(50:32; Digital, CD, LP; Mascot/Rough Trade, 06.12.2024)
Man sagt, ein Besuch beim Gottesdienst von Al Green war für Sänger Pablo van de Poels so etwas wie eine spirituelle Erleuchtung. Fakt ist – das holländische Retro-Trio geht nach dem bereits sehr Blues&Soul-lastigen Vorgänger noch konsequenter diesen Weg, was zur Aufnahme des aktuellen Longplayers im berühmten Alabama führte, welches die geschichtsträchtigen Fame-Studios, sowie das Muscle Shoals Sound Studio beherbergt, in dem bereits die Rolling Stones, Cher, Wilson Pickett, Lynyrd Skynyrd und nicht zuletzt die immer noch sehr angesagten Black Keys ihr Erfolgs-Album “Brothers” einspielten. Also, musikalische Geschichte bis zum dorthinaus, bis zu weit über 50 Jahre zurück, als Soul, Southern, Blues und Gospel-Elemente mit klassischen Rock-Klängen fusionierten. Diese Suche nach Authentität beseelte bereits den Vorgänger und durchströmt um so mehr die aktuelle zehnte Rille der Holländer. Aufgenommen in beiden Studios, entstand ein extrem musikalisches Album, was mit einem Input an Einflüssen und Stilistiken ohne qualitative Schwachstellen den Winter zum Sommer macht. Weg vom eher psychedelischen Rock der frühen Jahre gibt man sich sowas von lässig, melodiös, funky, bluesig und vor allem mit vielen Soul-Einflüssen musikalisch offenherzig und herrlich retro im Sound.
Der Opener ‘In Love’ knarzt mit schönen fuzzigen Rock, Orgel und mehrstimmigen Vocals erstmal direkt auf die Zwölf! Locker, flockig mit ordentlicher Black Keys-/Rival Sons-Schlagseite groovt ‘Natural Woman’ erneut mit lässiger, sommerlicher Attitüde selbstbewusst im offenen Verdeck. Das charmante, eher entspannte ‘Out On the Town’ offeriert einiges an Soul in den höheren Vocals, Hammond und akzentuiertes Riffing bleiben verspielt und klingen wundervoll aus der Zeit gefallen. Ein riesiges Kompliment für die Wahnsinns-Balladen auf diesem Album, exemplarisch das leider viel zu kurze ‘Let’s Stay Together’ – was für ein Riff, was für eine wundervolle Melodie! Strange, fast indianische Chöre eröffnen das treibende funky Hammond-Rock-Stück ‘Ophelia’, welches mit seinem Groove und erneut grossartigen Retro-Melodien wie von alleine lange Haare und Schlaghosen vor das geistige Auge wirft. Bei ‘Truce’ mit seinen frechem Up-Tempo Moves landet man wie selbstverständlich bei den Black Crowes, so sehr sind die Art Melodieführung und Groove unweigerlich im selben schmutzigen Rock’n’Roll-Sumpf getränkt worden. Knallige Bläser, Gospel-like Chor-Gesänge und Piano-Geklimper sind als feines Gimmick ein weiteres Sahnehäubchen. Die Band selbst schwärmte von der Tour mit den schwarzen Krähen, zählen diese doch zu eine ihrer größten Inspirationsquellen.
Feinster Blues in ‘Hard To Make A Buck’ wird mit einer Easyness und Eingängigkeit in die Jetztzeit transferiert, dass ein wohlfeiles Grinsen beim Hören überhaupt nicht vermeidbar ist. Fingerschnippender Swing, Bläser, etwas Jazz lässt uns in ‘Book Of Life’ über die fast dreiste Offenheit nur noch staunen – die Verbeugungen und Respektbekundungen an die gute alte Zeit des Rock’n’Roll durchströmen jede Note des Albums. Hammond-Wahnsinn und erneute Female Background-Chöre machen das funkige ‘Fools & Horses’ zu einem abgedrehten Volltreffer, während das längste, sehr atmosphärische Stück ‘Snowbird’ auf einem LSD-Trip geschrieben wurde, als die Band John Coltrane hörte. Hier steigt man dann doch nochmal in psychedelische Zwischenwelten ab, was auch so manchen Alt-Fan der Band eventuell ein wenig milde stimmen wird. Kurz, bleibt dies doch die Ausnahme. Mit der hypnotischen Ballade ‘Ships In The Night’ wird man aus einem besoners bunten Rock-Album entlassen- Das – so man es geknackt und den Kern erfasst hat – zu einem der Vintage-Alben 2024 gekürt werden darf.
Wer die niederländischen Musiker schon live erleben durfte (der Betreuer zuletzt im Vorprogramm der Black Crowes im Rahmen ihrer “Shake Your Money Maker”Jubiläums-Tour 2022), wird bestätigen, dass da drei verrückte aus der Zeit gefallene Hippies mit einer extra Portion Herz und Leidenschaft auf der Bühne stehen. “Muscle Shoals” ist ein durch und durch musikalisch beseeltes Vintage-Album, mit tollen Balladen und entspannten Grooves und Melodien, die fast durchgehend positiv und optimistisch den Hörer in die Entdeckerzeit des wahren Rock’n’Roll zurück beamen. Songs über die Liebe, das Auf und Ab von Beziehungen, Mythen und Leidenschaften mit einer hervorragenden authentischen Produktion für diese Art von Sound.Bewertung: 13/15 Punkten
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Abbildungen: DeWolff / Mascot / Netinfect