(48:04 + 1:04:20/2:20:04; Vinyl (3LP), Boxset (2CD + Blu-ray), Digital; InsideOut/Sony Music, 24.01.2025)
Als jemand, der Riverside seit ihren Anfangstagen folgt und die Band erstmals vor mittlerweile 20 Jahren in einem Würzburger Jugendzentrum live erlebt hat, ist es schon bemerkenswert, wie sich die Polen über die Jahre entwickelt haben und welche Professionalität das Quartett bei seinen Live-Auftritten mittlerweile an den Tag legt. Die Gefahr solcher Professionalität besteht allerdings darin, dass sich bei Konzerten schnell eine gewisse Routine einschleichen kann. Eine Routine, die eine gewisse Langeweile mit sich bringen kann, insofern man nicht nur einem einzigen Konzert einer Tournee beiwohnt.
Als Fan, der Riverside auf der zurückliegenden ID.Entity-Tour ganze dreimal live gesehen hat, weiß man um die Professionalität der Musiker und deren Routinen, sodass man von einem Tonträger, auf dem ein Konzert genau dieser Tournee festgehalten worden ist, kaum Überraschendes erwarten kann. Denn während der gesamten Tour ist nicht nur die Setlist quasi unverändert geblieben, auch vereinzelte Ansagen und Spielereien mit dem Publikum – wie etwa der Silent Scream beim abschließenden ‘Conceiving You’ – wiederholten sich von Auftritt zu Auftritt. Langeweile entstand bei diesen Konzerten trotzdem nicht, denn die oben erwähnte Professionalität der Musiker, ihre musikalischen Fähigkeiten, die positive Ausstrahlung und Attitüde sowie das durchweg starke Songmaterial sorgten dafür, dass man sich aus diesen Wiederholungen einfach nichts machte. Denn Riverside sind einfach eine unglaublich souveräne und mitreißende Liveband.
So darf man sich auch über “Live ID.” freuen, mit welchem Riverside ihren 2024er Auftritt in ihrer Heimatstadt Warschau für die Ewigkeit festgehalten haben – sowohl auf Tonträger als auch als Konzertfilm auf Blu-ray. Denn mit “Live ID.” machen die Polen nicht nur einen typischen Abend dieser Tournee (wieder-)erlebbar, der Mitschnitt dieses Heimspiels weiß zudem mit einem Sound zu überzeugen, den wohl nur wenige Fans während der Tour in dieser Qualität erleben durften. Vielleicht hätte man Maciej Mellers Gitarre neben Michał Łapajs Keyboards ein wenig mehr Raum geben können, doch das ist Geschmackssache. Dafür gibt es einen sehr druckvollen und plastischen Basssound auf die Ohren, der die Stimmung bei Zuschauern und vor der heimischen Anlage gleichermaßen anheizt. Dass man auf der Aufnahme zudem auch immer wieder das Publikum hört, vermittelt eine wunderbare Live-Atmosphäre. Das zeigt sich bereits zu Beginn der Aufnahme, denn mit ‘#Addicted’ und ’02 Panic Room’ gehen Riverside direkt mächtig in die Vollen, was die Zuschauer damit quittieren, dass sie bei letzterem Stück lautstark mitsingen. Dass die Stücke des aktuellen Albums “ID.Entity” diesen Liedern in nichts nachstehen, beweisen Mariusz Duda und seine Mitstreiter eindringlich mit dem anschließenden ‘Landmine Blast’.
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Alles in allem spielen die Warschauer sechs der sieben Stücke von “ID.Entity” – lediglich ‘I’m Done With You’ wird ausgelassen –, die sich immer wieder mit Tracks aus dem Backkatalog abwechseln. Auf ‘Big Tech Brother’ (bei dem es leider keine Live-Bläser gibt) folgen das verträumte ‘Lost (Why Should I Be Frightened By a Hat?)’ vom 2015er “Love, Fear And The Time Machine” sowie der beklemmende Longtrack ‘Left Out’ vom 2009er “Anno Domini High Definition”. ‘Post-Truth’ wirkt im Live-Kontext weitaus energetischer als die Studio-Version. Beim fast 16-minütigen ‘The Place Where I Belong’ darf vor allem Michał Łapaj mit seinen Orgel-Sounds glänzen. Und beim verspielten ‘Egoist Hedonist’ stellen alle vier Musiker noch einmal eindringlich unter Beweis, warum ein Stück auch nach dem 1000. Hören nicht langweilig sein muss, bevor man mit den wunderbaren Synthie-Sounds und der eingängigen Gesangslinie von ‘Friend Or Foe?’ vorführt, dass auch die neuen Stücke das Zeug zum Live-Klassiker haben.
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Und auch bei den Zugaben wagen Riverside noch einmal den Spagat zwischen Alt und Neu. Während das knapp zehnminütige ‘Self-Aware’ zu fallendem Glitzerkonfetti mit seinen Rush-Gedächtnis-Sounds begeistert, laden Riverside die rund 5.000 Zuschauer mit dem abschließenden ‘Conceiving You’ noch einmal zum Schwelgen, zum Einstimmen und zum stillen Schreien ein. Ein tolles Konzert, nach dessen Genuss man sicher sein kann, dass bei Riverside, trotz aller Routine, wohl niemals Langeweile aufkommen wird.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Mariusz Duda (vocal, bass)
Maciej Meller (guitar)
Michał Łapaj (keyboards and backing vocals)
Piotr Kozieradzki (drums)
Surftipps zu Riverside:
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Wikipedia
Rezensionen:
“ID.Entity” (2023)
“Riverside 20 Vol.1 (2021)”
“Lost’n’Found – Live in Tilburg” (2020)
“Wasteland” (2018)
“Eye Of The Soundscape” (2016)
“Love, Fear And The Time Machine” (2015)
“Walking On A Flashlight Beam” (2014)
“Shrine Of New Generation Slaves (2013)
“Memories In My Head” (2011)
“Anno Domini High Definition” (2009)
“Out Of My Head” (2004)
Liveberichte:
15.10.23, Esch-Uelzecht (LU), Rockhal Club
24.06.23, Valkenburg aan de Geul (NL), Openluchttheater, Midsummer Prog Festival 2023
16.04.23, Eindhoven (NL), Effenaar, Prognosis Festival 2023
15.09.22, Köln, Die Kantine
15.11.18, Oberhausen, Turbinenhalle
28.05.17, Köln, Die Kantine
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.