(42:20; CD, Digital, Vinyl; Pelagic Records, 08.11.2024)
Die Franzosen Klone sind mit regelmäßigen Veröffentlichungen am Start, die Qualität ist ähnlich wie bei Artverwandten wie The Pineapple Thief immer zwischen sehr gut und herausragend. “The Unseen” reiht sich perfekt in die Diskografie der Franzosen ein, so viel vorweg. Ein noch Mehr an Atmosphäre, an Melancholie, was natürlich fast zwangsläufig die Kanten und metallischen Anflüge fast gänzlich aus dem Sound verschwinden lässt. Das alles passiert bei Klone letztlich fließend. Die großen Brüche zu den Vorgänger-Alben fühlen sich trotzdem nicht eklatant an, da der Fokus eh auf der markanten Stimme von Sänger Yann Ligner und den geschmeidig entrückten Melodien der Franzosen liegt. Melancholie, zurückgelehnte Grooves, instrumentale Dichte und ein sanftes Maß an Progressivität, ähnlich der letzten The Pineapple Thief, lassen die sieben neuen Songs wie am Faden gezogen klingen.
Mit dem entspannten, aber unterschwellig drückenden Opener ‘Interlaced’ ist man sofort in der Band-typischen Melodik gefangen. Angedeutete Aggression, eher ein gesundes Maß an Dringlichkeit, definiert die Vocals und die Hooks. Und wenn der Song am Ende mit Saxophon ein sehr stimmiges ausfadendes Crescendo kreiert, fühlt man sich an so manch gelungenen Solo-Song eines Steven Wilson erinnert. Toller Einstieg allemal und der erstmal vorsichtig agierende Titelsong fließt danach mit fein akzentuiertem Bass und wohl temperiertem Gitarrendruck nach und nach in die Vollen – gekonntes Spiel mit der Dynamikkurve ohne Wenn und Aber. Man hört Yann einfach gerne zu, die Stimme ist angenehm prägnant, immer pendelnd zwischen Melancholie, Monotonie und angedeuteter Wut. Es weht immer ein liebenswerter Hauch alter Grunge Sounds von Temple Of The Dog, frühen Tool oder den leidenschaftlichen Balladen des Pearl-Jam-Debüts im Sound der Franzosen. Auch Freunde der emotionalen Düster-Fraktion zwischen ruhigen Katatonia und Anathema sollten sich angesprochen fühlen.
Das kurze, rockige ‘Magnetic’ geht bestens ins Ohr und hätte gut und gern noch ‘ne Wall of Sound am Ende verdient. Mit dem knapp vierminütigen ‘After The Sun’ hat die Band mich dann so richtig erwischt. Ein wunderschöner kleiner Schmerzpunkt ist dieser Song, definitiv der Hit des Albums und auch hier hätte ein etwas tiefer schürfendes Crescendo und ein mehr an Zeit lassen den Kessel bersten lassen. Manchmal ist mir das zu sehr mit der Handbremse agiert, es ändert aber nichts am Wohlklang und der Qualität der Songs. Relaxt, bluesig und etwas “Late Night” im Sound tönt das sehnsüchtige ‘Desire Lines’. Auch hier ist die Melodieführung dicht am sonstigen Material des Albums, was ich als Kompliment verstanden wissen will. Die Franzosen schaffen es jederzeit, auf unaufgeregte Weise einen dichten Flow zu generieren. Ein bisschen Riverside hier, Porcupine Tree da – es gibt definitiv schlechtere Referenzen. Langsam, mit etwas mehr an Heavyness, phrasiert sich die Band mit vielen feinen atmosphärischen Details durch das hypnotische ‘Slow Down’, um dann mit dem überlangen Zwölfminüter ‘Spring’ ein driftendes, teils kraftvolles, nochmal sehr eindringliches Finale zu performen. Freunde des melancholischen New Artrock mit alternativer Schlagseite werden auch auf diesem Album die meisten Fragen zufriedenstellend beantwortet bekommen. Klone sind auf ihre ganz eigene Weise spektakulär unspektakulär, schaffen mit feinen kleinen Pinselstrichen wohl temperierte Bilder, die in ihren Ausschlägen nie zu sehr in Extreme geraten. Hypnotisch, gern auch mal mit einer gewissen Monotonie behaftet, könnte die Dynamikschraube hier und da gern mal über den Schmerzpunkt hinaus musizieren.
Bewertung: 12/15 Punkten
Diskografie (Studioalben):
“Duplicate” (2003)
“All Seeing Eye” (2008)
“Black Days” (2010)
“The Dreamer’s Hideaway” (2012)
“Here Comes The Sun” (2015)
“Le Grand Voyage” (2019)
“Meanwhile” (2023)
Surftipps zu Klone:
Homepage
bandcamp
Facebook
Spotify
YouTube
Soundcloud
Deezer
Wikipedia
Festivalbericht: 25.06.2022,Valkenburg aan de Geul, Openluchttheter Midsummer-Prog-Festival 2022
Rezension: “Meanwhile” (2023)
Rezension: “Alive” (2021)
Rezension: “Le Grand Voyage” (2019)
Rezension: “Unplugged” (2017)
Konzertbericht: 05.10.2015, München, Backstage
Cover und Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Pelagic Records