Bei Múr handelt es sich um ein aus Island stammendes Quintett, das im vergangenen November mit seinem selbstbetitelten Debüt eine beeindruckende Duftmarke setzen konnte und im Herbst gemeinsam mit Wheel und Monosphere auf Tournee war. Musikalisch lassen sich die Isländer nur schwer einordnen, da im Verlauf der gut 54-minütigen Spielzeit ein musikalischer Rundumschlag geboten wird, der so ziemlich alles abdeckt, was die aktuelle progressive Metalszene zu bieten hat. Gemein haben die sieben Stücke dabei nur, dass sie atmosphärisch unheimlich dicht gewoben und reich an Texturen, gleichzeitig aber technisch auch unheimlich ausgefeilt sind, was u. a. daran liegen mag, dass sämtliche Musiker über einen Jazz-Hintergrund verfügen. Außerdem ist der Gesang von Kári Haraldsson bei allen Stücken in isländischer Sprache gehalten, was der Platte das gewisse Etwas und in den clean gesungenen Passagen ein ganz besonderes Flair verleiht.
Wie zauberhaft das klingen kann, zeigt sich beim Opener ‘Eldhaf’, einem Post-Rock-Track par excellence, mit anfangs sehr zarter Atmosphäre, die sich, von einem Grollen im Hintergrund immer weiter verdichtet, von einem Gitarrenriff aufgepeitscht und mithilfe der raumfüllenden Synthies in Devin-Townsend-Sphären katapultiert wird, während schwere Doom-Riffs versuchen, das Stück am Boden zu halten. Ein Unterfangen, das nicht so recht gelingen mag, da Haraldssons Gesang und Hilmir Árnasons wunderbar progressive-melodisches Gitarrenspiel diese Schwere entgegenwirken und dem Stück so einen schier unendlichen Raum verleihen.
Spannung baut sich langsam auf.
In ‘Múr’ hingegen dominiert das Sinistere. Die Synthies verbleiben im Hintergrund, der Doom wird dominanter. Erinnerungen an Storm Corrosion und Black Sabbath werden wach, wären da nicht das bretternde, blackmetallastige Schlagzeugspiel von Árni Jökull Guðbjartsson und Haraldssons aus dem tiefsten Innersten kommende Growls. Ein bedrohliches Stück, das leicht Beklemmungsgefühle auslösen könnte.
Mit ‘Frelsari’ hingegen bewegen sich Múr auf Territorium, das eigentlich schon Bands wie Gojira und Meshuggah für sich beanspruchen, zumindest was die Rhythmik betrifft, die hier im Mittelpunkt steht.
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Und auch ‘Vitrun’ hat einen knackig-tighten Groove, wird ansonsten aber von den Keyboards dominiert, die im Sound an “The Congregation” von Leprous anknüpfen. Das Beeindruckendste an diesem Stück ist allerdings sein unheimlich verfrickeltes Gitarrensolo, das in einem Raum ohne Grenzen zu existieren scheint.
Mit ‘Messa’ gehen Múr dann noch einmal andere Wege, da hier die Avantgarde der jüngeren Leprous-Alben in Form von heavy Electronica auf Hardcore-Elemente trifft.
‘Heimsslit’ hingegen kann man nur als Gojira trifft Sigur Rós bezeichnen – und noch viel mehr. Denn obwohl beide Bands die gesamten elf Minuten Lauflänge mitschwingen, trägt dieses Stück mit seinem fetten symphonischen Songaufbau auch Elemente aus Shoegaze, Post Punk, Post Metal und Doom in sich. Welch ein Monster von Stück!
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Den Abschluss bildet mit ‘Holskefla’ ein weiterer Longtrack, der dreckig, groß und aggressiv zugleich erscheint, so in etwa, als hätten Strapping Young Lad und Russian Circles gemeinsame Sache gemacht.
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Das alles ist schon sehr beeindruckend: die Townsendsche Weite der Produktion, die stilistische Vielfalt, die technische Finesse der Musiker, der fette Groove der Rhythmik und die spannungsgeladene Atmosphäre des Albums. Allerdings wirkt “Múr” leider auch etwas unausbalanciert. Denn die hellen Seiten, die Múr so himmlisch leicht erscheinen lassen und dem Diabolischen im Sound die Waage halten, kommen, außer im Opener, leider etwas zu kurz.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Kári Haraldsson – Vocals, Keytar, Synthesizers
Árni Jökull Guðbjartsson – Drums
Hilmir Árnason – Guitar
Ívar Klausen – Bass
Jón Ísak Ragnarsson – Guitar
Diskografie (Studioalben):
“Múr” (2024)
Surftipps zu Múr:
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.