Kurzkritik für Schnellleser: Pomp, Bombast und (nicht ganz) Tausend Editionsmacken. Hätte es die nicht, wäre es mal sicher das Buch des Jahres für Fans von Progrock. In der vorliegenden deutschen Ausgabe hängt das stark davon ab, was noch so nachkommt. Des Englischen kundigen Lesern empfehlen wir einstweilen eher die 2017 erschienene Originalausgabe.
Zum Autor:
David “Dave” Weigel ist bekennender (Prog-)Rock-Fan. Er lebt in Washington, wo er lange für u.a. die renommierte Washington Post, aber auch Rolling Stone, das “Männermagazin” GQ oder das “Herrenmagazin” Esquire geschrieben hat.
Goodies:
1. Das Buch nimmt schon mit seiner Reportage-haften Ouvertüre gefangen, bei der wir uns unter den “uncoolsten” Menschen in Miami wiederfinden, die sich auf die Einschiffung zur Cruise to the Edge freuen – eine Art Night of the Prog, nur halt auf einen Ausflugsdampfer verlegt, damit die zahlenden Gäste möglichst nah an die Objekte ihrer Begierde kommen. Oder in Weigels Worten: “An der Kreuzfahrt nahmen Reisende aus 40 Nationen teil, eine Art UN für Menschen, die schräge Taktarten lieben.” (S. 11)
2. Die knapp 300 Seiten knistern nur so vor Anekdotik – das ist ihr größtes Plus. Hier wird weder Vollständigkeit noch wissenschaftliche Methodik versucht oder erreicht (siehe auch unter “Baddies”), aber durch die unzähligen farbigen bis deftigen Episoden gewinnen Epochen und Menschen an Farbe, ja werden im besten Falle geradezu plastisch. Etliche der Döneken werden langjährige Prog-Fans schon irgendwo gelesen haben, noch mehr davon aber entdeckte der Rezensent hier erstmals. Zum Beispiel die, wie “Terry Riley Daevid Allen alles über Tape Loops beibrachte” und “Allen Riley ungefähr den Rest des Lebens” S. 27. Oder: Bei Tulls “Warchild” hätte ursprünglich Monty Pythons John Cleese mit von der Partie sein sollen! Oder: Nirvanas Kurt Cobain (R.I.P.) hat King Crimsons “Red” als eines seiner Lieblingsalben bezeichnet.
Baddies:
1. Der Eindeutige Erkenntnisschwerpunkt des Autoren liegt bei: Emerson Lake & Palmer (leidenschaftlich), Yes, Genesis und King Crimson (sehr kenntnisreich) sowie Gong und Van der Graaf Generator (ferner liefen). Alles andere wird wenn überhaupt eher kursorisch behandelt. Damit muss man leben können. Der Rezensent kann es, weil die Anekdoten so schön sind.
2. Der Autor bedient sich exzessiv bei Interviews (in Zeitschriften und auf Webseiten) sowie Biografien anderer Autoren. Die deutsche Ausgabe enthält aber kein Quellenverzeichnis, kein “further Reading” und auch die “Danksagungen” (S. 291 ff.) gehen so nonchalant über die Quellenlage hinweg, als beruhe fast jede Geschichte im Buch auf eigenen Recherchen des Autors.
zur vollständigen Rezension auf unserer besonders empfehlenswerten Schwesterseite Booknerds.de
Cover © Hannibal Verlag
- Autor: David Weigel
- Titel: Progressive Rock – Pomp, Bombast und Tausend Takte
- Originaltitel: The Show that never ends. The rise and fall of Prog Rock
- Übersetzer: Alan Tepper
- Verlag: Hannibal
- Erschienen: Mai 2018
- Einband: Broschur
- Seiten: 296
- ISBN: 978-3-85445-645-2
- Sonstige Informationen:
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Mehr zum Buch
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 10/15 Punkten
2 Kommentare
Kleine kritische Ergänzung: Cover und deutscher Titel sind einfach nur unterirdisch. Was bewegt einen Verlag, ein Buch, das mit Originaltitel immerhin noch einigermaßen sachlich/streitbar als »The Show That Never Ends: The Rise and Fall of Prog Rock« (nb: wieso Fall?? – er lebt mehr denn je) statt einer Übersetzung mit einer Floskel wie ›tausend Takte‹ aus dem Vokabular sanfter Unterhaltungsmusik zu betiteln??? Die Abbildung auf dem Einband ist allerdings direkt dem Original gleich – und auch da muss gefragt werden: wer kommt auf so etwas, wer setzt es um??
Hi Jan, danke für die kritische Ergänzung. Ja, auch die Behandlung bzw. “Übersetzung” des Titels ist kein Ruhmesblatt bei dieser ziemlich hinger***ten Lizenzausgabe.