Mystische Räucherbeschwörungen und grenzwertige Pulsfrequenzen
Für die Rock Revelation Tour hatten die Verantwortlichen mit einem amtlichen Schweden-Rock-Triple und einer mystischen US-Band ein stattliches Vierer-Paket geschnürt, das auch das Backstage-Werk in München mehr als gut füllen sollte. Woran die fesche Frontlady der Blues Pills Elin Larsson zu einem nicht unwesentlichen Anteil hatte, lässt sie doch stets Hunderte Männerherzen höher schlagen und ihre Pulsfrequenz mächtig ansteigen. Für den Anstieg der Schweißfrequenz verantwortlich zeichnen die Truckfighters, während Jex Thoth den Mythos dunkler Welten zelebriert.
Den Abend eröffnen die Schweden Three Seasons mit einem Mix aus Blues, Psychedelic und Folk und verbreiten mit ausladender Gitarrenarbeit und reichlich Einsatz einer Hammondorgel wohliges 70er-Jahre-Feeling. Viel Zeit zum Verschnaufen blieb allerdings nicht, die Bühne war in Windeseile umgebaut für den Einsatz der dunklen Mächte von Jex Thoth. Die charismatische Lady aus San Francisco zelebrierte mit ihren Gefährten einen Mix aus Doom-Metal und Psychedelic Rock, wobei sich der Metalfaktor nicht übermäßig aufdrängte. Jex liebt das Spiel mit dem Feuer, im wahrsten Sinne des Wortes. Kerzenleuchter an ausgewählten Plätzen auf der Bühne, die nicht nur zur Erleuchtung der plakativen Dunkelheit dienen, sondern auch zum Anzünden äußerst wohlriechender Räucher-Holzstäbchen. Eine mystische Aura aus Rauch, grazilen Verrenkungen und Beschwörungen und entrückter Musik umgibt die charismatische Frontfrau und entwickelt einen magischen Sog, dem sich die Fans genüsslich hingeben. Für zwei Fans der ersten Reihe wird der Abend sicherlich unvergessen bleiben, dürfen sie doch an den magischen Feuer-und Räucherspielchen aktiv teilhaben.
Die Truckfighters sprechen als Co-Headliner mit ihrem Powerrock eindeutig die Jüngeren im Publikum an. Gitarrist Niklas Källgren und Basser Oskar Cedermalm sind ja irgendwie sowas wie die Zappelphilippe und Hans-Dampf-in-allen-Gassen des gepflegten Power-Alternative-Stoner-Metal – oder so. Wildes Posen, gewagte (Luft)Sprünge und hyperaktiveas Saitengeschrubbe sind die Markenzeichen der Schwedenrocker. Dass sie durchaus auch mal die Luft ein wenig rausnehmen können, und sogar richtig “schön ordentlich spielen” beweisen sie unter anderem mit dem knapp zehnminütigen Midtempo-Stoner ‘Get Lifted’, und dem nur unwesentlich kürzeren ‘Chairman’ vom aktuellen Album “Universe“. Dennoch dürfen altgediente Hymnen wie der ‘Desert Cruiser’ als Closer nicht fehlen und werden von den Fans frenetisch abgefeiert. Nicht gänzlich unerwähnt bleiben soll übrigens auch die herausragende Leistung von Schießbudendompteur Axel Larsson.
Und dann endlich die von vielen seit Stunden heiß herbeigesehnte Elin Larsson mit ihren Blues Pills, die ebenfalls den Geist der Siebziger-Jahre in ihre wunderbar lebendige Gegenwartsmusik transportieren. Leider schien die Arme vor allem stimmlich nicht in allerbestem Zustand zu sein (Wie sich später herausstellen sollte, wurde die darauffolgende Show in Genf auch deswegen gecancelt). Trotz ihres Stimmband-Handicaps schlägt sich die hübsche blonde Schwedin sehr tapfer und schafft es trotzdem ihren berühmten Zauber zu entfachen, auch wenn sie vielleicht heute nicht ganz so sehr nach Janis Joplin klingt. Gitarrist Dorian Sorriaux spielt an diesem Abend wie ein junger Gott auf und begeistert mit seinen ausladenden Jam-Passagen bei ‘Ain’t No Change’ oder dem Tony Joe White-Cover ‘Elements And Things’. Der Ex-Radio Moscow-Tieftöner Zack Andersonund Ex-Truckfighters-Drummer André Kvarnström halten sich posertechnisch dezent im Hintergrund, spielen aber gewohnt souverän. Leider endet das Set bereits nach etwa 45 Minuten mit dem Alltime-Hit des Quartetts ‘Devil Man’. Zugabe gibt es keine mehr. Insgesamt trotzdem eine solide und für viele Fans mitreißende Show.
Dennoch sollten die “Pilze” aufpassen, dass sie sich nicht selbst verheizen, bevor sie ihren Zenit erreichen. Ich habe sie in Salzburg im April 2013 als “Geheimtip” noch vor etwa 50 Leuten spielen sehen, mit richtig Feuer im Bauch, einer Leidenschaft und Hingabe, die jeden in ihren Bann zog, und diesem aufregenden Aha-Effekt des neuen und unverbrauchten. Offensichtlich sind seitdem keine neuen Songs mehr dazu gekommen, wie auch, bei den straffen Tourplänen. Mögen sie sich ihre leuchtende Magie noch lange bewahren und die Zeit für viele weitere strahlende Songs finden.
Surftipps:
Blues Pills
Truckfighters
Three Seasons
Live-Fotos: Maria Ortner