Erop Ferdhast
Heilung zählen zu jenen Formationen, von denen gesagt wird, dass deren Musik nur eine Facette ihres künstlerischen Schaffens darstellt. Denn bei kaum einer anderen Gruppierung sollen die Live-Aufführungen – bei Heilung “Rituale” genannt – ein solch integraler Bestandteil des Gesamtkonzeptes sein, wie bei diesem multinationalen Nordic-Folk-Ensemble um die Norwegerin Maria Franz, den Deutschen Kai Uwe Faust und den aus Dänemark stammenden Christopher Juul. Dass Heilung nichtsdestotrotz auch rein musikalisch überzeugen können, das hat die Gruppe zuletzt mit ihrem 2022er Studio-Album “Drif” unter Beweis gestellt. Umso gespannter konnte man also darauf sein, ob sich das Erleben dieser mystisch-schamanischen Klänge während eines solchen Rituals intensivieren würde.
Eivør
Als Support-Act war bei dieser Tournee die färöische Künstlerin
Eivør eingeladen worden, von der Kollege
Büttgen in seiner Rezension zu ihrem letztjährigen Album
“Enn” geschrieben hatte, dass Fans von Bands wie Heilung, Wardruna oder Myrkur hier garantiert etwas hätten, was ihnen gefällt. Und so kam es dann auch: Die oftmals wie eine Mischung aus
Kate Bush und
Sylvaine klingende Sängerin
Eivør Pálsdóttir und ihre Mitstreiter
Mattias Kapnas,
Mikael Blak und
Per I Højgaard Petersen hinter Keyboards und Schlagzeug trafen mit ihrem sphärischen, von Electronica und Tribal-Sounds durchdrungenen Nordic-Folk genau den Geschmack des Publikums im gut gefüllten großen Saal der Rockhal.
Bewusst waren wohl die wenigsten der Anwesenden mit der Musik
Eivørs vertaut gewesen. Umso begeisterter reagierten die Zuschauer dementsprechend, als plötzlich das Vielen vertraute Hauptthema der Serie “The Last Kingdom” erklang, das aus der Feder der Färöerin stammte.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte das Quartett die Halle im Griff, sodass am Ende des Auftritts wohl niemand etwas dagegen gehabt hätte, wenn dieser noch deutlich länger gedauert hätte. Hätte man nicht gerade ungeduldig und spannungsgeladen auf den Headliner gewartet …
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Heilung
Doch bevor es mit der musikalischen Darbietung losging, stand erst einmal – wie wohl bei Heilung üblich – eine Eröffnungszeremonie auf dem Programm, zu der Schamane Kai Uwe Faust und einer seiner Mitstreiter die üppig im Tribal-Style dekorierte Bühne mithilfe von Duftschalen, Vogelfedern und Pflanzenwedeln in Nebelschwaden hüllten und so die Luft mit verschiedenen Duftnoten schwängerten.
Wenig später betraten die restlichen Mitglieder des Ensembles – eines nach dem anderen – leicht bekleidet und mit dunklen Naturfarben bemalt, in einer langen Reihe die Bühne, um dort einen Zeremonialkreis zu bilden, in dessen Mitte eine hell leuchtende Laterne auf dem Boden stand.
Darin wiederholten sie mantrartig die Worte, die ihnen ihr Medizinmann predigte, während sie mit beiden Händen Tiergeweihe hoch über ihre Köpfe streckten. Der Kreis löste sich auf, als ein Horn erklang. Das “Ritual” konnte beginnen!
Was danach folgte, lässt sich nur schwer in Worte fassen.
In mir selbst kam während des nun folgenden “Ritauls” immer wieder das Gefühl auf, als befände ich mich auf einer ethnologischen Expedition, bei der ich einem der letzten isolierten Naturvölker des eurasischen Nordens begegnete und Zeuge seiner Zeremonien, Bräuche, Kulte, Tänze, Gesänge und Rituale wurde.
Die perkussiven Rhythmen, die mit einer Vielzahl von prähistorischen Trommeln erzeugt wurden, waren dabei klangbildbeherrschend – und doch spielte die Musik im bunten Reigen des Ensembles nur eine von vielen Rollen.
Manchmal wähnte man sich mitten in einer Opernaufführung, bei der die Rolle der Tenorstimme von Kehlkopfgesang übernommen wurde. Ein anderes Mal hingegen fühlte es sich an, als sei man Zeuge des Spiels einer Live-Rollenspielgruppe.
Und wenn man die Augen schloss und sich den tranceartigen Rhythmen der Trommeln hingab, dann hätte man sich gut und gerne auch auf der Tanzfläche des Berliner Berghain wähnen können, obwohl man sich in Wahrheit inmitten eines Publikums befand, das vorwiegend in Merchandise von Metal-Bands gewandet war.
Irgendwann allerdings war es genug für mich, irgendwelche Parallelen zu ziehen, denn das, was an diesem Abend von Heilung dargeboten wurde, war so außergewöhnlich und einzigartig, dass sich eigentlich jegliche Vergleiche verboten. Von da an hieß es einfach nur zu genießen.
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Fotos: Prog in Focus

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Rezensionen:
“Lifa Iotungard (Live At Red Rocks 2021)” (2024)
“Drif” (2022)
Liveberichte:
19.03.25, Oberhausen, Turbinenhalle

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Rezensionen:
“Enn” (2024)
Liveberichte:
19.03.25, Oberhausen, Turbinenhalle
05.10.24, Köln, Live Music Hall
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Veranstalter & Venue: Rockhal