Maud The Moth – The Distaff
(41:30; CD, Digital, Vinyl; Creative Scotland, 21.02.2025)
Der Gesang der Sirenen in der Odyssee, der Ruf der Banshees und und… Höre ich die Spanierin Amaya López-Carromero, die in Schottland lebt und als Maud The Moth ihre sehr spezielle Kunst verbreitet, denk ich unwillkürlich an so manch tragische Gestalt aus Geschichte, Philosophie und Mythenwelt. Ich hatte im letzten Sommer das Glück, die Künstlerin beim so wundervollen zweiten Happening des Ancient Echoes Festival in der Kulturruine Wachau bei Leipzig zu erleben, die bereits so illustre Gäste wie u.a. Sylvaine, den grossartigen Jonathan Hultén, Darkher und Forndom in den letzten Jahren vor Ort präsentierten. Maud The Moth passte somit perfekt in dieses sehr spezielle Line-up und beeindruckte mit ihrer individuellen Performance am Piano/Synth, aber vor allem mit ihrer sehr selbstbewussten, emotionalen Stimmgewalt.
Das hatte ordentlich Nachhall und die dann zu Gemüte geführten Vorgänger “The Inner Wastelands” und “Orphne” unterstrichen diese Wahrnehmung ihrer doch sehr originärn Kunst. “The Distaff” beschäftigt sich mit alten Traumata, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Entwurzelung, der Geschlechterrolle, Selbstreflexion, die sich irgendwo zwischen Wahrheit und surrealer Autobiografie einordnen lässt. Amaya konzipierte im kreativen Prozess erstmal alles am akustischen Klavier, fand aber mit einigen namhaften Kollaborateuren wie Seb Rochford (u.a. PJ Harvey) an den Drums, Alison Chesley (Helen Money) am Cello, Fay Guiffo an der Violine und Scott McLean (Ashenspire, Falloch) an Gitarre, Saxophon und Synths die notwendige Unterstützung. Kein Geringerer als Alex Wharton (Radiohead, My Bloody Valentine) hat das von Scott und Amaya gemischte Album fallabschließend in den Abbey Road Studios gemastert.
“The Distaff” klingt im Vergleich zu den Vorgängern wesentlich selbstbewusster. Feine Nuancen aus Doomgaze und dunklem Singer/Songwriter akzentuieren den doch sehr experimentellen, teils avantgardistischen Sound der Spanierin diesmal hervorragend und bieten somit wichtige dynamische Eckpfeiler, die das Album aus meiner Sicht wesentlich kompakter und ausformulierter als die Vorgänger erscheinen lässt. Nach kurzem, aber signifikantem Intro steigt ‘A Temple By The River’ bereits beeindruckend mit dieser neuen Metamorphose kraftvoll ein. Akzentuierte kraftvolle Drums, exaltierter, sehr leidenschaftlicher Gesang und eine durchgehend statisch, doomig düstere Aura setzen erstmal einige Ausrufezeichen. Fragiles Piano, noisige hintergründige Geräuschkulissen und minimaler, dunkler Chanson-artiger Gesang, der sich schmerzvoll von Raum zu Raum, Bild zu Bild traumwandelt, findest Du in ‘Exuviae’ wieder.
Intimer geht es wahrlich nicht, die Vocals flüstern und sehnen, Vogelgezwitscher im Hintergrund geben der Musik einen Anker in dieser Welt.
Avantgardistisch und verspielt nimmt Dich ‘Burial Of The Patriarchs’ mit in die surreale Welt aus Metaphern, Vermutungen und traumartigen Erinnerungen. Ein wenig vom verspielten, weltvergessenen Habitus einer Kate Bush oder Tori Amos schwingt jederzeit in den experimentellen Melodien mit, die Postmodern anmuten und sich letztlich ihre ganz eigene Nische zaubern. ‘Siphonophores’ phrasiert ätherisch zu sanftem Piano, nimmt im weiteren Verlauf dank noisiger, dem Post-Rock zugewandter Dynamik seine orchestrale Form an, die mich an so manch großen Moment von Radiohead/Thom Yorke erinnert, sind doch die arrangierten Bombast-Momente kleine Deja Vus Richtung ‘Pyramid Song’ und Co. Waren die Vorgänger doch zum Teil noch eher verkopfte, experimentelle Modern Goth/Neo Klassik-Experimente, findet man mit dem aktuellen Album den Schulterschluss zu aktuellen Vertretern der alternativen, düsteren Klangkunst wie Chelsea Wolfe, Diamanda Galas, Darkher, Anna von Hausswolff und Emma Ruth Rundle, ohne nur ansatzweise den eigenen sehr speziellen Ausdruck zu verlieren.
Das mit fast zehn Minuten längste Stück ‘Despeñaperros’ berührt ausnahmslos. Die Finger tanzen verspielt über das Piano, massiver Doomgaze nebst dramatischen Streichern gesellt sich zum eh bereits sehr pathetisch, theatralisch aufgeladenen Gesang, der dank verschiedenster Modellierungen immer wieder ganz eigenen Pfaden folgt. Modern Classical trifft auf alternative düstere Post Rock/Doom Schattierungen – spannend, atmosphärisch, fordernd und nichts zum nebenbei hören. Mit dem schabenden Drone-Pop in ‘Kwisatz Haderach’ wirst du aus einem besonderen Album entlassen, welches definitiv kein Easy Listening ist, zuhören einfordert und dies auch belohnt.
Einiges an dunkler Goth-Atmosphäre, traumwandlerisch, experimentell, theatralisch, fantasievoll und voller gespenstisch surrealer Räume erwartet Dich auf “The Distaff”. Es ist nichts für jede Tageszeit, aber die Spanierin hat dank der Unterstützung in Sachen Sound und Arrangements einige klare Schritte nach vorn gemacht und sollte somit für Fans von oben genannten Künstlern, Post Sounds und für Freunde der dunklen Nische sowieso, ein Kleinod darstellen, welches sich zu entdecken lohnt. Klavier und Gesang spielen die erste Geige, die vielen zusätzlichen Schattierungen an Sound-Collagen formen eine spannende Welt. Die CD und digitale Variante erscheint bei The Larvarium, das Vinyl bei La Rubia Producciones.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Rarely Unable PR zur Verfügung gestellt.