(37:20; 56:00, CD+DVD, SPV, 2016)
Die Jahre von 1978 bis 1982 waren eine spannende Zeit. Das Punk- und New-Wave-Movement stellte die Musiklandschaft auf den Kopf und es soll zu einem großen Dinosaurier-Sterben gekommen sein. Es gab jede Menge Hype, gleichzeitig aber schlugen die Geburtsstunden großartiger Bands wie XTC, The Police und Japan. Auch Fischer-Z zählte zu den vielversprechenden Formationen, die diesem Umfeld entsprangen. Das 1981 erschienene Album “Red Skies Over Paradise” brachte den Briten speziell in Deutschland den großen Durchbruch. John Watts’ bissige politsche Texte trafen den Nerv der Zeit im Schatten des Kalten Kriegs. Just zu diesem Zeitpunkt aber löste Watts die Band überraschenderweise auf, um eine Solo-Karriere zu starten.
Im Nachhinein betrachtet war das wohl der größte Fehler seines Lebens. Hört man heute sein Solo-Debüt “One More Twist”, fragt man sich, warum dieses Album nicht unter dem Namen Fischer-Z erscheinen durfte. Songs wie ‘One Voice’ oder ‘Lagonda Lifestyle’ wären unter dem Banner seiner Ex-Band sicher besser aufgehoben gewesen. Watts reaktivierte die Gruppe 1987 in neuer Besetzung, ohne allerdings je an alte Erfolge anknüpfen zu können – die Welt hatte sich inzwischen eben ein gutes Stück weitergedreht, sogar die in ‘Berlin’ besungene Mauer sollte zwei Jahre später fallen.
Um so erstaunlicher ist es, dass John Watts dieser Tage, nach erneutem Hiatus, Fischer-Z’s dritten Frühling einläutet. “This Is My Universe” wurde bereits letztes Jahr bei Konzerten verkauft und kommt erst jetzt mit erheblicher Verspätung in den Handel. Als “Entschädigung” hat man dem Silberling allerdings eine DVD beigepackt, die ein Konzert im Bremer “Studio Nord” dokumentiert und John Watts im Interview zeigt.
Das Album lässt erkennen, dass Watts über die Jahre textlich nichts von seinem Biss einbebüßt hat. Stimmlich und musikalisch hat sich jedoch im Vergleich zu den Hochzeiten seiner Karriere eine gewisse Altersmilde eingestellt. Wo es dereinst ordentlich rockte, geht es heute einigermaßen gemütlich zu. Der Sound des Albums tendiert großteils in Richtung Folk-Pop, die Wave- und Punk-Attitüde der frühen Jahre blitzt nur noch ganz vereinzelt auf. Der Einstieg ‘Winston’, ein zynischer Song über einen einstigen Straßenkämpfer, sowie die folgenden ‘Just like Justice’ und ‘Just-A-Man’ zeugen alle von hoher Songwriterkunst und bleiben sofort im Ohr. In der Folge schleicht sich zwar auch mal ein Durchhänger wie das leichtgewichtige ‘Lorelei’ ein, doch im Großen und Ganzen kann Watts mit dem Album auf klassischer LP-Länge überzeugen.
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Das eigentliche Schmankerl dieser Veröffentlichung ist jedoch die beiliegende DVD. Neun Songs werden live präsentiert, dazwischen sind immer wieder kurze Interview-Ausschnitte mit Watts zu sehen. Diese Unterbrechungen mögen nicht jedermanns Sache sein, da die Themen aber oft im Kontext zu den Songs stehen, ergeben sie Sinn. Ganz abgesehen davon ist John Watts ein sympathischer Typ, dem man einfach gerne zuhört. Das Live-Set ist zudem eine ganze Spur zupackender als das Studioalbum geraten. Neben drei akuellen Songs und ‘BigBeatPoetry’ von Watts‘ gleichnamigem 1999er-Soloalbum, gibt es mit ‘Red Skies Over Paradise’, ‘The Worker’, ‘Pretty Paracetamol’, ‘Berlin’ und ‘Marliese’ fünf Klassiker zu hören, die allesamt große Lust darauf machen, das nächste Fischer-Z Konzert in der Nähe zu besuchen. Der Auftritt unterstreicht Watts’ Intention, alle Facetten seiner Karriere in die aktuelle Inkarnation von Fischer-Z einfließen zu lassen. Mission accomplished!
Bewertung CD: 9/15, DVD: 11/15 Punkten
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