Liserstille Nacht, Eilige Nacht
Wieder so ein Abend und eine Nacht, wo – außer dem Publikumszuspruch – einfach alles passte: Liserstille hatten seit der Entdeckung mit “The Collibro” und “Nous” hoch oben auf einer sinngemäß mit “unbedingt mal live sehen” überschriebenen Liste gestanden – nun waren sie endlich da, und das noch mit einem bockstarken aktuellen Album im Gepäck. Bzw. doch nicht, bzw. doch…
Was denn nun? Naja, die Veröffentlichung von “Empirical Ghost” hatte unter keinem ganz so guten Stern gestanden: Das Band-Budget reichte nur für die Beauftragung der LP-Fertigung (weißes Doppel-Vinyl….), doch das Presswerk bekam leider den Auftrag nicht rechtzeitig für die Tour fertig… Wenn nicht zwei deutsche Fans mit einem zinslosen Privatkredit beigesprungen wären und so die CD-Produktion ermöglicht hätten, hätte die Band ohne aktuelle Veröffentlichung am Merch-Tisch auf Tour gehen müssen. Doch das konnte nun ebenso verhindert werden, wie – übrigens gleichfalls durch Fan-Initiativen – zwei hässlich klaffende Lücken im Tourplan noch gestopft werden konnten, u.a. durch diesen Köln-Termin.
Wir durften die Band vor (kurz) und nach dem Gig (laaang) als fröhliche Truppe kennen lernen, aber auch als leidenschaftliche Musiker, denen es unglaublich viel bedeutet, auf Tour zu sein, ihre Musik zu spielen und ihren Fans zu begegnen. Selbst wenn es wie in Siegen (35?), Köln (ca. 20) oder Hagen (10) nur eine erschütternd geringe Anzahl war. Wie kann so etwas eigentlich sein? Die Band hat über 3.400 Facebook-Likes, ein Monster-Album draußen und versichert sich der Dienste einer professionellen (belgischen) Booking- und (deutschen) Promotion-Agentur. Wir konnten sogar Tickets verlosen – und trotzdem kommen nur zwei Handvoll Menschen zum Gig des Jahres? Während Muse, denen Liserstille nicht unähnlich sind, Riesenhallen ausverkaufen? Wir werden es nicht ergründen…
Zwischen den Schwatzrunden lag ein arschtighter Auftritt. Zwar nur eine gute Stunde lang, aber die hatte sich gewaschen. Warum nur eine eilige Stunde – etwa aus Frustration, obwohl das überhaupt nicht so aussah? Gitarrist Tue Schmidt Rasmussen erläutert: “The set was adjusted like this for various reasons. Mainly because we aim to hit new people and people who do not necessarily know us before and would rather give a hard fist in the face and make them hungry for more. And then we are only allowed to play around an hour for the major parts of the other shows on this tour, so we focused on that.”
Die harte Faust im Zuschauer-Gesicht wurde unter anderem durch Tues ausdrucksvolle Art spürbar, Gitarre zu spielen – eine Liserstille-Kennerin meinte hinterher sehr treffend dazu “als wäre es Luftgitarre” – und ein wenig Pete Townshend-Einfluss spielt in die Technik wohl auch hinein. Sänger/Keyboarder Martin Byrialsen ist eine faszinierend intensiv wirkende Bühnenpersönlichkeit (und ein Hingucker ohnegleichen), der bisweilen sogar an David Bowie oder den jungen Peter Gabriel erinnert. Gleichzeitig holt er erstaunlich vielseitige Sounds aus seinem relativ kleinen Keyboard. Asbjørn Helboes sieht aus, wie man sich einen skandinavischen Bassisten vorstellt. Überdies bereichert er mit seinen “Klarinetten”-Einlagen an einem EWI (electronic wind instrument) von Akai den Ensembleklang und die Bühnenshow erheblich. Schlagzeuger (und Artwork-Artist) Jon Gotlev hält den ganzen Laden souverän zusammen. Auch wenn Liserstille letztlich unvergleichlich sind, tauchten im Laufe des Konzertes Erinnerungen an besagte Muse (in wütend), Ill und frühe The Mars Volta meets british New Wave auf.
Die Setlist der Eiligen Nacht:
Shards of the Ending
Gold Future
Capsules
Lyncher’s Aim
Zenith
Precognition
Harlequin’s Tale
Wall Mark
Wir waren wie gesagt nur schandwenige, aber leidenschaftliche Konzertteilnehmer – man denke etwa an den belgischen Superfan Maxime, welcher der Band im Rahmen seiner Möglichkeiten nachreist. Und wir waren völlig geflashed: obwohl sie die Band noch nie gehört hatten, entschlossen sich beispielsweise zwei der Besucher aufgrund ihrer Begeisterung über das Gebotene kurzfristig zu einem spontanen Konzertbericht (siehe letzter Link unten). Hoffentlich spricht sich auch hierdurch die Güte dieser Formation herum und es erscheinen zur nächsten Tour ein paar Gäste mehr – die würden es nicht bereuen…
Fotos: Tobias Berk
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4 Kommentare
Schön geschrieben… Was für ein Setlist! Hammer! Da wäre ich gerne dabei gewesen. Ist leider etwas weit aus dem eher Süden Deutschlands. Aber zum Zuschauer-Zuspruch: Die Jungs kennt halt auch kaum einer, Muse kennt die ganze Welt. Siehe auch: keine Rezensionen auf plattentests.de und laut.de…
In Kiel sah es publikumsmäßig leider ähnlich aus. Aber was für eine Band! Sensationell!
Für mich auf jeden Fall auch die Gruppe, an der sich Muse messen müssen. 😉
http://derohlsen.blogspot.de/2015/05/lis-er-stille-live-in-der-kieler.html
Danke Dir Thomas – ja, hätte Dir BESTIMMT gefallen. Auch der Teil im Gästehäuschen vom Underground 🙂
Thx Stephan, traurig, aber interessant, dass in Kiel fast bedrückend wenig los war.
Hab Deinen Link mal BP.de @ Fatzkenbuch hinzugefügt…