Lacuna Coil – Sleepless Empire

Lacuna Coil - Sleepless Empire (Century Media/Sony Music, 14.02.2025) COVER(46:41; Vinyl, CD, Digital; Century Media/Sony Music, 14.02.2025)
Es scheint eine Ewigkeit zurück zu liegen, als die Italiener, damals noch so richtig grün hinter den Ohren, mit erster EP und als Support von The Gathering Ende der Neunziger auf deutschen Bühnen unterwegs waren. Gothic Metal war ein vorübergehender Hype, man spielte in der Schnittmenge aus Paradise Lost und The Gathering, mit männlichen und weiblichen Vocals recht traditionell auf. Die Band um Frontfrau Cristina Scabbia und Andrea Ferro schafften den Sprung hinaus über das Ableben des Genres, setzten kurze Zeit später gekonnt auf den amerikanischen Markt und integrierten Nu Metal-Einflüsse in ihren eher symphonisch düsteren Sound. Alsbald gehörte man nicht mehr nur dazu, sondern setzte eigene Maßstäbe, wurde zu einer eigenen Marke im düsteren Metal-Genre. Da ich nicht mit jeder Veröffentlichung zuletzt auf Du war, grundsätzlich eher kein Fan von Modern Metal bin, ging ich erstmal ziemlich ohne Erwartungen an “Sleepless Empire” heran und ich muss unumwunden sagen, es braucht nicht viele Anläufe, um dieses neue Album der Italiener zu mögen. Der Sound ist richtig fett, die ständige Balance aus überraschend knochentrockener Härte und symphonisch melancholischen Melodien sitzt wie angegossen im Sattel. Auf mich wirkt das alles top professionell, jederzeit emotional und authentisch, atmet den aktuellen Metal-Zeitgeist und man vergisst dank der vielen düster melodischen Melodien trotzdem nicht, wo man herkommt. “Sleepless Empire” klingt definitiv nach Frischzellen-Kur, man steht ordentlich unter Strom.

Inhaltlich durchkämpfen die Italiener auf dem neuen Album die modernen Krankheiten wie digitalen Overload, die persönlichen Kriege mit den eigenen Dämonen, den Kampf ums Licht und einen positiven Mindset. Ins Licht hinein und dem Abgrund mit einem Fuß nah beschreibt “Sleepless Empire” die Dualitäten des Seins perfekt und prescht bereits mit dem druckvollen Opener ‘The Siege’ über den Hörer hinein. Riff-lastige Strophen, Growls und ein mehrstimmig, emotional griffiger Refrain reißen ohne viel Aufhebens mit, packen einen sofort mit jeder Faser. Das ist wie Lacuna Coil 2.0, also richtig schön aufgepumpt mit modernen Metal-Riffs, setzen Dicke-Hose-Grooves im folgenden ‘Oxygen’ mit fast Slipknot-artiger Atmosphäre und tollem Refrain auf vollständige Verschmelzung aus modernem Gitarren-Brett und Melodie. Definitiv ein geiler Hit, dem dass massive ‘Scarecrow’ ebenfalls in nichts nachsteht. Hier setzt der Wechselgesang im Refrain auf hochmelodische Power und die Wand, welche die Italiener hier hoch stapeln, ist überraschend brachial und massiv. So hatte ich die Band nicht in Erinnerung, aber es macht Laune, mit welcher Durchschlagskraft hier Akzente gesetzt werden.

Der Kopf wippt durchgehend, ein Stück wie ‘Gravity’ spielt mit schleppend, orchestralen Mitteln, Elektronik und düstere Chöre zeigen in Richtung des ursprünglichen Bandsounds. Gerade im symphonischen Refrain fühlt man sich an die frühen Aufnahmen erinnert. Mit der Single ‘I Wish You Were Dead’ klingt man dann nochmal richtig nach gutem alten Spät-Neunziger Goth Metal, setzen Arrangements und poppige Melodik hier tolle Flashbacks, sind voll auf den Punkt und werden Freunde der stärkeren Theatre of Tragedy oder Within Temptation-Phasen mit diesem Hit viel Freude bereiten. Ein Randy Blythe von Lamb Of God setzt in ‘Hosting The Shadow’ tolle Kontraste mit aggressiven, schön intensiven Growls, der dringlich formulierte Refrain wird von Scabbia mit viel Emotionalität aufgeladen performt. Ob nun ‘In Nomine Patris’ mit hoch eingängiger Melodik, der schwermütig, massive Titelsong (Katatonia-Riffing) oder das düstere ‘Sleep Paralysis’, eigentlich will kein Song aus dem qualitativ durchgehend starken Raster fallen, ist der Ohrwurm-Charakter von durchgehend einnehmender Qualität.

Scabbia betört mit tollen Melodien, Ferro klang in Sachen Growls aus meiner Sicht noch nie so kraftvoll aggressiv auf den Punkt. Das ist High Energy, super tight in Sachen Produktion und Saft auf den Reifen von Anfang bis zur letzten Sekunde. Viele kleine Details in den Gitarren-und Synths-Arrangements, der Rhythmik und vor allem im perfekt aufeinander eingespielten Vocals-Team zeigen eine Band, die genau weiß, wo sie stehen will mit ihrem Sound. Fast jeder Song ist ein Hit, ein Werkzeug, das ohne Rücksicht durch Wände marschiert und diese melodisch düsteren Stilmittel perfekt in diese Brachialität integriert.
Bewertung: 12/15 Punkten


Sleepless Empire (24-bit HD audio) von Lacuna Coil

Lacuna Coil - Sleepless Empire (Century Media/Sony Music, 14.02.2025)
Credit: Cunene

Besetzung:
Cristina Scabbia – vocals
Andrea Ferro – vocals, screams
Marco Coti Zelati – bass, guitar, keyboard
Richard Meiz – drums

Gastmusiker:
Randy Blythe (track 6)
Ash Costello (track 10)

Diskografie (Studioalben):
“In A Reverie” (1999)
“Unleashed Memories” (2001)
“Comalies” (2002)
“Karmacode” (2006)
“Shallow Life” (2009)
“Dark Adrenaline” (2012)
“Broken Crown Halo” (2014)
“Delirium” (2016)
“Black Anima” (2019)
“Sleepless Empire” (2025)

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Rezensionen:
“Comalies” (2002)

Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.