Everon – Shells
(70:38; Vinyl, CD, Digital; Mascot Label Group, 28.02.2025)
Wie bereits im Interview mit Mastermind Oliver Philipps durchgesickert ist, war die Ankündigung eines neuen Albums nach dem überraschenden Tod von Christian “Moschus” Moos und der über 16 Jahre andauernden Funkstille im Lager Everon durchaus eine kleine Sensation.
Die Band war mit ihrem letzten Album “North” (2008) nicht zufrieden. Der Produktionsprozess gestaltete sich als zu anstrengend und vor allem der kreative Entstehungsprozess der einzelnen Songs war schwierig, was man der bescheidenen Meinung des Schriftsetzenden auch irgendwie hören konnte.
Bei “Shells” war vieles anders und auch einfacher für Mastermind Oliver Philips. Schon als feststand, dass er mit seinen Bandkollegen Everon wieder zum Leben erwecken wird, entstanden die ersten konkreten Songideen. Um diesmal jeder Störung aus dem Weg zu gehen, verschwand Philipps für vier Monate in seinem Studio und erschuf ein frisches, abwechslungsreiches und spannendes Album.
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Bereits die erste Singleauskopplung ‘No Embrace’ offenbart, dass sich der typische Everon-Sound auch nach dieser langen Zeit kaum verändert hat. Ein wuchtiges Stück mit wunderbaren Harmonien, das ohne weiteres auch auf einem der Vorgängeralben hätte Platz finden können. Everon waren nie wirklich eine Band, die “fröhliche” Musik gemacht hat. “Shells” ist mehr als zuvor von Düsternis, Wut und Traurigkeit durchzogen. Lyrisch wie auch musikalisch. Die Stimmung könnte zwar auch sehr gut mit dem Verlust von Christian “Moschus” Moos in Verbindung gebracht werden – ‘Broken Angels’ offenbart sich zunächst als der zentrale Song, der dieses Ereignis verarbeitet -, jedoch war Moschus noch sehr intensiv beim Entstehungsprozess des Albums eingebunden und konnte noch acht Songs komplett einspielen. Ausgerechnet die Drumspuren für ‘Broken Angels’ konnte er nicht mehr fertigstellen.
Beinahe positiv und aufbauend dagegen klingen das hübsche ‘Travels’, sowie das mit Cetic Rock-Anleihen ausgeschmückte und für Everon-Verhältnisse ungewöhnliche ‘Pinocchio’s Nose’. Hier verfeinert Leah McHenry, die mit Philipps bereits auf mehreren Alben unter dem Namen Leah zusammengearbeitet hat, als Gastsängerin und mit wunderschöner Stimme ein sehr kräftiges und symphonisches Stück. Überhaupt hört man durchaus auf “Shells” diverse Einflüsse von anderen Bands, mit denen Oliver Philipps die letzten Jahre zusammengearbeitet hat. Was durchaus positiv zu verstehen ist, denn gerade diese Einflüsse machen das neue Album so abwechslungsreich.
Obwohl es im ersten Moment recht fröhlich zu sein scheint, hat ‘Monster’, achtet man auf die Lyrics, einen doch viel ernsteren Hintergrund. Hier zum ersten Mal recht deutlich zu hören ist Philipps’ Ehefrau Helena Iren Michaelsen als Gastsängerin, die einen enormen Stimmumfang besitzt, denn hier steuert sie recht eindrucksvoll einige Growls hinzu. Ungefähr in der Mitte des Songs erfährt der reviewende Betreuer auch wieder, was ihn speziell bei Everon immer wieder vor Begeisterung aus dem Sitz gehoben hat: Die epische Wucht der Melodien und der Gitarrensoli.
Das Highlight auf “Shells” ist der Titelsong. Der melancholische, sanft schwebende Einstieg, mit der leichten Piano-Melodie, der folgende packende Refrain in Kombination mit diesen massiven, kräftigen Riffs und den Growls, lassen Behauptungen freien Lauf, dass dies vielleicht der heftigste Song in der Bandgeschichte sein könnte. Vielleicht sogar einer der besten. Das Hin und Her zwischen zerbrechlichen Klängen und harschen Metal-Ausbrüchen ist große Klasse!
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Wo wir eben noch von Gitarrensoli bei Everon gesprochen haben: In der zweiten Hälfte von ‘Grace’ geht’s wieder raus aus dem Sitz und beim erneut erstaunlich harten ‘Guilty As Charged’ fällt man beim Gamechanger im letzten Drittel des Songs zusammen, wie ein Pfund heiße Butter. Ein Gitarrensolo, bei dem jedem Progger Freudentränen die pickeligen Bäckchen hinunterlaufen müssten.
“If there’s a god in heaven. I’m sure he’s tired of all this crap…” heißt es in dem kleinen, aber feinen und auch eher ungewöhnlicheren Song ‘Children Of The Earth’, bis es mit ‘OCD’ das typische, aber “genauso überflüssig wie alle anderen” (Zitat: Oliver Philipps) instrumentale “Gefuddel” gibt. Überflüssig muss es nicht unbedingt sein, denn es macht immerhin mächtig Laune.
‘Until We Meet Again’ ist dann der eigentliche “Abschiedssong” für Christian Moos, der eigentlich nie ein Abschiedssong werden sollte. Dieser Song war genau der Song, an dem Oliver Philipps gearbeitet hat, als ihn die Nachricht vom Tod seines Schlagzeugers erreichte. Bedenkt man diesen Hintergrund, schleicht sich ein leicht mulmiges Gefühl ein. Das Stück hat musikalisch einen positiven Charakter, geht recht flott und frisch nach vorne, wobei Jason Gianni den Part des “Ersatzmannes” am Schlagzeug sehr gut einnimmt. Allerdings haut einen der herausragend gute, aber natürlich auch sehr emotionale Text, der bei Everon immer erst nach der Musik entsteht, massiv aus den Schuhen.
Wer sich die Trackliste des Albums ansieht, wird einen altbekannten Song entdecken. ‘Flesh’, der Titelsong vom Album aus dem Jahre 2002, wurde neu arrangiert und ist als Bonussong gedacht. Philipps war mit dem ursprünglichen Song nie ganz zufrieden und außerdem wäre eine gänzlich leere LP-Seite auch nicht das Gelbe vom Ei gewesen.
Bewertung: 13/15 Punkten
Besetzung:
Oliver Philipps – Vocals, Keyboards, Gitarre, Piano
Ulli Hoever – Gitarre
Michael “Schymy” Schymik – Bass
Christian “Moschus” Moos – Schlagzeug
Gäste:
Jason Gianni – Schlagzeug
Helena Iren Michaelsen – Vocals (2, 6, 7, 8, 9)
Leah McHenry – Vocals (4)
Surftipps zu Everon:
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Alle Abbildungen stammen von Mascot Label Group.