Ckraft – Uncommon Grounds

Ckraft - Uncommon Grounds (Inouie Distribution/Blood Blast, 17.01.2025) COVER(34:24; CD, Digital; InOuïe Distribution/Blood Blast, 17.01.2025)
Ich war ja noch nie auf dem Würzburger Freakshow Artrock Festival. Aber wenn die dort vertretenen Bands allesamt so freaky klingen wie die Pariser Formation Ckraft, die dort im Jahre 2022 aufgetreten ist, dann hat dieses Event seinen Namen mehr als verdient (hat es, d. Schlussred.). Der englische Begriff Freaks kann im Deutschen mit dem unschönen Begriff ‘Krüppel’ übersetzt werden. Besser allerdings trifft die Interpretation als ‘Laune der Natur’ den Nagel im Falle der Franzosen auf den Kopf. Oder vielleicht noch besser, frei ausgedrückt, Launen der Musik – und zwar ausgesprochen wilde Launen, die im Zusammenspiel eine abstoßende, da überfordernde Wirkung haben. Eine Wirkung, die aber trotzdem etwas Reizvolles, Faszinierendes und Anziehendes hat, eben wegen ihrer Andersartigkeit. Womit wir schon bei einer weiteren Deutung des Begriffes Freak angekommen wären. Denn als Freaks werden ja auch Menschen bezeichnet, deren Begeisterung für eine Sache das Normalniveau um Weiten übersteigt. So muss man schon ein echter Freak sein, um sich die Zeit zu nehmen, um zu Ckrafts Musik durchzudringen. Zeit, die es sich jedoch lohnt, zu investieren, denn der musikalische Ansatz der Franzosen ist nicht nur fordernd, sondern auch belohnend. Ckraft verstehen es nämlich, die beiden Elemente ihres Namens eindrucksvoll miteinander zu verbinden: Handwerkskunst (‘craft’) und Stärke (‘Kraft’).

Teapot of the Week
“Teapot of the Week” auf Betreutes Proggen in der KW3/2025

Die Stücke auf “Uncommon Grounds” haben größtenteils ein Fundament aus mittelalterlich anmutender Musik. Dabei handelt es sich allerdings weniger um die Melodien der Spielleute, Ménestrels und Wandersänger jener Tage, sondern um die Klänge, die seinerzeit in den Gotteshäusern erschallten. Allerdings wird dieses Fundament nicht unbedingt schon beim ersten Durchgang von “Uncommon Grounds” deutlich. Zu prägnant, zu dominierend sind nämlich die beiden anderen Aspekte im Sound der Truppe, nämlich Metal an der Schnittstelle zwischen Groove und Djent sowie Free Jazz. So sind da einerseits die fetten Gitarrenriffs und die treibende Rhythmik, die stark an Bands wie Meshuggah und Gojira angelehnt sind und auch immer wieder an den Sound von Rage Against The Machine erinnern (wie besonders im Mittelteil des Opening-Tracks ‘All You Can Kill’ deutlich wird), andererseits die wilden, von John Coltrane inspirierten Jazzeskapaden, für die vorwiegend Charles Kieny mit seinem Synthesizer-Akkordeon und Saxofonist Théo Nguyen Duc Long zuständig sind. Lauscht man allerdings genauer und achtet darauf, was unter diesem schweren Jazz-Metal-Mantel versteckt liegt, dann wird man an den fadenscheinigen Stellen Melodien durchschimmern sehen, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen und die auf einer Orgel gespielt eine jede Kathedrale erfüllen würden. “Uncommon Grounds” ist dabei nicht nur von historischen Vorbildern inspiriert, sondern greift Aspekte mittelalterlicher Stücke teils konkret auf, wie etwa ‘Pageantrivia’, dessen Melodie dem Gregorianischen Gesang ‘Salve Regina (Tonus Solemnis)’ entlehnt ist (dessen Text und Melodie wiederum auf das 11. bzw. 17. Jahrhundert zurückgehen).

Passenderweise wurde das Video zu dieser beeindruckenden Nummer in der Kathedrale von Metz aufgenommen.

Im Stück ‘Misconstruction Of The Universe’ hingegen verwenden Ckraft den gregorianischen Choral ‘Universi Qui Te Expectant’.

Charles Kieny erklärt seine Faszination für diese Art von Musik wie folgt:

Ich habe mich schon immer für mittelalterliche Architektur und Handwerkskunst interessiert, aber so richtig ins Rabbit Hole gefallen bin ich an der Universität. Ich studierte die Geschichte der alten Musik, und der Dozent zeigte uns einen gregorianischen Choral: ‘Victimae Paschali Laudes’. Es war das erste Mal, dass ich eine echte Melodie aus dem Mittelalter hörte. Ich wusste nicht, dass sie mich jahrelang verfolgen würde. Später belegte ich Kurse für gregorianischen Chorgesang und mittelalterlichen Kontrapunkt und wurde von diesen Themen geradezu besessen.

Und doch ist die Musik von Ckraft am Ende, trotz aller Bezüge zu kirchlicher Musik, vor allem eines: unorthodox. Wahrscheinlich wären Ckraft im Mittelalter, mit solch revolutionären Interpretationen gregorianischer Gesänge, wegen Vorwürfen der Blasphemie noch auf dem Scheiterhaufen gelandet – als Freaks, als musikalische Missbildungen der Natur. Wie gut, dass sich die Zeiten geändert haben.
Bewertung: 12/15 Punkten


Uncommon Grounds von CKRAFT

CkRAFT - Uncommon Grounds (Inouie Distribution/Blood Blast, 17.01.2025)
CkRAFT – Uncommon Grounds (Inouie Distribution/Blood Blast, 17.01.2025)
Besetzung:
Charles Kieny – synth-accordion
Théo Nguyen Duc Long – saxophone
Antoine Morisot – guitar
Marc Karapetian – bass
William Bur – drums

Surftipps zu Ckraft:
Homepage
Facebook
Instagram
TikTok
Bandcamp
YouTube
Spotify

Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.