(44:44; CD, Digital, Vinyl; Ripple Music, 07.02.2025)
“Before The Dawn Of Time” in der Doppelbetreuung
Teil 1: Rajko Baers
Schau an, die Schweden haben schon einiges an Releases, sind aber auf hiesiger Seite noch nie in Erscheinung getreten. Das darf sich jetzt ändern, und man kommt mit dem furiosen siebten Album “Before The Dawn Of Time” ja sowas von im richtigen Moment um die Ecke. Einige der Vorgänger stehen hier im Vinyl-Schrank und haben so manchen Hit/Übermoment in Sachen Classic Rock/Prog im Paket, waren aber nie von durchgehend durchschlagender Qualität. Für die neue Rille scheinen sich die Schweden ja nochmal richtig ins Zeug gelegt zu haben. Die Detailverliebtheit in den Harmonien und gerade in den durchgehend eingängigen Melodien haben neuerdings richtig bösen Hit-Charakter. Man hat sich gut mit dem Kosmos gestellt, und die richtigen Energien flossen ungebremst durch den Äther – so erscheint es auf jeden Fall! So gut wie jeder Song ist hier ein Statement in Sachen Seventies Pop/Rock. Ganz nah am goldenen Zeitalter des Classic Rock der frühen bis Mittsiebziger beweisen Gin Lady Songwriter-Qualitäten und das diesmal über die komplette Album-Länge, das es einfach nur Freude macht. Schon beim ersten Hördurchgang ließ sich das dauerhafte Mitwippen nicht aufhalten. Tolle Melodien, hymnische Refrains – Vintage-Hörer/Herz, was willst du mehr?
Waren die Holländer von Dewolff zuletzt mit ihrem Soul- und bluesgetränkten Retro-Hit-Album “Muscle Shoals” ein kaum zu bremsender Rausch in Sachen Vintage, so gelingt es den Schweden von Gin Lady anders, aber auch so wundervoll oldschool, einen bunten Reigen schöner Melodiebögen über den Hörer zu gießen. Journey, Boston, Barclay James Harvest, Fleetwood Mac und Camel geben sich die Klinke in die Hand, der ganze feine Melodic Rock der Seventies scheint sonnentrunken durch jeden Akkord, jeden Refrain. Hymnisch, mehrstimmige Vocals dürfen auf butterweich produzierten Grooves einiges an euphorisch lebensbejahenden Hooks durch den Äther jagen. Das macht Laune, vertreibt für Momente das Grau-in-Grau draußen, eher ist man mit offenem Verdeck am Rande des Pazifik unterwegs und schaut dabei in den sternenverhangenen Nachthimmel.
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Das Album fließt, rockt hier und da mit punktgenauen mehrstimmigen Harmonien, hat viele hymnische Höhepunkte, und es geht ihm maximal am Ende mit sehr guten, aber nicht mehr so hochwertigen Hit-Ideen etwas die Luft aus. Dies ist aber Kritik auf allerhöchstem Niveau, denn die Produktion ist absolut on Top (mit guten Kopfhörern für Audiophile empfehlenswert), fast jedes Arrangement sitzt hundertprozentig im Sattel, und die Melodien haben fast alle Suchtcharakter. “All Is In Motion – We’re Gonna Make It Right” aus ‘The Paramount’ könnte die generelle Devise des Albums sein – eine dicke Empfehlung für Freunde des Classic Rock, Folk und Retro-Psych-Pop mit Suchterkrankung in Sachen großer Hit-Melodien der Siebziger ist es allemal. Also bitte zugreifen.
Bewertung: 13/15 Punkten
Teil 2: Carsten Agthe
Und wieder einmal die Schweden. Seit 2011 wankt die Gin Lady hier schon durch das Vintage-Rock-Multiversum und hat mittlerweile ganze sechs Alben auf dem Gewissen. Mit Twin Guitar und Satzgesang erweckt man einerseits die heroischen Momente des California Dreamin’, andererseits aber auch die hardrockende Progressivität von Acts wie Wishbone Ash oder Hällas. Nun, 2025, also der siebte Longplayer, was einen ganz guten Schnitt abgibt. Hier zeigt sich die Lady wieder von ihrer besten Seite und hat dennoch die eine oder andere Überraschung zu bieten. So startet “Before The Dawn Of Time” mit dem überaus progressiven ‘The Paramount’, das wirkt wie eine Jamsession von Jethro Tull und Gentle Giant. Dass die Flöte hier von einem Mellotron imitiert wird, tut nichts zur Sache, da hier eben nicht abgekupfert wird. Das mächtig groovende ‘Mighty River’ kommt mit einer mitreißenden Hookline und jeder Menge Positive Vibrations. ‘Tingens Sanna Natur’ zählt auf harmonisches Americana-Flair, ‘The Long Now’ auf folkloristisches Balladentum mit leichtem Prog-Touch. Beeindruckend ist die Leichtigkeit, mit welcher der schwedische Vierer hier unterwegs ist, derweil man hin und wieder in das eine oder andere Déjà-vu hineinstolpert. ‘Way To Cross The Sky’ zum Beispiel huldigt erst einmal jenem Pferd ohne Namen, ehe es zum epischen Finale geht, ‘Bliss In The Line’ lässt von weitem “Jessica” grüßen. ‘Turn Back’ geht es dezent psychedelisch spacerockend an, ‘Mulberry Bend’ gibt sich als Boogie mit Status-Quo-Attitüde. Und während das kurzweilige ‘The Universe Vibrant Ring’ seine Mellotron-geschwängerte Intention schon im Namen mit sich führt und ‘The Brain’ als schmissiger Classicrocker punktet, führen Gin Lady mit ‘You’re A Big Star’ die Diskussion über den definitiven The-Band-Nachfolger in die nächste Runde.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Line-Up:
Anthon Johansson – Bass, Vocals, Keyboards
Fredrik Normark – Drums, Percussion
Johnny Stenberg – Lead Guitar, Vocals
Magnus Kärnebro – Lead Vocals, Guitar
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Die Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Ripple Music zur Verfügung gestellt.