Kwoon – Odyssey

Kwoon - Odyssey (unsigned, 21.02.2025) COVER(55:05; CD, Digital, Vinyl; Eigenveröffentlichung, 21.02.2025)
Immer wenn ich das neue Album der Franzosen auflege, die schönen Arrangements, den Bombast, die Melancholie und die Streicher höre, denke ich wie wundervoll, wie schön, aber irgendwie fehlt mir was. Alles auf “Odyssey” ist ausufernd, opulent, Kopfkino, melancholisch und episch und irgendwie denk ich immer, da hätte mit mehr ungezügelter Emotion, Dynamik und Schmerz ein absolutes Überwerk entstehen können. Alles ist filmisch (die grossartigen Video-Clips sind sehr zu empfehlen), fährt mit großer Geste ins Weite, in die Tiefe, in die Nacht und unterm Strich bleibt natürlich trotzdem ein richtig großes Album – so viel bereits vorweg.

‘Leviathan’, das instrumentale Opening, umarmt Dich sofort mit seinen schleifenden, pastoralen, an MONO gemahnenden Gitarrensound. Um einiges fragiler und einfach nur brüchig schön umarmt ‘King Of Sea’ und wird jedem Archive-/Radiohead-Fan mit seinem opulenten New Artrock bzw. Pathos Pop sofort in die Knie zwingen. Piano, feine Gitarren, brüchiger Gesang und ein sich zum Crescendo steigender Band-Sound versprechen den Schmerz, den Du suchst und finden wirst. Die schwebenden, sehr filmischen Sounds, Meeresrauschen nebst gelungenen Gast Vocals von Babet greifen zu, versprochen! ‘White Angels’ hätte ohne weiteres auf jedem Archive-Album seinen Platz, klingt der Gesang doch frappierend ähnlich. Die Stimmungsbilder sind ebenfalls im gleichen Moll-und Pathos-Muster gefangen und werden mit vielen elektronischen Gimmicks und Grandezza in den Bombast gerauscht. Auch hier ist es eher eine simple traurige Melodie, die mit Bombast, Piano und schwülstigen Crescendo wundervoll voran marschiert und die allseits geliebte Wall of Sound findet.

‘Life’ hat in seiner Melodik was von ‘Again’ (siehe Archive), erreicht natürlich nicht ganz die Klasse des Übersongs. Tolle Chöre erinnern wahlweise an Alcest, Sigur Rós oder die Dänen von Mew. Das ätherisch, sehr fragile instrumentale ‘Blackstar’ spielt ebenfalls mit Bildern und Emotionen, lässt hintergründige Sprachsamples durch die ambienten Szenarien huschen – Piano und Soundtrack-artige Kulisse rühren an den Synapsen und werden Freunde von MONO zustimmend nicken lassen.

Denk an die “You All Look The Same To Me” von Archive und Du wirst ‘Last Paradise’ aufsaugen wie ein Schwamm. Es flimmert nächtlich, alles wird düster, die Stimme klingt verloren in der Schwärze – eine Melancholie und Einsamkeit, die Du trotz des Schmerzes wohlwollend in Dich hinein wuchern lässt. ‘Jayne’ ist Pop für traurige Abschiede, dem Loslassen gewidmet. Die perfekte Untermalung für Selbstmitleid, Liebeskummer und Weltschmerz. Auch hier stehen die früheren Archive, Au4 und Radiohead mit ihrer akustischen balladigen Seite Pate. Wenn die bombastische Wall of Sound die Zügel übernimmt, bleibt definitiv kein Auge trocken – es könnte ewig so weitergehen. Die Band bleibt weitestgehend im zeitlich begrenzten Rahmen, was ich persönlich schade finde, denn die großen Momente sind da und dürfen auch gern mal die fünfminütige Grenze sprengen. Instrumental und pathetisch driftet ‘Wolves’ mit Streichern und Bombast cinematisch durch die Gänge und Synapsen des Hörers, trifft hier und da sanft mit kleinen Nadelstichen. ‘Youth’ klingt warm dank akustischer Gitarren, schwebt und shoegazed orchestral durch den Äther ohne Rücksicht auf Verluste. Schon längst ist auf jedes gesunde Maß an Pathos und Weltschmerz gepfiffen. Sandy Lavallart, der Mann hinter Kwoon, ist optisch und gesanglich ein moderner Romeo, ein Vagabund und Charmeur, man sieht es einfach und er schmachtet sich auf sympathisch unperfekte Weise gekonnt mit Akzent durch seine ausufernden Schmerz-Balladen.

Etwas Morricone Widescreen und fiebrige Grandezza triumphieren auch im melancholisch epischen ‘Fisherman’, die tollen Melodien versiegen einfach nicht. Falsett im Gesang, schöne Streicher und Melancholie, soweit das Auge reicht. Dass fast zehnminütige instrumentale ‘Nestadio’ mutet erneut wie ein glorreicher Post-Rock-/Soundtrack-Moment an. Flimmernde Szenarien, einsames Piano, Bilderfluten…bis die Akkorde einer Gitarre den großen Moment heraufbeschwören. Es wird in jeder Sekunde geklotzt, nicht gekleckert, alles ufert und schmachtet und will hineinfluten in den transzendenten Moment. Hier sind die Franzosen in Sachen Stimmung bei den grossartigen Klangkünstlern von Hammock angekommen. ‘Keep On Dreaming’ geleitet dich dann raus aus “Odyssey”, welches seinen Namen verdient. Eine Odyssee der Emotionen, mit Stilmitteln des modernen Artrock, Pop, Alternative, Shoegaze und epischen Post Rock zusammen gehalten.

Nach drei Alben zwischen 2006 und 2011 und weltweiten eher schon audiovisuellen Auftritten, die einiges an Follower generiert haben, stehen Kwoon mit einem kleinem Meisterstück im frühen 2025 am Ausgangspunkt zu hoffentlich größerem. “Odyssey” hat in jedem Fall das Potential und die Musikalität, ist für Freunde episch, pathetischer alternativer Rockmusik zweifelsfrei schönstes Kopfkino. Finde den richtigen Moment, lass Dich auf den Ozean oder ins All geleiten, die Kulisse jedes einzelnen Songs ist die Treppe dorthin.
Bewertung: 13/15 Punkten

ODYSSEY von KWOON

Diskografie/Studioalben:
“Tales And Dreams” (2006)
“When the Flowers Were Singing” (2009)
“The Guillotine Show” (2011)

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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Sozius PR zur Verfügung gestellt.