“God of Spinoza” ist bereits das zweite Album, das Daily Thompson bei Arne Gesemanns Label Noisolution veröffentlichen. Die Zusammenarbeit scheint herzlich und fruchtbar, denn im Proberaum der Band ist ein großes Banner mit Aufschrift “We Love Noisolution” zu sehen. Musikalisch und thematisch haben Band und Label schon lange auf den gleichen Hochzeiten getanzt, und mit dem Release von “Oumuamua” kam es dann auch endgültig zum Label-Deal, der den Status Quo bedingt. Mephi wertet: “Das war das Beste, was uns passieren konnte”, und ihre Bandkollegen stimmen direkt zu.
Der Übergang vom vierten zum fünften Album lief relativ nahtlos ab. Einige Konzerte fanden in der Zwischenzeit statt. Sonst gab es ein paar Streams, und viele Absagen für Konzerte, die der pandemischen Lage geschuldet sind. Und so nutzte das aus zwei Haushalten bestehende Trio die Freiheit, sich im Proberaum aufhalten zu können und an neuer Musik zu schreiben. “Wir saßen dreimal die Woche zusammen. Da irgendwann keine Gigs mehr anstanden, hatte es keinen großen Sinn, vorhandenes Material zu proben. Dann haben wir schnell entschieden, am neuen Album zu arbeiten. Bevor wir gar nichts machen oder Trübsal blasen, sind wir lieber produktiv”, erinnert sich Mephi. Danny fügt hinzu: “Und dann ging es ruck-zuck voran, dass wir einige Songs zusammen hatten. Zuerst hatten wir überlegt, eine EP draus zu machen, aber wir hatten ja sowieso Zeit und so ist ein Langspieler draus geworden”.
Dass das neue Album so schnell in die Produktion und vor allem auch in das Presswerk für Vinylauflage kommen konnte, verdanken Daily Thompson vor allem dem Label Noisolution, denn im Coronazän sind die Termine für Pressungen heiß begehrt: “Viele Firmen haben derzeit einen Aufnahmestopp für Neukund*innen, weil sie mit der Produktion der bestehenden Kundschaft kaum hinterherkommen. Und selbst da kann es zu starken Verzögerungen kommen. Auch an Rohstoffen mangelt es; wir haben für unsere Produktion auch eine kleinere Farbpalette zur Verfügung gestellt bekommen als sonst. Auf Independent -ünstler*innen, die sich selbst um eine Pressung bemühen möchten, kommt derzeit eine Wartezeit von mindestens sechs Monaten zu”, berichtet Mephi.
Spinoza, ein früher Punk Rocker also
Konzept- oder Themenalben schreiben Daily Thompson nicht. Die Kohärenz spielt sich im musikalischen Rahmen ab. Zum vierten Album “Oumuamua” erklärt Danny: “Ich fand vor allem die Geschichte von diesem interstellaren Objekt sehr interessant [hier geht es zum Wikipediaartikel]. Daraus wurde dann der Song ‘Cosmic Cigar’ und der Titel des vierten Albums”. Und genauso wenig wie “Oumuamua” ein Trinkspruch ist, so wenig hat “God of Spinoza” mit Spinat oder mit Pizza zu tun. Stattdessen sind der Philosoph Baruch de Spinoza und dessen pantheistisches Gottesbild namensgebend. “Wir können mit dem Spinozismus viel anfangen, weil er den Glaubenden viele Freiheiten gibt, solange niemand anderes im eigenen Glauben oder der eigenen Freiheit eingeschränkt wird”, erzählt Mephi zum Titel. Danny wurde vom Zitat Albert Einsteins inspiriert, der sagte: “I only believe in the God of Spinoza”. Außerdem “steht Spinoza auch für eine frühe Form der Rebellion, denn es war alles andere als ungefährlich, sich im 17. Jahrhundert dem Willen der Kirche zu widersetzen”. Baruch de Spinoza, ein früher Punk Rocker also.
Bei fünf Alben in gerade einmal sieben Jahren lässt sich eine starke Entwicklung im Sound von Daily Thompson beobachten. Schlagzeuger Matthias fasst zusammen: “Jedes Album ist für sich anders, und hat seinen eigenen Sound. Ich bin selbst seit “Oumuamua” dabei und habe die Band seit ihren Anfängen gekannt. Und ich erkenne auf jeden Fall eine starke Entwicklung, dahingehend dass jedes Album für sich etwas Eigenes hat, es aber insgesamt stetig nach oben geht, und sich der Daily Thompson-Sound konstant weiterentwickelt”. Danny fügt hinzu: “Was Sound angeht, haben wir einfach viel Lernen können. Wir haben so viele Konzerte und mit so vielen anderen Bands zusammengespielt, dass wir immer neue Erfahrungen mitnehmen konnten. Dazu gehört natürlich auch, dass unser Equipment im Laufe der Jahre deutlich aufgestockt wurde”. Mephi ergänzt: “Man lernt nie aus in der Musik. Das ist eben gerade das Schöne daran, dass wir uns am Gesang oder an den Instrumenten immer noch verbessern können”.
[An dieser Stelle brach die Übertragung des Videochats ab. Die technischen Schwierigkeiten konnten dann überbrückt werden, indem das Interview am Telefon weitergeführt wurde. Daily Thompson ließen das Gespräch über ihre Soundanlage laufen und ließen das Aufnahmegerät mitlaufen.]Ein Titel auf “God of Spinoza”, der besonders ins Auge springt, ist der letzte Song ‘I saw Jesus in a Taco Bell’. Die Idee zum Lied entstand wie eine Kurzgeschichte oder ein Kurzfilm, erklärt Danny: “In meinem Kopf hat sich der Film abgespielt, wie jemand in Kalifornien durch die Gegend läuft und dann in einem Taco Bell plötzlich Jesus Christus sieht. Dieser Jesus war äußerst enttäuscht, da er feststellen musste, dass sein Lieblingsmenü von der Karte gestrichen wurde. Dann hat er das Ersatzmenü gegessen und war dann – wie wir uns Jesus eben vorstellen – auch okay damit. Im Prinzip ist es aufgebaut wie die Episode eines Road Movies”.
Seit uns Anfang 2020 die Pandemie erwischt hat, ist u.a. auch Musik im Coronazän ein endloses Thema- Über die verschiedenen Auswirkungen wurde schon überall breit berichtet. Für Daily Thompson sah es konkret wie folgt aus: “Wir haben uns schnell dagegen entschieden, den Kopf in den Sand zu stecken und das in Angriff zu nehmen, was wir am liebsten machen: nämlich Musik”, berichtet Mephi, “Im Endeffekt hatten wir durch die neue Situation mit all ihren Nachteilen plötzlich deutlich mehr Zeit, die wir in die Produktion eines Albums stecken konnten”. Und sollte die kommende Tour aufgrund der pandemischen Situation doch ganz ins Wasser fallen, haben Daily Thompson schon eine Exit-Strategie: “Dann machen wir halt noch ein Album”, sagt Danny, und Matthias fügt hinzu: “Oder gleich ein Doppel-Album”.
Trotz technischer Probleme war es ein äußerst schönes Interview, bei dem Daily Thompson ihren derzeitigen Stand vorstellen konnten. Zum Ende hin hat die Band noch einen Appell oder eine Bitte mitgegeben: “Jetzt wo es so langsam wieder möglich wird, dass Konzerte stattfinden können, freuen wir uns besonders, wenn dann auch nicht zu viel Zurückhaltung gezeigt wird. Die Wertschätzung jeglicher Kultur sollte nicht verloren gehen, jetzt wo es wieder möglich wird”.
Diskografie (Studioalben):
“Daily Thompson” (2014)
“Boring Nation” (2016)
“Thirsty” (2018)
“Oumuamua” (2020)
“God of Spinoza” (2021)
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Rezension: “Oumuamua” (2020)
Rezension: “God of Spinoza” (2021)