Burn-in
Ganz mieses persönliches Zeitmanagement? Oder ideales Vorzündeln für die folgende hoffentlich heißeste Musikwoche des Jahres? Es fühlte sich ein wenig nach beidem an. Statt vernünftigerweise fürs am kommenden Tag beginnende Roadburn Festival zu packen und vielleicht vorher nochmal durch zu schnaufen dann doch lieber gemeinsam mit Herrn Hughes und ein paar Hundert enthusiastischen Gratulanten 50 Jahre des Deep-Purple-Albums “Burn” feiern. Und den Start der Europa-Tournee zu diesem Anlass.
Das Konzert war vom riesigen Carlswerk Victoria zum Club Volta “herabgestuft” worden. Der attraktive Club mit seinen wunderschönen Leucht-Glasfenstern war daher auch ausgesprochen erfreulich, aber dennoch – wie eigentlich immer dort – noch erträglich befüllt. Schlag 20 Uhr hatte die Vorband bereits losgelegt…
King Herd
Das sträflicherweise so gar nicht vorab recherchierte Quartett aus Birmingham entpuppte sich schnell als zumindest für Hard-Rock-Zwecke einfach ideale Stimmungsmacher. Spätestens wenn man begriffen hatte, wie schweinegeil Tom Longworth (lefthanded Guitar; live um einen weiteren Gitarristen verstärkt, mit dem er sich beim Solieren abwechselt), Karl Brazil (Drums) und Ray Loverock (sic! Bass) zusammenspielen. Und wie sehr der starke Vortrag von Sänger Dave Taylor in manchen Momenten an die Ausnahmestimme von Thunders Danny Bowes’ erinnert…
Highlights des durchweg muskulös-gute Laune verbreitenden Sets: Gleich der melodische Aufmacher ‘Halo’, das mächtige ‘Another War’, die Hymne ‘Close To The End’ sowie natürlich die als Single veröffentlichte Powerballade ‘Like It Used To Be’ (Thunder-Assoziationen ohne Ende).
“The Voice of Rock”
Man kennt und liebt ihn als Sänger und Bassist von Deep Purple (1973–1976), als Solo-Artist, zeitweilig vom “Rent a rock star”-Projekt The Dead Daisies, derzeit singt und spielt er auch wieder für Black Country Communion (“V” erscheint im Juni).
Vor 51 Jahren waren Deep Purple gerade gründlich im Umbruch, Sänger Ian Gillan und Bassist Roger Glover waren soeben durch gleich zwei starke Stimmen-Gegenpole – David Coverdale und eben Glenn – ersetzt worden. In das Debüt-Album der “Mark III”-Besetzung brachte Letzterer bislang im Bandsound ungehörte und zuvor unvorstellbare Elemente von Soul und Funk ein, während Jon Lord erstmals mit Synthesizern experimentierte.
Die Setlist ähnelt der Tracklist des Albums wie ein Osterei dem anderen – wie es sich bei so einer Geburtstagsfeier ja auch gehört. Naja, fast. Erstmal zieht mit ‘Stormbringer’ vom gleichnamigen zweiten Album der Mark III-Generation – ebenfalls noch aus dem Jahr 1974 – gehörig Wind auf. In die gute, relativ frei gestaltete Version baute der Boss etwas mehr hohe Schreie ein als im Original. “Ich kann’s immer noch”, meinte man ihn dabei glücklich feixen zu sehen. Hut ab vor Keyboarder Bob Fridzema, der in Jons (R.I.P.!) Elbkähnen ausgezeichnet zurecht kommt.
‘Might Just Take Your Life’ – or your hearing. Der sonst stets so kristallklare Sound im Club war hier zeitweilig kurz vorm Clippen, wurde dann aber erfreulich schnell wieder zurückgefahren.
Das gekonnt immer wieder zwischen elektrisierend und episch schwenkende ‘Sail Away’ ist einer dieser Songs, die es ohne Glenn wohl niemals hätte geben können.
Erste Ansage, strahlend vor Glück und Stolz. Und in Anekdotenlaune: “50 years ago, that day, when Ritchie Blackmore decided it was a bad day (without telling anybody else).” Ein Töberchen, in dessen Verlauf damals offensichtlich die Bühne weitestgehend in Brand gesetzt wurde.
Kurzer Gedanke an Harald im relativ engen Fotograben direkt vor der Bühne – wie detailgetreu wollte Glenn die Umstände jener denkwürdigen Zeiten wohl heute nachstellen? Naja, eigentlich steht Hoppi ja hart auf offenes Feuer…
Doch ganz so authentisch fiel die Zeitreise dann glücklicherweise doch nicht aus.
Stattdessen wurden alle am Album beteiligten Musiker liebevoll (“No hate in my life, music is the healer”) gewürdigt, genau wie der erst viel später dazu gestoßene Tommy Bolin, diese an beiden Enden lichterloh brennende Kerze (“You were my brother”).
Beim Intro und langem Instrumental-Teil von ‘You Fool No One’ klingt Drummer Ash Sheehan wie zwei Schlagzeuger plus einem Perkussionisten. Ein solides Solo von Gitarrist Søren Anderson kippt erst in einen Slow Blues und dann in ein paar Takte ‘High Ball Shooter’, Reprise, Schlagzeugsolo, Reprise. Das Drum Solo war einfach exzellent, obwohl alles um mich herum urplötzlich wie angestochen aufs Klo rannte – hat da jemand Pavlov gesagt?
Wenn es einen Song aus dem DP-Kanon gibt, bei dem einem David Coverdale einfällt, dann ist das der Blues ‘Mistreated’ (OK, und vielleicht noch das ewig-schöne ‘Soldier of Fortune’). Glenn kann es aber höher. Und mindestens genauso gut. Ist bestimmt auch Sørens Lieblingsstück von der Platte.
‘Gettin’ Tighter’ – or rather funky! Wieder so ein Ding, bei dem man sich nicht vorstellen kann (oder will), dass Ian, David oder sonstwer das bringt.
Vor dem triumphierenden Titelstück als Zugabe gab es aber noch das persönliche Album-Highlight ‘You Keep On Moving’. Wer könnte auch schon irgendetwas anderes tun bei solcher Musik?
Live-Fotos: Harald Oppitz
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