ließen und uns mit laut pfeifenden Ohren heim trollten, auf mehr Glück am nächsten Tag hoffend.
Doch Pustekuchen! Den persönlichen Einstieg am Samstag bildeten
Circuit of Suns, deren leicht buckelwalischer Gesang bei z.B. ‘Blood Red Shift’ aber auch schon wieder von den Soundbreiköchen verdorben wurde.
In den Pausen führte der inzwischen eingesetzte Dauerregen eindringlich das Fehlen von Planen oder sonstigen Abdeckungen zwischen den einzelnen Stationen wie Keller, (kleine) Fress- und Merch-Zeile etc. vor Augen. Auch Nasswerden war bei diesem Indoor-Festival leider unvermeidlich.
Weiter ging’s mit Bear. Die weißgekleideten Djentlemen aus dem belgischen Antwerpen gaben sich wirklich jede erdenkliche Mühe und forderten sogar unausgesetzt zum Näherkommen und Stagediven auf. Doch der Funke wollte nicht überspringen, jedenfalls nicht bei ausreichend vielen Zuschauern.
Colonel Petrov’s Good Judgement sind sogar fast so etwas wie sehr gute alte Bekannte. Um nur ja nichts von ihrem Auftritt zu verpassen, verfügten wir uns lange vor dessen Beginn in das Kellergewölbe – und bekamen den gesamten Soundcheck mit. Und hier wurde uns dann endgültig schlecht. Das Einregeln begann bei normaler bis aushaltbarer Lautstärke – mithin resultierend einem Sound, bei dem man die Instrumente noch auseinanderhalten konnte! Wir schöpften schon Hoffnung, doch die Regler wurden solange weiter gedreht und geschoben, bis es pfiff, kreischte, clippte. Pro Kanal, pro Instrument. Das Aberwitzigste aber war, dass die beiden Herren am Mischpult sich nach beschriebenem Erreichen des Kreisch-Stadiums auch noch gegenseitig applaudierten und mit ihrer Leistung offensichtlich hochzufrieden waren. Schade, aber nicht mal die phantastische, so originelle Musik der Judges übersteht eine solche Behandlung ohne Beinträchtigung.
Next in line: Deity’s Muse. Der Alternative Rock der Südafrikaner mit melodischen Perlen wie ‘Illumine’ ist besonders empfindlich, was die Gesangsverstärkung angeht – mit vorstellbarem Ergebnis auf diesem Festival.
Auch der folgende Auftritt von Exivious war einer von einer Abschiedstour. Da hier plötzlich ein exzellenter Sound gefahren wurde – warum nicht immer so? – bildete der Schwanengesang der niederländischen Cynic-Splittergruppe das persönliche Festival-Highlight.
Was Tymon Kruidenier (Gitarre), Robin Zielhorst (Bass), Jasper Barendregt (Schlagzeug) und Michel Nienhuis (Gitarre) hier veranstalteten, lässt das Ende der Band noch mehr betrauern – und die Nachfolge-Formation Our Oceans noch enger ins Auge fassen.
Das israelische Doom-/Sludge-Phänomen Dukatalon vollzog sich wieder im Kartoffelkeller. Hier konnte man den Mixer Airdrums spielen sehen, so enthusiasmiert war er von den von ihm angerichteten Lautstärkeverhältnissen – kurz bevor einem selbst beinahe das Blut aus Ohren und Nase lief.
Sowas grenzt an vorsätzliche Körperverletzung – und es ist so schade um die teils verhunzte Leistung so vieler großartiger Bands.
Die aufregend kaputte Musik von Carbomb erwies sich als einigermaßen widerstandsfähig gegen rüpelhaft bediente Regler, die tiefgestimmt daherkommenden Walzen beeindrucken ebenso sehr wie die gesungenen Wutausbrüche und die rhythmische Komplexität des Ganzen. Allerdings auch ein wenig anstrengend dieses ganze Geballer, das Bolt Thrower nach Hardrock klingen lässt.
Extrem abgefeiert wurde sodann der Djent von The Interbeing. Gerade bei ‘Sins Of The Mechanical’ (vom “Among The Amorphous”-Album) ging es im Publikum richtig ab. Die “Wall Of Death” musste dennoch von der Bühne aus angeordnet werden.
Dann war da noch Twelve Foot Ninja! In einem der interessantesten Amalgame des Tages verschmolz Progressive Metal jeweils mal mit Folk Metal, mit Reggae, mit Djent oder auch mit C64-Computerspiel-Sounds. Stark, leider auch viel zu laut.
Unser Sonntag startete nicht mit Zügen aus der Fuselflasche. Sondern mit Voices from the Fuselage. Und das grandios, bei noch akzeptablem Volumen. Nummern wie ‘Inner Child’ (vom “Odyssey: The Destroyer Of Worlds”-Album) ließen alles um einen herum vergessen.
Die Kölner Second Horizon könnten reichlich Hausmacht mitgebracht haben. Doch das melodieselige Powerriffing dieser Instrumentalcombo braucht überhaupt keinen Lokalpatriotismus.
Dann war da noch Kadinja. Zunächst als more of the same verkannt, gefiel uns die dynamische Djent-Vorstellung der Franzosen von Lied zu Lied besser.
Ganz ohne Tobi erlebte das amtierende Schreibluder Nameless Day Ritual – ein attraktiver weiblicher Zwerg sang sich in der Kellergruft die Seele aus dem Leib, und das ziemlich gut, fand meinereiner.
Zurück auf der Erdoberfläche läutete der ArtCore der großartigen The Hirsch Effekt das Ende des Festivals ein – jedenfalls für den Schreiberling, der inzwischen richtig Fieber hatte.
Das dazu. Puh – better late than never.
Das nächste Earblast findet also bereits vom 05. bis 07. Oktober wieder statt, leider abermals in der Essigfabrik, aber vielleicht ja mit gnädigeren Soundleuten. Das Line-up liest sich jedenfalls wie immer toll, z.B. Crippled Black Phoenix!!!, Caligula’s Horse!, Monuments, VOLA, Hypno5e!, Long Distance Calling, Lake Cisco!, Destiny Potato, Vitalism, Ayahuasca, Rolo Tomassi, Heart Of A Coward…
Am 04.10. gibt es im Club Volta erstmals sogar ein Burn-in-Event, hier “Ignite Night” genannt, mit vier Bands, darunter immerhin Second Horizon.
Also hin da – nur vergesst den Gehörschutz nicht, so guten wie möglich!
Live-Fotos: Tobias Berk
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