(39:23; Vinyl, CD Digital; So Recordings, 04.10.2024)
Der Wettlauf ins All (“The Race For Space”), der Aufstieg und Niedergang der Kohleindustrie in Wales (“Every Valley”), ein Porträt der Stadt Berlin (“Bright Magic”) oder auch das hundertjährige Bestehen der BBC (“This New Noise”). Public Service Broadcasting (im folgenden als PBS abgekürzt) sind bekannt für ihre Konzeptalben, auf denen sich die Band historischen Themen und Ereignissen widmet. Nicht anders ist dies bei “The Last Flight”, bei dem sich alles um die Geschichte der Flugpionierin Amelia Earhart dreht, die als erste Frau im Alleinflug den Atlantischen Ozean überquert hat und später, beim Versuch, den Globus entlang des Äquators zu umrunden, in der Nähe der Howlandinsel über dem Pazifik unauffindbar verschwand.
Charakteristisch für die Alben von PBS war schon immer die recht eigenständige Mixtur aus Versatzstücken so unterschiedlicher Stile wie Progressive Rock, Electronica, Post Rock, Pop und Klassik. Gesang spielte dabei auf den zurückliegenden Veröffentlichungen eine untergeordnete Rolle. Stattdessen griffen Bandkopf J. Willgoose, Esq., Wrigglesworth, JF Abraham und Mr B. regelmäßig auf historische Audioaufnahmen zurück: Samples, Radioübertragungen, Tonspuren aus Film und Fernsehen sowie Mitschnitte aus Interviews und Ähnlichem. Eine Herangehensweise, die recht ungewöhnlich und einzigartig im Musikzirkus ist und den Konzeptalben der Engländer immer eine besondere Authentizität verlieh. So fiel es in der Vergangenheit nicht sonderlich schwer, bei einem Lied die Urheberschaft von PBS zu erkennen, auch wenn das Ensemble wieder einmal neue musikalische Wege eingeschlagen hatte, wie im letzten Jahr bei ihrer Kooperation mit Jules Buckley und dem BBC Symphony Orchestra für “This New Noise”.
Mangels existierender Originalaufnahmen bezüglich Amelia Earhart mussten J. Willgoose, Esq. und Konsorten, um ihrem Konzept treu bleiben zu können, allerdings in die Trickkiste greifen. So entschied man sich für “The Last Flight” dafür, auf Basis von Berichten, Interviews, Tagebüchern, Briefen und Gedichten, eigene Audioaufnahmen zu produzieren und diesen durch Verfremdung ein historisch anmutendes Antlitz zu verleihen. Ein Kunstgriff, dem es sicherlich an historischer Authenzität fehlt, der “The Last Flight” aber eben doch zu einem typischen PBS-Album macht.
Überraschend bei “The Last Flight” ist, dass das Album, trotz der doch sehr tragischen Geschichte Amelia Earharts, eine sehr positive, lebensbejahende Aura besitzt. Dies ist schon bei den ersten Stücken der Platte zu spüren, ob beim verträumten, durch Drones und Streicher geprägten Opener ‘I Was Always Dreaming’, oder bei ‘Towards The Dawn’, das mit Flugzeuggeräuschen, treibendem Schlagzeug und Post-Rock-Gitarren wahre Aufbruchstimmung vermittelt. Es ist ein Pionier- und Abenteurergeist, der über diesem Album schwebt. Ganz besonders deutlich wird dies bei ‘The Fun Of It’, einer von Andreya Casablanca eingesungenen Pop-Ballade, bei der die fast schon kindliche Begeisterung deutlich wird, der es wohl bedarf, wenn man sich auf waghalsige Abenteuer einlassen möchte:
I want to feel it
To know the limit
In every moment, in every minute
…
I want to feel alive
(Every minute, every moment)
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Eine Sehnsucht nach Freiheit, die wunderbar, gemeinsam mit Sängerin This Is The Kit alias Kate Stables, in der orchestral arrangierten Americana-Nummer ‘The South Atlantic’ vermittelt wird.
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Noch euphorischer ist da nur ‘Electra’, das mit seinem funkigen Beat und seinen Electronica einen Bogen zu “The Race For Space” und seiner Single ‘Gagarin’ schlägt.
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Mit dem perkussiven ‘Arabic Flight’ vermittlen PBS noch einmal, wie schön das Fliegen sein kann, bevor die Stimmung der Platte dann zunehmend bedrückender und finsterer wird. Ein Sturm zieht auf, der sich in Form von treibendem Bass und flirrenden Gitarren als ‘Monsoon’ entlädt. Es folgt tiefe Melancholie mit dem introspektiven ‘A Different Kind Of Love”. So bleibt am Schluss der Platte ein bittersüßes Glücksgefühl, auch wenn PBS mit dem trauervollen ‘Howland’ das tragische Ende der Fliegerin nachzeichnen. Amelia Earhart hat schließlich ihren Traum gelebt.
Bewertung: 12/15 Punkten
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J. Willgoose, Esq.
Wrigglesworth
JF Abraham
Mr B.
Gastmusiker:
London Contemporary Orchestra – Strings
Carl Broemel – pedal steel
Andreya Casablanca – vocals
EERA – vocals
Kate Stables – vocals
Kate Graham – vocals
Surftipps zu Public Service Broadcasting:
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Reviews:
“This New Noise” (2023)
“Bright Magic” (2021)
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von So Recordings zur Verfügung gestellt.