(1:04:17; Vinyl, Digital; Undressed Records/Recordjet/Edel, 12.12.2024)
Mit Post Punk bin ich seit frühesten Jahren sozialisiert und als regelmäßiger Besucher des WGT sind mir Grundeis (was für ein geiler Bandname!) aus Hamburg tatsächlich bisher durch die Lappen gegangen trotz umfangreicher Tour und WGT-Präsenz. Das Debüt “Amygdala” aus dem Jahre 2021 blieb somit ebenfalls bis dato ungehört (wird definitiv noch nachgeholt). Dafür kann ich mich um so mehr für die neue Rille “Every Second An Ocean” erwärmen. Verwaschener Gitarren-Sound mit viel Shoegaze-Hall, noisigem Indie Pop, Wave und düsterem Post Punk als Hauptzutaten bringt die Hamburger schnell ins dafür sensibilisierte Herz und Gehörgang.
Verhalten, zwischen zurückhaltend und hymnisch düster im Refrain startet Grundeis im Opener ‘Distanced Far Gone’ und hat mit Sängerin Laura Müller eine sensible, emotionale und leidenschaftliche Performerin am Mikro, die stimmlich irgendwo zwischen Hope, Midas Fall, Björk, Desperate Journalist und Katharina Franck (Rainbirds) agiert. ‘Relentless’ folgt mit im Zaum gehaltener Wut, noisigem Shoegaze, der immer kurz vor dem Knall durch die Decke steht. Ein wenig wie Xmal Deutschland in den schleifenden Goth-Gitarren, die belgischen Shooting Stars Whispering Sons ebenfalls in atmosphärischer Nähe, drückt und presst sich das fordernde ‘Never Gonna Heal’ in die Gehörgänge. Feine Piano-Texturen hier und da lassen dennoch kein Licht in den immer leicht verzweifelten Grundton dringen. Feinster Wave Rock im melancholischen ‘Plain Sight’ erinnert mich positiv an die aktuelle Variante der Briten von Desperate Journalist. Es fließt sanft, später rockiger durch dunkle Räume – ein Sound voller Melancholie und unerfüllter Sehnsucht nach Katharsis. Laura singt brüchig, aber immer mit voller Inbrunst gegen den Schmerz. Das feine driftende Soundbett aus mal dunkel perlenden, dann wieder verschwommenen Shoegaze-Gitarren bietet der Sängerin ein dichtes und solides Fundament. ‘Graviton’ weckt mit seiner anfänglichen Zerbrechlichkeit nostalgisch ätherische Cranes-Assoziationen, singt Müller hier wie ein verletztes Mädchen.
Im weiteren Verlauf geht sie nebst Band wieder in den flehenden kämpferischen Modus und als Siouxsie Sioux-Stil wahrgenommene Phrasierungen wird die Sängerin hoffentlich nicht als Beleidigung erleben. Erneut wunderschön fließend und wavig schwerelos nimmt Dich ‘Another Life’ an die Hand – ein mit erneut viel Sehnsucht aufgeladener Mini-Hit. ‘Quit’ rauscht etwas durch, um so mehr holt einen der “Disintegration”-Groove von ‘Strange’ dank der vielen schönen The-Cure-Gitarrenmotive ab. Auch hier gibt es durch die leidenschaftlichen Vocals und gekonnte Steigerung der Dynamik berauschende Momente. Der sechsminütige Titelsong lebt ebenfalls gekonnt von perlenden Goth-Akkorden, entrücktem Shoegaze/Dream Pop-Appeal und zelebriert aufbrausende Momente, die viel dynamisches Feingefühl an den Tag legen. Treibend, frech und ebenfalls mit poppiger Schlagseite in Richtung The Cure schneidet sich die Single ‘Ignoring People’ mit störrischen Riffs und Up-Tempo ihren Weg durch die urbanen Widrigkeiten. Angst-Pop und passive Aggression im kurzen ‘Bizarre’ haben fast Punk Vibe, sind vom kantigen Post Punk der Whispering Songs nur einen Wimpernschlag entfernt. Verlorenen desillusioniert klingt ‘As Close As It Gets’ mit luftigen Drums und The Cure-Gitarren. Mit dem episch langen ‘Slide Open’ als Rausschmeißer zementieren Grundeis mit ihrem Zweitwerk ein starkes Stück Post Punk aus deutschem Lande, bei dem der Vergleich zum Debüt schuldig bleibt. Alles ist dicht ineinander verzahnt, verwaschen organisch in Szene gesetzt. Sängerin Laura ist der akustische Mittelpunkt, mit ihr steht und fällt das Wohlbefinden. Mag man ihre leidend emotionale Stimme, hat mit verwaschenem Shoegaze und viel The Cure im Gitarrenspiel keine Probleme, hält man mit “Every Second An Ocean’ ein kleines dunkles Kleinod in den Händen, so viel ist sicher.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Line-up:
Laura Müller – Gesang, Gitarre
Nils Pfannenschmidt – Gitarre
Tobias Rutkowski – Bass
Andreas Mann – Schlagzeug
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Starkult zur Verfügung gestellt