Dream Theater – Parasomnia
(1:11:15; Vinyl, CD, Digital; InsideOut/Sony Music, 07.02.2025)
Wiedervereinigungen in der Musikgeschichte waren schon immer monumental – gefeiert und bewegend. Denken wir an die triumphale Rückkehr von Adrian Smith und Bruce Dickinson für Iron Maidens “Brave New World” im Jahre 1999, Rob Halfords Rückkehr zu Judas Priest nach 15 Jahren für “Angel Of Retribution” oder das unvergessliche Live-8-Konzert in der Londoner O2 Arena, bei dem David Gilmour und Roger Waters nach drei Jahrzehnten wieder zusammenspielten. Wenn es jedoch um progressive Musik geht, lieferte kaum ein Ereignis so große Schlagzeilen wie die Ankündigung von Dream Theater im Oktober 2023. Nach 15 Jahren kehrte der beliebte Schlagzeuger und Gründungsmitglied Mike Portnoy zu seinen Bandkollegen John Petrucci und John Myung zurück. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und Fans warteten gespannt auf das neue Material der legendären Besetzung.
Im ersten Halbjahr 2024 machte die Band mit Teasern auf sich aufmerksam. Schließlich wurden im Oktober 2024 die erste Single ‘Night Terror’ sowie der Titel des Albums “Parasomnia” veröffentlicht. Die Begeisterung war enorm – schließlich waren über 15 Jahre vergangen, seit “Black Clouds & Silver Linings” (2009), das letzte Studioalbum mit Portnoy, erschienen war. Und eines ist sicher: Dream Theater haben mit diesem Album auf keinen Fall enttäuscht.
John Petrucci stellt seine einzigartige Produktionsqualität in den Vordergrund, während der legendäre Andy Sneap den Mix und das Mastering fachmännisch übernimmt. Sneap ist auch als Tontechniker tätig und arbeitet eng mit James „Jimmy T“ Meslin zusammen, einem langjährigen Mitglied des Dream-Theater-Teams. Der Titel “Parasomnia” bezieht sich auf störende, schlafbezogene Störungen wie Schlafwandeln, Schlaflähmung und Albträume. Tracks wie ‘A Broken Man’, ‘Dead Asleep’, ‘Midnight Messiah’ und ‘Bend The Clock’ greifen die Themen auf und erweitern sie, die durch den Titel des Albums inspiriert wurden.
Der erste Track, ‘In the Arms Of Morpheus’, beginnt mit einem spannenden Instrumental, das sofort eine dunkle und mysteriöse Stimmung aufbaut. Der Titel des Tracks – eine Referenz an Morpheus, den griechischen Gott des Schlafs und der Träume – deutet auf eine tiefere thematische Verbindung hin und etabliert die Atmosphäre des Albums. Portnoys unverwechselbares Trommeln und sein direktionaler Einfluss kommen deutlich zur Geltung. Im Verlauf nimmt “Parasomnia” die Hörer mit auf eine Reise, die klar den einzigartigen Stil der Band widerspiegelt.
Da bereits viele Artikel über die beiden Songs ‘Night Terror’ und ‘A Broken Man’ geschrieben wurden, bleibt festzuhalten: Laut der Band selbst ist ‘Night Terror’ die größte Single der Band seit dem legendären ‘Pull Me Under’ im Jahr 1992 – und das vollkommen zurecht. James LaBrie meistert die stimmlichen Übergänge in dieser intensiven Single mit Leichtigkeit. Während der letzten Europa- und Südamerika-Tour hatten die Fans Grund zur Freude, da die Band ‘Night Terror’ in jede Setlist integrierte.
‘A Broken Man’ zeigt die kreative Vielseitigkeit der Band, indem sie verschiedene Subgenres und fließende Übergänge kombiniert. Besonders in Instrumentals glänzt der Song, wobei John Petrucci mit seinen präzisen Soli sofort überzeugt und Portnoys vielfältiges Trommeln fasziniert. Jordan Rudess verleiht dem Lied mit seinem Pitch-Blending auf dem Keyboard eine besondere Note, die stellenweise an den Disco-Sound der 80er erinnert. Wenn die Vocals wieder einsetzen, fügt sich alles perfekt zusammen und macht den Song zu einem Highlight. Gleichzeitig bleibt ‘A Broken Man’ dem Thema von “Parasomnia” treu und erzählt von einem Kriegsveteranen, der unter Albträumen und Schlaflosigkeit leidet. Während mich ‘Night Terror’ an “Systematic Chaos” und “Black Clouds & Silver Linings” erinnerte, weckt ‘A Broken Man’ Assoziationen zu “Train Of Thought” und “Six Degrees of Inner Turbulence”. Insgesamt bietet das Album ein umfassendes und klassisches Dream-Theater-Erlebnis.
Was mir an diesem Album besonders auffällt, ist die Kontinuität. Das Ende von ‘In the Arms Of Morpheus’ geht ganz fließend in ‘Night Terror’ über und behält dabei die gleiche Stimmung bei. Ebenso leitet der Chorus von ‘A Broken Man’ perfekt das klaviergetriebene Intro und Outro von ‘Dead Asleep’ ein – fast so, als würde die Melodie direkt in den Traum des Protagonisten übergehen. Diese Verbindung zwischen den Songs schafft ein Hauptthema, das schließlich zum Abschluss des Albums führt, auf den wir später noch eingehen werden.
Als wahre Meister des musikalischen Storytellings schaffen Dream Theater in ‘Dead Asleep’ eine Erzählung, die Erinnerungen an ‘Beyond This Life’ aus “Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory” wachruft. Der Song deutet auf eine Geschichte hin, in der ein Mann möglicherweise seine Frau im Schlaf ermordet hat. James LaBries kraftvolle Leistung verleiht der Erzählung Tiefe und Emotionen und macht den Track zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Neben der Melodie und den Emotionen zeigt die Band auch ihr schnelles Tempo. Mike bringt mit ‘Midnight Messiah’ seine Rückkehr zum Songtext-Schreiben und zur Thrash-Metal-Energie. Ich bin mir sicher, dass diese Energie die Fans auf der Live-Tour sicher begeistern wird.
Das zweite Instrumental des Albums, ‘Are We Dreaming’, sorgt für einen fließenden Übergang.
Es hält die Kohärenz des Albums aufrecht und führt nahtlos in ‘Bend The Clock’ über. John Petruccis Outro-Solo in dieser Ballade ist voller Emotionen und fängt perfekt die Kämpfe des Protagonisten mit Schlaf und Schlaflosigkeit ein. Dies zeigt, warum er einer der melodischsten und ausdrucksvollsten Gitarristen ist, während LaBries Gesang die Lyrics tiefgehend zum Leben erweckt.
Das Album endet mit seinem längsten Track, einer Formel, die Dream Theater in vielen ihrer Alben erfolgreich verwendet. ‘Shadow Man Incident’ setzt das instrumentale Intro auf die Bühne, wie der Name schon andeutet, für die Geschichte einer schattenhaften Figur. Der Song bietet Rudess‘ dynamische Keyboard-Samples, Petruccis kraftvolle Soli und Portnoys mächtige Drum-Fills im grandiosen Finale, das zurück zu den Themen des Album-Starts führt. Mit 19 und einer halben Minute fühlt sich diese epische Reise an, als verginge sie im Handumdrehen und wird die Fans mit vielen Emotionen und Lächeln zurücklassen.
2024 war ein emotionales Jahr für die Band und ihre Fans. Trotz des persönlichen Verlusts durch den Trauerfall in Portnoys Familie (Schwester) spielten Dream Theater weiterhin während ihrer Tour und schufen unvergessliche Momente für das Publikum, von denen ich das Glück hatte, eines der Konzerte in Europa zu erleben (einige Fotos sind unten angehängt). Ihre Hingabe und Leidenschaft waren stets unerschütterlich, und dieses Comeback war der Moment, auf den die Fans gewartet haben.
“Parasomnia” bleibt dem klassischen Sound von Dream Theater treu, während es neue und dunklere Themen aufgreift. Jeder Track ist mit vielen Details versehen und macht das Hören zu einem lohnenden Erlebnis. Dieses Album festigt nicht nur ihr Erbe, sondern ist auch ein starker Kandidat für eines der besten Progressive-Metal-Alben des Jahres.
Bewertung: 14/15 Punkten (FF 11, KK 14)
Parasomnia (24-bit HD audio) von Dream Theater
Besetzung:
James LaBrie – Vocals
John Petrucci – Guitar
Jordan Rudess – Keyboards
John Myung – Bass
Mike Portnoy – Drums
Diskografie (Studioalben):
“When Dream And Day Unite” (1989)
“Images And Words” (1992)
“Awake” (1994)
“Falling Into Infinity” (1997)
“Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory” (1999)
“Six Degrees Of Inner Turbulence” (2002)
“Train Of Thought” (2003)
“Octavarium” (2005)
“Systematic Chaos” (2007)
“Black Clouds & Silver Linings” (2009)
“A Dramatic Turn Of Events” (2011)
“Dream Theater” (2013)
The Astonishing” (2016)
“Distance Over Time” (2019)
“A View From The Top Of The World” (2021)
“Parasomnia” (2025)
Surftipps zu Dream Theater:
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Rezensionen:
“A View From The Top Of The World” (2021)
“Distant Memories – Live In London” (2020)
“Distance Over Time” (2019)
“The Astonishing” (2016)
“Dream Theater” (2013)
“A Dramatic Turn Of Events” (2011)
“Black Clouds And Silver Linings” (2009)
“Systematic Chaos” (2007) (KS)
“Systematic Chaos” (2007) (KR)
“Score” (2006)
“Dark Side Of The Moon” (2005)
“Octavarium” (2005)
“When Dream And Day Reunite” (2004)
“Live At Budokan” (2004)
“Train Of Thought” (2003)
“Live Scenes From New York” (2001)
“Metropolis Pt.2: Scenes From A Memory” (1999)
“Once In A Livetime” (1998)
Liveberichte:
12.11.24, Esch-Uelzecht (LU), Rockhal Box
12.01.20, Oberhausen, Turbinenhalle
11.02.17, Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
10.03.16, Bochum, RuhrCongress
09.02.02, Oberhausen, Arena
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.