»Keine weitere “verlorene Platte von 1974”!«
Supergroup? Mit Nick DiSalvo (Elder, delving), Gitarrist Michael Risberg (dito) Bassist Ingwer Boysen (delving) und Gitarrist Ben Lubin (Lawns) könnte man davon ausgehen. Mit neuem Album und neuem Mitglied (Keyboarder Fabien de Menou von Perilymph) zum Quintett erweitert erschaffen sich die Wahlberliner ihre eigene “Oase”. Aber lassen wir die Band selbst zu Wort kommen…
Was war so dringlich daran, trotz sicher zeitaufwendigen Bands wie Elder und delving mit Weite nun noch ein weiteres Projekt zu initiieren?
Nick: Es gab nie die Dringlichkeit, andere Projekte zu starten – und Weite wurde eher durch Zufall zu einer Band. Ingwer hatte während der Pandemie die Gelegenheit, um Fördermittel für ein Aufnahmeprojekt zu beantragen. Und lud Michael und mich ein, daran teilzunehmen, da wir uns schon seit einiger Zeit kannten (und wir auch schon Ben zumindest teilweise angeworben hatten). Die ursprüngliche Idee für die Aufnahmen war völlig anders als das, was aus der Band letztendlich wurde. Selbst nachdem das erste Album “Assemblage” schon aufgenommen war, gab es erst etwas später eine Entscheidung, eine “richtige” Band zu gründen. Nämlich, als wir uns eingelebt hatten und das Gefühl hatten, dass es in dieser Formation mehr zu entdecken gab als nur eine einzelne Platte.
Können wir dann Weite wenigstens als 70er Inkarnation von beiden Bands sehen?
Nick: Nein, das glaube ich nicht. Weite hat neben unseren anderen Bands eine eigene Identität, die das Produkt von (mittlerweile) fünf Köpfen mit ihren unverwechselbaren Ideen und Musikgeschmäckern ist. Außerdem war keiner von uns in den 70ern dabei. Wir versuchen nicht, eine weitere “verlorene Platte von 1974” oder so etwas zu machen. Aber wir können auch nicht anders, als es als Kompliment zu betrachten, wenn die Zuhörer das Gefühl haben, dass unsere Musik in dieser Welt verwurzelt ist, da wir wahrscheinlich alle das Gefühl haben, dass wir eher in diese Ära gehörten als in unsere eigene.
Trotzdem sind die Tracks eures aktuellen Albums überaus episch geraten. Ich würde einmal darauf schließen, dass die Basis dieser eher als Improvisationen denn Kompositionen besteht…
Ingwer: Diesmal besteht die Grundlage größtenteils aus Kompositionen, aber es ist auch viel Improvisation in den Songwriting-Prozess involviert. Manchmal ist die Grundstruktur eines Songs oder eines Teils eines Songs sehr reduziert. Wir jammen eine Weile darauf herum und schauen, was damit passiert. Außerdem gibt es bei jedem Song Raum für Improvisation, weshalb jeder Song jedes Mal, wenn wir ihn spielen, etwas anders klingt.
Wir kam es trotz “Vollbeschäftigung” mit Elder und delving, dass noch nicht einmal ein Jahr nach “Assemblage” nun “Oase” erschien?
Ingwer: Wir haben schon vor dem Erscheinen von “Assemblage” angefangen, für “Oase” zu schreiben, weil wir uns schon sicher waren, dass wir mit der Band weitermachen wollten, und weil wir noch ein paar Songs für die Shows brauchten, die wir zur Unterstützung von “Assemblage” veranstalteten. Es schwirrten so viele Ideen herum, dass die meisten Songs ziemlich mühelos und schnell entstanden. Wie beim ersten Mal wollten wir nicht zu sehr über die Kompositionen nachdenken. Außerdem wollten alle unbedingt mehr Musik schreiben und wir wollten mit der nächsten Veröffentlichung nicht zu lange warten. Also haben wir einfach etwas Zeit im Studio gebucht und es hat funktioniert. Die meisten Songs waren innerhalb der zwei Wochen vor Aufnahmebeginn fertig.
»Allerdings können nur deutsche Fans es richtig aussprechen!«
Warum überhaupt WEITE?
Ben: Wir wollten etwas, das die epische Offenheit, die Weite und die Ausmaße unserer Musik repräsentiert. Da wir alle in Deutschland ansässig sind – obwohl nicht alle Deutsche – dachten wir, es wäre schön, das deutsche Wort dafür zu verwenden. Allerdings können nur deutsche Fans es richtig aussprechen!
Und warum Berlin als Basis und Hauptquartier?
Ben: Wie gesagt, wir leben alle in Berlin. Nur einer von uns ist Deutscher, Ingwer, er kommt ursprünglich aus Hamburg. Zwei von uns – die Elder-Jungs – kommen aus den USA, ich komme aus London und Fabien ist aus Paris. Ingwer ist dieses Jahr nach Berlin gezogen und es ist toll, ihn in der Stadt zu haben, da es viel mehr Sinn macht, wenn man zusammenkommt, um zu proben oder abzuhängen. Der Rest von uns lebt schon lange hier. Ich selbst bin mittlerweile seit über zehn Jahren hier.
»Wir sind alle Fans von Progressive Rock, sowohl modernem als auch klassischem.«
Woher nehmt ihr eure Inspiration?
Ben: Wir sind alle Fans von Progressive Rock, sowohl modernem als auch klassischem. Tatsächlich haben wir alle viel gemeinsam, was das angeht, was wir hören. Es ist vielleicht die erste Band, in der ich war, in der es so viele Überschneidungen gibt. Also ja, wir lassen uns von viel progressiver Musik inspirieren, sei es Progressive Rock, Jazz, Ambient, Electronica, Krautrock oder sogar Techno. Wir mögen auch den visuellen Aspekt und möchten, dass unsere Alben toll aussehen und ein Gesamtpaket sind – wir finden schöne Cover inspirierend und das ist natürlich bei viel Prog Rock von früher eine große Sache: Roger Dean usw. Persönlich finde ich es sehr inspirierend, mit den anderen zu spielen, und es hat mir geholfen, mein Spiel als Musiker deutlich zu verbessern. Von diesen Jungs lerne ich auch jede Menge großartige neue Musik kennen.
Wodurch wurde es es notwendig, die Band mit Fabien de Menou zum Quintett zu erweitern?
Ingwer: Nachdem wir die Basistracks für unser erstes Album als Vierer aufgenommen hatten, experimentierten wir viel mit Synthesizern und Tasteninstrumenten. Am Ende wurde das ein wichtiger Teil des Sounds der Platte und wir wollten es bei Live-Shows nicht missen. Wir sind alle Fans von Fabiens Band Perilymph und er ist ein großartiger Musiker. Er schien die naheliegende Wahl zu sein und wir haben es sehr genossen, mit ihm zu spielen. Als wir anfingen, an neuem Material zu arbeiten, dachten wir, es wäre großartig, ihn für die Aufnahmen und auch als vollwertiges Bandmitglied an Bord zu haben.
Bezüglich eurer jetzt anstehenden ausschweifenden Touren mit Weite, ist die Band da tatsächlich immer noch “nur” ein Sideproject?
Ben: Ich schätze, es begann ursprünglich als “Projekt” während der Covid-Zeit im Jahr 2021, als wir das erste Album aufnahmen: Ingwer bekam etwas Geld und wir nutzten es, um das erste Album aufzunehmen. Ich glaube nicht, dass wir es jemals als “Nebenprojekt” an sich konzipiert haben, obwohl wir wahrscheinlich nicht damit gerechnet haben, dass es so vielen Leuten gefallen würde. Und wir hatten auch nicht unbedingt vor, ein zweites Album zu machen oder damit auf Tour zu gehen. Aber das erste Album ist großartig geworden und wurde gut aufgenommen. Wir sind uns auch nähergekommen, als wir zusammengespielt haben, und so hat sich die Sache verselbstständigt. Und natürlich wurden wir alle im Laufe des Prozesses gute Freunde, also schien es nur logisch, dass jeder daraus eine “richtige Band” machen wollte, und das geschah ziemlich natürlich.
»Einer der Höhepunkte meines Lebens«
Eine letzte Frage an die Elders. Wie kam dass mit dem Tool-Support zu deren US-Tour und wie verlief dieser für euch?
Nick: Danny (Carey) hat uns eingeladen, Anfang des Jahres bei ihrer US-Tour als Vorgruppe aufzutreten. Wir haben ihn vor einiger Zeit fast zufällig kennengelernt und zum Glück mag er unsere Musik. Die Tour verlief großartig. Ich muss sie als einen der Höhepunkte meines Lebens bezeichnen und sicherlich als eine der aufregendsten Gelegenheiten, die wir je hatten – oder wahrscheinlich je haben werden. Wir haben noch nie wirklich eine Support-Tour gemacht und sind so etwas nicht gewohnt, geschweige denn in einem so großen Umfang. Aber die Band und die Crew waren einfach großartig zu uns und wir hatten eine unglaubliche Zeit. Jetzt geht es für uns zurück in die schmuddeligen Rockclubs, wo wir auch hingehören.
Besetzung:
Nick DiSalvo – Schlagzeug
Michael Risberg – Gitarre
Ingwer Boysen – Bass
Ben Lubin – Gitarre
Fabien de Menou – Keyboards
Diskografie (Studioalben):
“Assemblage” (2023)
“Oase” (2024)
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Rezensionen:
“Assemblage” (2023)
“Oase” (2024)
Abbildungen: Maren Michaelis / WEITE / All Noir