“Ist das Blue Moon der kleine Bruder vom Desertfest?”
Dieses Event ist für mich noch sehr jungfräulich. Im letzten Jahr feierte ich meinen Einstand und dieser war einfach nur ein Volltreffer! Ein wenig Desertfest in klein, aber fein – so fühlt sich das sehr liebevoll arrangierte Line-up ebenfalls 2024 an.
Die Open-Air-Location, das Strombad (seit 2023 Austragungsort des Festivals), kannte ich bis dato überhaupt nicht. Wieso auch, wann komm ich mal nach Cottbus, außer, um einen guten Freund, alle Nase lang mal zu besuchen. Ein so feines Festival lässt mich auch mal pro Tour zwei Stunden Auto fahren, und die Studentenstadt Cottbus ist im Kern auch tatsächlich sehenswert. Egal, der Einstand in 2023 – mit echten Highlights wie Greenleaf, den Truckfighters, den grandiosen Earthless, Spaceslug, Weedpecker und vielen guten weiteren Bands zwischen Stoner, Heavy und Psych Rock – war mehr als werbetauglich und Genre-Fans kamen wie immer durchgehend auf ihre Kosten. Dass die Location direkt zum Baden in der Spree genutzt werden konnte und ein Mini-Kino, Yoga, Bogenschießen, ein Zeltplatz für die Übernachter sowie viele kleine feine Verkaufsstände das Ganze rund machten, sei nur am Rande angemerkt.
In diesem Jahr war der ursprüngliche Plan erneut auf zwei Tage ausgelegt, aber es sprengte mit der angeheuerten Bandanzahl den Rahmen. Und so wurde Wochen später noch ein dritter Tag hinzugefügt, mit Wolfmother und The Great Machine plus zwei weiteren Bands als Sahnehäubchen. An diesem dritten Tag musste ich allerdings aus familiären Gründen passen. Die zwei Tage vorher aber waren ohnehin schon übervoll, unterhaltsam und einfach ein wundervoller Chill Out.
Nun zu den Bands…
Freitag:
Turbo Moses
Da es diesmal, im Vergleich zum Vorjahr, beim Einlass Verzögerungen gab, kam ich nur einen kurzen Ausschnitt der sächsischen Jungspundis von Turbo Moses mit, die hochmotiviert ihren Stoner-/Sludge-Verschnitt mit viel Energie und Elan in die natürlich noch dünn gesäte Menge schleuderten – die Band hatte erst vor kurzem ihr neues Album “Desert Frost” veröffentlicht – und gemeinsam mit den Anwesenden ihren Spaß hatten. Ein Auftakt war somit gemacht.
Sautrus
Sautrus aus Polen sind strange und der psychedelisch schräge Sound ließ live zum Glück viel Geradlinigkeit zu (Wie war das im Mittelteil? Die Schlussred.). Der Sänger sah aus wie ein entfernter Abkömmling von King Diamond (schmunzel), die Spielfreude und Begeisterung der Band war enorm, trotz kurzer Spielzeit von knapp 30 Minuten. Der Sänger ließ mehr als einmal dankbar verlauten wie glücklich er über die Einladung war. Extrem sympathischer Auftritt.
Solar Trip
Weiter ging es mit einer erneut polnischen Band, Solar Trip, die mit einfach nur harmonischem instrumentalen Psych-/Space-/Stoner-Sound atmosphärisch aufgingen und mit ihrer Spielzeit leider viel zu schnell wieder verschwanden. Man hatte das Gefühl, dass die Band, jetzt – wo die Sonne langsam verschwand – nach und nach in den Flow hineinfand. Das hätte es für die Zuschauer und den Schreiberling gern noch ‘n Weilchen weitergehen dürfen. Anyway…
Hippie Death Cult
Hippie Death Cult aus Portland, Oregon, um Sängerin/Bassistin Laura Philips, sind ebenfalls ein Doom-Heavy-/Stoner-Kraftpaket, das beim Publikum von Song zu Song mehr Punkte sammelte. Der Sound war messerscharf. Zwischen massivem Doom und immer wieder feinen psychedelischen Momenten wurde die Dynamik-Kurve gut ausgereizt. Für mich persönlich ging der Sound der Amis nicht durchgehend ab, saß die Stimme doch nicht immer im festen Sattel. Sympathisch war der Auftritt des brachialen Trios allemal.
Ahab
Die deutschen Ahab sind ja mittlerweile fest etablierte Veteranen/Urgesteine innerhalb der Doom-Metal-Szene, werden seit Jahren für ihre stoischen Funeral-Doom-Slow-Mo-Referenzwerke gefeiert und hatten mit überlangen Walzern wie ‘The Hunt’ auch für jeden Extrem-Doomster was im Gepäck. Der Sound war kraftvoll, die Band hatte Bock (viele Songs waren es ja ob der Überlänge nicht) und sicherlich hätte der Musik etwas Dunkelheit oder Regen ein passenderes Ambiente geliefert. So ist das halt, wenn düstere Bands zu früh dran sind.
Rotor
Rotor aus Berlin sind in Sachen instrumentalem Stoner Rock eine längst etablierte Institution und feierten gerade ihr 25-jähriges Jubiläum – Glückwunsch dazu. Neben Bands wie My Sleeping Karma oder Colourhaze sind die deutschen Stoner qualitativ seit Jahren eine Bank, ohne viel Aufhebens kann man Freunden des instrumentalen rockigen Stoner-Sounds und oben benannter Bands all ihre Alben empfehlen. Rotor hatten als später Act natürlich den Vorteil der bereits fortgeschrittener Stunde mit einer oft in dunklen atmosphärischen Blautönen getauchten Bühne. Ihr Set war gut durchmischt, abwechslungsreich und Rotor waren über eine knappe Stunde einfach ein kompaktes Dreigestirn. Punkt!!
Weedeater
Als Freitags-Headliner hatte man in diesem Jahr mit Weedeater einen US-amerikanischen Veteranen in Sachen Stoner/Doom/Sludge/Hardcore. Dieses Dreiergespann ist ein dreckiger wühlender Bastard, teilweise sperrig und nicht für Jedermanns Ohr. Nach bereits knapp sieben Stunden Musik musste man wohl Fan sein und die Meinungen so mancher Zuschauer gingen hier auch weit auseinander. Die Band selbst nutzte die Führungs-Position trotzdem und kitzelte so manch einem den letzten Funken Energie aus dem Leibe. Beim Schreiberling war die aber fürs Erste durch und zwei Stunden Heimfahrt wollten auch noch entspannt zurückgelegt werden.
Samstag:
Have Blue
Für den zweiten Tag war die Wetterprognose erstmal mau und Dauerregen für den frühen bis späten Abend prognostiziert. Alkohol, gute Laune, sommerliche Temperaturen, ein wasserdichtes Zelt und natürlich geile Mucke machen doch nicht vor schlechten Wetter halt. Have Blue, ein Berlin-nahes Projekt, das zuletzt über Nasoni Records mit starkem Release zwischen Grunge, Garage und Psych/Stoner Rock punktete, vollzog bereits ab 15 Uhr den Start. So pünktlich war ich leider nicht, eine Empfehlung vor allem für die Platte “Learning To Die” will ich hier trotzdem hinterlassen.
Dead Myrick
Die Dresdner Dead Myrick waren hoch motiviert, sind eher klassischer High-Energy-Stoner-Rock ohne viel Psychedelic, dafür mit kraftvollen Doom-Spitzen und machten einfach Laune. Gern mal etwas sonnige Kommunikation Richtung Publikum, man merkte, die Jungs hätten gerne noch etwas länger gezockt.
Godsleep
Mit den Griechen Godsleep und ihrer Power-Frontfrau Amie Makris hatte man ein erstes Tages-Highlight. Die Youngster sind voller wilder Einflüsse, kochen die Energie des New Metal, Stoner, Indie, Alternative und Grunge zu einem wüsten Schlagabtausch hoch und haben mit der Sängerin ein extrovertiertes, niemals ruhendes hyperaktives Knäuel in der ersten Reihe. Songs wie ‘Bridges’ oder ‘Permanent Vacation’ boten Groove ohne Ende, Adrenalin und Bewegung. Die Band reaktivierte einen großen Teil der müden Knochen und das Publikum zahlte es anerkennend zurück. Man musste mit den musikalischen Einflüssen nicht auf kompletter Wellenlänge liegen, die offene und sympathische Aura der Band, insbesondere der Sängerin, holte einen einfach ab!
Aptera
Danach wurde um die Gunst des Publikums gekämpft. Das Berliner Frauengespann Aptera konnte zumindest den Schreiberling nicht für sich gewinnen. Zu viel Unausgegorenes zwischen altem Heavy Metal, Doom und düsterem Rock. Manchmal ist es einfach der Gesang – und in diesem Fall kam ich nicht rein, wenn auch die Mädels insgesamt einen soliden bis leidenschaftlichen Auftritt hinlegten, der so manche zum Headbangen verleitete.
El Perro
Parker Griggs, Sänger und Gitarrist von Radio Moscow kam mit seinem neuen Projekt El Perro zum Blue Moon. Auch wenn ich erst kurz vor dem Festival begriffen hatte, wer hinter El Perro steckt, war die Freude dann nochmal umso größer. Radio Moscow ist schon so eine kleine Lieblingsband in Sachen Jam bzw. Vintage Rock. Was konnten El Perro? Erstmal fing es pünktlich zur sommerlich-frischen Mucke der Amis an zu regnen, die Leute flüchteten unter die anwesenden Bäume, zappelten aber alsbald ob der quirligen Sounds, zur Not auch mit Schirm vor der Bühne. Rein musikalisch, mit Argentiniern und Franzosen in der Band, war der Sound der Frischeste und Lässigste des Tages – absolutes Festival-Highlight, ohne wenn und aber. Griggs ist einfach aus der Zeit gefallen, geile Soli, Santana und Hendrix schwangen im Bandsound allgegenwärtig mit. Es machte einfach Spaß diesen virtuosen Musikern zuzuschauen – Perkussionsinstrumente inklusive. Das hatte Feuer, war quicklebendig. Das entsprechende Vinyl war schon vorher im Beutel.
The Devil And The Almighty Blues
Zum Dauerregen viel passender folgten dem sommerlichen Jam von El Perro erstmal The Devil And The Almighty Blues mit nordisch dunklem, bluesigem Stoner/Doom/Heavy Rock. In schwarzer Optik und visuell generell sehr gut in Szene gesetzt zelebrierte die Band um Sänger Barde Arnt ein wahrlich dichtes, angenehm melancholisches und schweres Brett. Die Musik war unaufgeregt, hatte aber in jeder Note viel dunkle Leidenschaft inne und ging einfach in die Tiefe. Die Songs hatten Überlänge, wurden von gut aufeinander abgestimmten Gitarren mit viel bluesiger Schwere getragen und mit emotionaler Stimme geführt. Das war ebenfalls definitiv von Güteklasse A. Besonders der Gitarrensound war voller feiner Details und Dynamik. Definitiv was für Liebhaber.
Brant Bjork
Als doch quasi zweiter gleichwertiger Headliner durfte man ohne weiteres die geschätzten Brant Bjork zählen, war das Trio um den ex-Kyuss Musiker doch ein Publikums-Magnet und mit vielen gutklassigen Genre-Releases einer der Alltime Faves vieler Besucher. Mit breitem Song-Querschnitt durch Alt und Neu nutzte man das abendliche, stimmungsvolle Licht. Die Band war gut aufgelegt, die Atmosphäre passte und man spielte sich zu dritt in die Herzen der Zuschauer.
Schöner entspannter Auftritt, den Band und Publikum sichtlich genossen haben.
Orange Goblin
Mit den Briten von Orange Goblin hatte man sich für die Samstag-Nacht-Headliner-Show natürlich erneut nicht lumpen lassen. Der dreckige, Metal-infizierte Stoner rockte mächtig gewaltig. Mein Sound war es nicht so wirklich, da fehlte etwas die feingliedrige psychedelische Schlagseite. Muss nicht immer passen, war trotzdem unterhaltsam.
Jam Stage
Fazit:
Ein für mich auch in 2024 mega entspanntes Happening , mit erneut starker Band-Auswahl (regional, gern auch osteuropäisch – top!), mit wirklich gutem Bühnensound, gut aufgelegtem Publikum, zum Glück nicht zu voll (einige Hundert Anwesende) und in Sachen Organisation, Preise und Standort ohne jegliche Kritikpunkte. Man fühlte sich wohl, willkommen und als Genre-Fan gut bedient. Sound of Liberation bediente mit üppigen Vinyl-Stand. Eine kleine Jam Stage wurde in der Pause für junge Musiker/Projekte zum unterhaltsamen kleinen Quickie für zwischendurch. Bands wie V’Ger Galaxis, Cannabineros, Turbo Moses und Cinerea nutzten diese Blaupause und jammten im kleinen Paralleluniversum für die neugierige Meute. Der dritte (und sonnigste) Tag fehlte natürlich, aber Wolfmother sind bei mir, trotz dicker Vinyl-Sammlung, in Sachen Retro/Stoner/Psych nie eingeschlagen, sodass durch die Abstinenz am Sonntag kein zu großer Verdruss eintrat. Es soll auf alle Fälle nochmal richtig prall und leidenschaftlich gewesen sein, was natürlich ein i-Tüpfelchen für die Die Hardler vor Ort war. Ich hoffe sehr auf ein Wiedersehen beim Blue Moon, nur dann mit Übernachtung, damit das ewige Hin und Her ausbleibt. In jeglicher Hinsicht ein Kompliment an die Macher für diese Fan-freundliche Abfahrt!
Surftipps Blue Moon Festival:
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Vielen Dank für die freundliche Freigabe der Fotos durch Kandziora Photo.