Im November 2021 hat die norwegische Band Soup mit “Visions” ihr achtes reguläres Studioalbum veröffentlicht. Nach dem großartigen Feedback, das sein Vorgänger “Remedies”, erhalten hatte, waren wir glücklich, uns mit Sänger und Songwriter Erlend Aastad Viken u.a. über “Visions” unterhalten zu dürfen.
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BP: Guten Abend Erlend. Wie geht es dir? Zuerst möchte ich mich gerne vorstellen. Mein Name ist Florian. Wir haben uns schon einmal vor drei Jahren getroffen. Ihr spieltet in Dormagen, in der Nähe von Düsseldorf, in einem kleinen Venue namens Pink Panther.
Erlend: Oh ja, das war eine spaßige Nacht.
BP: Ich hatte euch bereits ein paar Tage zuvor beim Gloomaar Festival gesehen und war so weggeblasen, dass ich euch noch einmal sehen musste. Davor hatte es nur wenige Bands gegeben, die so etwas bewirkt hatten. Daher kenne ich euch. Aber heute geht es um euer neues Album: “Visions”. Ich muss sagen: damals kannte ich nur “Remedies”. Ich hatte keine Ahnung, was für einen riesigen Backkatalog ihr schon hattet. Ich hatte das Gefühl, dass es damals so einige Leute gab, die dachten, dass ihr eine Newcomer-Band seid. Ausgehend von dieser Wahrnehmung, vielleicht könntest du den Lesern eine kurze Zusammenfassung der Geschichte von Soup geben? Wenn ich es richtig verstehe, starteten Soup als Ein-Mann-Projekt? Soup ist also dein Baby, ist das richtig?
Erlend: Ja, ich startete mir Soup im Jahre 2005 und nach ungefähr zwei Jahren begann ich, mit ein paar Freunden live aufzutreten. Wir veröffentlichten gemeinsam “Children Of E.L.B.”, das auf mein erstes Album “Come On Pioneers” folgte. “Children Of E.L.B.” war also bereits mit der Band und diese verändert sich ein wenig. Jahre später veröffentlichten wir “The Beauty Of Your Youth” in einer Band-Konstellation mit anderen Mitgliedern. Und das nächste war dann “Remedies”. Zwischen diesen Alben habe ich noch einige Alben alleine veröffentlicht: “DUUN”, “Entropia” und einige B-Seiten.
BP: Ich habe mir gerade auch dein Solo-Album “Giant Sky” wangehört. Es geht in eine etwas andere musikalische Richtung, ist aber durchaus interessant. Wann veränderte sich Soup dann also von einem Solo-Projekt mit befreundeten Musikern zu einer richtigen Band?
Erlend: Bandmitglieder gab es so ab 2008/2009. Der erste Auftritt als echte Band geschah dann also 2009. Ich führte Bandmitglieder ein, um live spielen und auf die Bühne gehen zu können.
BP: Diese Menschen hatten wahrscheinlich alle Einfluss auf die Musik. Wie würdest du die Entwicklung eures Musikstils über die Jahre hinweg beschreiben? Macht ihr deiner Meinung nach noch immer die gleiche Musik wie in den Anfangsjahren oder habt ihr einen komplett anderen Weg eingeschlagen?
Erlend: Ich glaube, mein Songwriting hat sich über die Jahre, von 2005 bis heute, immer weiter entwickelt. Ich befinde mich auf einer Reise und habe meine Songwriting verändert, aber manche Grundwerte die es 2005 schon gab, sind heute noch immer da. Manche Dinge sind gleich geblieben, andere haben sich weiterentwickelt. Mein Songwriting ist ein klein wenig komplexer geworden als es urspünglich war, aber ich habe noch immer den Anspruch, mit den Liedern, die ich schreibe, echte Emotionen zu vermitteln. Es gab also schon immer einen starken kommunikativen Ehrgeiz in meinem Songwriting.
BP: Die Lieder auf “Remedies” sind sehr songorientiert und stark im Art Rock verwurzelt. Je weiter sie jedoch fortschritten, desto mehr entwickelten sie sich in Richtung Post Rock. Auf “Visions” dagegen ist der Post Rock zur Seite gewichen und hat Platz für Strukturen gemacht, die eher aus der klassischen Musik zu stammen scheinen. Liege ich da richtig?
Erlend: Du hast Recht, obwohl ich mich nicht wirklich für Musiktheorie interessiere. Ich habe bemerkt, dass es eine Veränderung dahingehend gibt, wie die Stücke aufgebaut sind. Ich glaube, dass dass das Album weniger Post Rock ist als sein Vorgänger. Ich würde sagen, dass es mehr Folk Rock und Progressive Rock ist.
BP: “Visions” ist weniger songorientiert, da ihm die Hooklines und Refrains fehlen, die ihr noch auf dem letzten Album hattet. Einerseits habt ihr euch also von dieser Song-Orientiertheit wegbewegt. Andererseits habt ihr aber auch das Auflösen von Song-Strukturen, wie im Post Rock üblich, aufgegeben.
Erlend: Ich glaube, man kann das mit der Philosophie von David Lynch, dem Macher von “Twin Peaks” vergleichen. Er ist immer mit dieser Logik und der Handlung und dem Drehbuch konfrontiert… Es ist manchmal so abstrakt. Lynch sagt immer, dass es keine Logik im Leben gäbe. Und das ist eine ähnliche Philosophie.
BP: Wenn ich an Lynch denke, dann macht er nur dann Sinn, wenn ich nicht versuche, einen Sinn in seine Geschichten zu interpretieren.
Erlend: Exakt. Es gibt keinen. Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht, ob wir Hooklines oder Refrains haben. Es ist einfach Musik.
BP: Und sie fließt…
Erlend: Ja, sie fließt, und das war auch irgendwie der Plan. Nicht nachdenken, einfach handeln. Lasst uns einfach das Lied die Richtung vorgeben.
BP: Wie war es für euch als Band während Corona? Wohnt ihr alle in Trondheim? Konntet ihr euch treffen? Oder ist das alles online abgelaufen? Kannst du uns ein wenig über den Entstehungsprozess des Albums erzählen.
Erlend: Also, ich bin der Komponist und all dieser Lieder wurden von mir geschrieben. Aber wir haben die Stücke als Band arrangiert. Das geschah schon vor der Corona-Epedemie. Wir hatten das Album schon zu Ende aufgenommen, als die Epedemie ausbrach. Obwohl es bis zur Veröffentlichung des Albums eine große Wartezeit gegeben hat, sind wir nicht vom Virus beeinträchtigt worden.
BP: Warum hat sich die Veröffentlichung dann so lange herausgezögert? Hatte das Marketing-Gründe oder war die Post-Produktion des Albums noch nicht beendet?
Erlend: Das Grundgerüst des Albums war schon aufgenommen, aber wir hatten noch einige Ergänzungen zu machen. Das hat einige Zeit in Anspruch genommen. Und auch das Artwork und all diese Sachen machten es letztendlich unmöglich, das Album in Plattenläden an den Mann zu bringen. Ich glaube, dass es nur fair war, so lange zu warten, bis das Album auch in physischer Form verkauft werden konnte. Anders hätten wir es nur online verkaufen können, was nicht unbedingt sympathisch ist.
BP: Du erwähntest das Cover Artwork. Lasse Hollie arbeitet jetzt schon seit mehreren Alben für euch.
Erlend: Er arbeitet für uns seit 2006, also schon seit 15 Jahren.
BP: Und ihr seid euch begegnet, da er eure Musik entdeckt hat? Er ist also auf dich zugekommen?
Erlend: Genau. Das geschah zurzeit des “Come On Pioneers”-Albums.
BP: Wenn er für euch arbeitet, was gebt ihr ihm an die Hand? Die Namen der Lieder? Den Titel des Albums? Die Musik? Oder sagt ihr einfach: “Mach was du willst!”? Wie entwickelt sich seine Arbeit?
Erlend: Normalerweise schicke ich ihm einfach ein paar Demos des Albums und das war es. Ich versuche mich da nicht zu sehr einzumischen. Er macht immer mehrere Alternativen, so dass es am Ende nie ein Problem ist, sich auf eine davon zu einigen.
BP: Auf Bandcamp ist euer Back-Katalog zurzeit nur als Download oder CD erhältlich. Es gibt keine Formate mehr, mit denen man die Artworks wirklich genießen kann. Gibt es derzeit Pläne, für eine Wiederveröffentlichung der alten Alben im Vinyl-Format?
Erlend: Die gibt es. Aber zuletzt lag der Fokus auf dem neuen Album. Wir hatten nicht wirklich Zeit dazu, uns hinzusetzen und zu planen, was wiederaufgelegt werden soll. Aber irgendwann wird es neue Editionen der alten Alben geben. Wir mögen kleinere Editionen, weil diese stärker gewürdigt werden. Von den Wiederveröffentlichungen wird es also wohl nur wenige hundert Exemplare geben.
BP: Habt ihr auch ein Mitspracherecht bei den Verpackungen der schallplatten? “Live Cuts” und “Remedies” bestachen beide durch ihre glänzenden Hüllen.
Erlend: Ja, wir sind sehr auf hochqualitative Produkte bedacht, die nicht einfach nach zwei Jahren kaputt gehen. Es gibt also sowohl von Band und Label den Wunsch nach solider Arbeit, wenn es um die physischen Produkte geht. Die Hüllen und deren Glanz, von denen du sprichst, sind Teil davon. Es soll sich ein wenig luxeriös anfühlen. Deswegen kostet es auch eine Menge Geld, diese Artikel zu produzieren.
BP: Das klingt fast danach, als wärest du selbst Musikliebhaber und -sammler…
Erlend: Ich bin kein Sammler. Ich habe ein paar Schallplatten in meiner Hi-Fi-Ausstattung, aber nicht viele. Ich bin mir nicht sicher, dass ich wirklich viel Musik konsumiere, da ich so viel Zeit damit verbringe, Musik zu schreiben. Ich brauche also Zeit um mich auszuruhen und ähnliches. Ich bin kein großer Sammler aber ich bin ein großer Fan künstlerischer Visionen; dass wir Musik als Kunstform behandeln sollten. Ich genieße solche Künstler, die ihr Herz und ihre Seele einbringen und sich von den finanziellen Aspekten diese Dinge entfernen und etwas wirklich wertvolles erschaffen.
BP: Ich glaube auch, dass das der richtige Ansatz ist, aber ich weiß nicht, ob das auch jeder so handhaben kann. Es gibt viele Musiker, die wirklich kämpfen müssen, um zu überleben und viele geben auch auf. Wenn es um Geld gibt, gibt es einen großen Unterschied zwischen Vision und Realität.
Erlend: Absolut. Wenn Geld die einzige Motivation wäre, würden wir wahrscheinlich etwas anderes als Musik machen. Ich habe niemals wirklich Geld mit Musik verient. Die ersten Alben haben einfach nur gekostet und finanziell kann ich noch immer nicht wirklich etwas vorweisen. Es ist einfach die künstlerische Berufung in meinem Leben. Die Musik. Geld hatte daruf nie einen Einfluss.
BP: Darf ich dich nach deinem regulären Beruf fragen?
Erlend: Ich bin arbeitslos bzw. schreibe von Zeit zu Zeit für eine Zeitung. Ich bin also selbständig.
BP: Freiberufler also?
Erlend: Genau, ich bin Freelancer im Bereich Medien. Ich habe eine Ausbildung in Medienwissenschaften.
BP: Was dir einerseits die Möglichkeit gibt, dir Auszeiten zu nehemen, um auf Tour oder ins Studio zu gehen. Du hast dadurch natürlich weniger Sicherheiten, andererseits aber auch eine hohe Flexibilität.
Erlend: Genau.
BP: Gibt es etwas, dass du uns über die Texte erzählen möchtest? Gibt es ein übergeordnetes Thema?
Erlend: Die Texte sind überwiegend persönlich, würde ich sagen. Es gibt zwei haupte Geschichten in den Texten dieses Albums. Eine spielt auf dem persönlichen Level und die zweite steht im Zusammenhang mit Umweltfragen und politischen Themen.
BP: Du sagtest, du hättest in letzter Zeit nicht viel Musik gehört. Aber irgendwoher musst du ja deine Inspiration bekommen. Was, würdest du sagen, waren die drei wichtigsten musikalischen Einflüsse auf das neue Album?
Erlend: Ich glaube, dass King Crimson mit “Red” unbedingt dazu zu zählen hat. Das Lied ‘Starless” ist der Haupteinfluss, was King Crimson angeht. Außerdem ‘Shine On You Crazy Diamond’ von Pink Floyd und vielleicht noch Nick Drake mit “Five Leaves Left”. Ich glaube jedoch, du solltest ‘Shine On You Crazy Diamond with Godspeed You Black Emperor!s “Lift Your Skinny Fists Like Antennas to Heaven” austauschen
BP: Das ist ein Klassiker. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das Album erschienen ist…
Erlend: Ich war 2001 auf einem Konzert, als sie in Oslo spielten. Das war schon etwas Besonders.
BP: Um zum Ende zu kommen: ich muss gestehen, dass ich etwas verwirrt bin. Ich habe die Dankes-Liste zum neuen Album auf Bandcamp gelesen. Und die klang fast wie eine Abschiedbotschaft. Irgendwann habe ich auch in einer Pressemitteilung den Satz “Soup werden ihr letztes Album als Band veröffentlichen” gelesen. Habt ihr euch etwa dazu entschieden, die Band aufzulösen oder was steckt hinter diesem Satz?
Erlend: Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.
BP: Gut, Das gibt einem jeden Hoffnung, der eure Musik liebt. Und ich muss sagen, dass es eine Schande wäre. Ich würde euch zumindest gerne noch einmal Tour sehen und außerdem wäre es großartig, mehr Musik von euch als Gruppe zu hören. Aber ich glaube, was auch immer ihr tun werdet, du wirst ein Musiker mit viel Leidenschaft bbleiben. Auf die ein oder andere Art werden wir von dir hören?
Erlend: Ja. Ich glaube, das wedet ihr. Zumindest solltet ihr aber mein Solo-Album antesten (haben wir!, d. Schlussred.). The Giant Sky-Project wird noch mehr Musik veröffentlichen
BP: Gut zu wissen. Ich möchte mich recht herzlich für dieses Interview bedanken.
Erlend: Gleichfalls. Danke Florian. Bye Bye.
BP: Bye Bye.
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Rezension: “Visions” (2021)
Festivalbericht: 17.11.18, Neunkirchen (Saar), Neue Gebläsehalle, Gloomaar Festival 2018
Rezension: “Live Cuts” (2018)
Rezension: “Remedies” (2017)
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von IDVI Agency zur Verfügung gestellt.
Ein Kommentar
Die beste Nachricht ist, dass es Wiederveröffentlichung der älteren Alben geben wird. Da fehlen noch eine Vinyls bei mir. Top!