»Yes, we can. But should we?«
Die Frage stellte sich ein paarmal im Vorfeld und auch noch während des laufenden Konzertes: Bei Jimi Hendrix hebt seit Jahrzehnten keiner mehr auch nur eine vulkanische Augenbraue, wenn z. B. ein Randy Hansen Musik und sonstiges Erleben auch heute noch in Reinkultur vorführt. Kann er. Soll er. Auch zu Auftritten von Tribute-Acts für die eigentlich ja noch mehr oder weniger putzmunteren AC/DC gehen statistisch vermutlich längst mehr Menschen als auf die – durchaus gut besuchten – der Originale. Und dann wären da noch die stets häufiger diskutierten Avatar-Konzerte…
Beim erst am 10.01.2023 verstorbenen Geoffrey “Jeff” Arnold Beck gibt es für irgendetwas in der Richtung bis auf die tränenreichen “A Tribute To…” All Star-Konzerte in der Royal Albert Hall aber noch keinerlei Präzedenzfall. Und schon gar keine einfachen Antworten auf die eingängliche Frage…
Klar, natürlich hat man zwei, drei Tribute-Lobgesänge in Album-Form auf seinen Lieblingsmusiker im Regal stehen – eines davon heißt sogar “Freeway Jam” und präsentiert – siehe da – Stu Hamm auf jedem Track. Nicht aber Michael Lee Firkins an der Gitarre, obwohl der durchaus zum Roster der herausgebenden Plattenfirma Mascot Records gehört hätte.
Welche Gitarristen wären einem denn selbst beim Thema “wer kann wie Beck spielen?” eingefallen? Oz Noy – der kann erwiesenermaßen so klingen. Chris Haskett. Und Mark Wingfield – bei diesem Maestro ist Jeff immerhin eine von mehreren gelegentlich sehr gut hörbaren Inspirationen.
Nun aber endlich unser heutiges Trio. Die können fraglos individuell und gemeinsam so ziemlich alles spielen, was sie sich in den Kopf setzen. So der Gastgeber des Abends (jedenfalls wird er im Billing zuerst genannt und bestritt alle der wenigen Ansagen): “He is noted amongst guitarists for his prolific use of hybrid picking at high speeds”, weiß Wikipedia über Stimmführer Michael Lee Firkins.
Und wenn man Stu Hamm auf der Bühne mit u.a. Steve Vai und Joe Satriani erlebt hat, gibt es ohnehin keinerlei Fragezeichen bezüglich des Könnens.
Ebenso wenig wie natürlich bei Chad Wackerman, u.a. Allan Holdsworth sowie in den 80ern bei Frank Zappa an Großem beteiligt. Außerdem Tourschlagzeuger für u.a. James Taylor, Barbara Streisand, Steve Vai, Andy Summers, Men At Work, Ed Mann, Albert Lee, Colin Hay, Dweezil Zappa, Pasqua/Holdsworth/Haslip/Wackerman Group, Terry Bozzio, Carl Verheyen…
Warum also die ganze Beklemmung? Weil es echt weh tun würde, jemand an Songs wie ‘Where Were You’ herumscheiternd erleben zu müssen. Das taten diese drei Asse aber natürlich nicht. Erstens weil das Stück nicht auf der Setlist des Abends war. Und zweitens weil sie wirklich überragende Meister Ihres Fachs sind. Exzellentes Handwerk war gefragt und wurde geboten. Die zu vielen dieser Stücke gehörende Magie auch? Das muss wie immer jeder für sich entscheiden.
Völlig fraglos supersympathisch war jedenfalls das Agieren der drei Musketiere angesichts der selbst für den kleinen Yard Club (angesetzt war das Konzert mal für die Bonner Harmonie gewesen) überschaubaren Besucherzahl, glaube 37 gezählt zu haben, also 35 Zahler…
“This is about one of the greatest guitar players of all times and his music. Thanks for coming out and enjoying it with us.” So die Begrüßung des mit einer Vintage-Axt aus dem Stratocaster-Universum (aber nur mit parallelen Tonabnehmern) bewaffneten M.L.F. Dies sind übrigens aufgrund von Schicksalsschlägen weit über Corona hinaus die ersten Auftritte von Michael seit 2018 überhaupt!
Chad Wackerman hatte sich unterdes an einem vergleichsweise kleinen DW-Kit eingefunden. Stu Hamm brachte zeitgleich seinen New-Orleans-Charme, wirklich dunkle Sonnenbrillengläser und einen herrlich pumpenden Bass-Sound an den Start.
Beim eröffnenden, namensgerecht treibenden ‘Freeway Jam’ zeigt sich, dass M.L.F. den Whammy Bar seiner (dabei beneidenswert in Stimmung bleibenden) Gitarre kaum jemals aus den Fingern und der Benutzung nimmt. Während der Maestro diese Effekte im Original auch gerne schon mal nur mit Finger-Bendings und Einsatz seines Handballens am Steg erzeugte. Geklungen hat es aber authentisch. Aber auch nach .. Sport, Anstrengung und Leistung. Großem Sport also.
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Beim Fusion-Zäpfchen ‘Constipated Duck’ klingt Stus Bass via Effekte fast wie ein bundloses Instrument.
Beim heuer per Bass-Solo eingeleiteten, eigentlich ja recht zarten Reggae ‘Behind The Veil’ scheint Stu teils in deutlich tieferen Lagen als beim Original zu spielen. Bis auf einen lässlichen Verspieler grenzt das alles an Perfektion, kommt aber auch ein wenig seelenlos über die Rampe, insbesondere die etwas gewollt wirkenden Kadenzen zum Schluss.
Der brodelnde Fusion von ‘Star Cycle’ scheint diesen Ausnahmemusikern mehr zu liegen, jedenfalls besser zu gelingen. Auffallend stark das Slapping von Stu bei dieser Nummer (bei der Jan Hammer kurz lächelnd anwesend schien). Es wird schnell gespielt. Trotzdem kratzt sich Chad kurz mit der linken Hand nachdenklich im Gesicht – while the beat goes on!
Im folgenden Konzertteil wurden ‘Blue Wind’, ‘Big Block’ und ein Bass-Solo effektvoll zu einem neuen Gesamt-Arrangement verschmolzen.
Das ewig schöne Thema von Stevie Wonders (bzw. Syreeta Wrights) ‘Because We’ve Ended As Lovers’ taucht hier im Bass erstmals auf. Nach einer weiteren flotten Fusion-Packung wurde jetzt das laut Setlist ursprünglich mal als Zugabe geplante ‘Rollin’ and Tumblin” vorgezogen – und die wüst beschleunigende Bluesrock-Stampede gerät zum show piece sondergleichen für den Gitarristen.
Die folgenden Fusion-Bedienungen (inklusive virtuosem Schlagzeugsolo) wurden teils als ein wenig in die Länge gezogen empfunden. Und so zogen wir denn nach einer enorm kompetenten Interpretation von ‘Brush with the Blues’ auch unserer ÖPNV-Wege.
Live-Fotos: Harald Oppitz
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Rezension “V.A. “Where Blues Meets Rock, Vol. 5” (2003)
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Rezension Jane Getter Premonition – “Anomalia” (2021)
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Rezension Steve Vai – Passion and Warfare (1990/2016)
Rezension Doppler Inc. “Nu Instrumental” (2005)
Rezension V.A. “Subdivisions – A Tribute To Rush” (2005)
Rezension Steve Fister “Between A Rock And A Blues Place” (2004)
Rezension Neil Zaza – “Staring At The Sun” (2004)
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Rezension V.A. “Drum Nation, Volume One” (2004)
Rezension Marco Mattei “Out of Control” (2021)
Rezension “Zappa 88: The Last U.S. Show” (2021)
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