Geoff Tate, Ivory Lake, 02.11.2024, Siegburg, Kubana

Operation: Blabbercrime



Vorab, weil wichtig: Weder Artist noch Venue konnten das Geringste dafür, wurden ganz im Gegenteil sogar davon geschädigt. Wovon? Habe schon ein paar Konzerte und ein paar Konzertgänger erlebt. Aber die Meute, die sich an diesem Samstagabend für “Geoff Tate’s Big Rock Show Hit Tour” eingefunden hatte – aus welchen Gründen auch immer – war wirklich ungewöhlich rüpelig bis rücksichtslos. Zehnmal lieber in einen Wacken-Moshpit als genau dieses Arrangement nochmal zu erleben…

“Du willst aufs Klo? Mir doch egal, ich ramme Dir jetzt erstmal meinen Ellenbogen in die Seite, damit Du hier ganz sicher nicht durchkommst.” Ist man im Kampfsport ja eigentlich durchaus gewöhnt. Doch nicht auf einem emotional besetzten Konzert – und die Rempeleien waren noch nicht mal das Unangenehmste. Schlimmer war, dass man sich offensichtlich ins Kubana verabredet hatten, um sich gegenseitig sein Leben zu erzählen. Vom Einlassbeginn an bis zu den Zugaben gab es nur Gebrüll und Geplapper in der Hütte.

Ivory Lake

Am übelsten war diese Geräuschkulisse – wie erwartbar – beim Support Act – Josh Watts alias Ivory Lake. Warum dieser wohlgestalte junge Mensch (geboren in Sheffield, jetzt in Alicante abgebildet) solo mit Akustikgitarre einen Prog Metal Act wie Geoff Tate eröffnen durfte, erschloss sich auch erst beim Nachforschen: Josh hat schon mal als Schlagzeuger für Geoff gearbeitet.

Die nun eine halbe Stunde lang offerierten Pop-Songs wie z. B. ‘Don’t Talk‘ oder das melancholische ‘Reckless Enough To Be Free’ mögen vielleicht nicht der optimale Anheizer gewesen sein. Hatten es aber auch nicht verdient, komplett totgequatscht zu werden.

Was auch keiner im komplett ausverkauften Club verdient hatte: Jetzt von 20 bis 20:45 Uhr auszuharren, während umbautechnisch auf der Bühne praktisch nichts passieren musste. Und auch tatsächlich nix passierte. Hier muss es sich wohl wirklich um unglückliche Konzertorganisation gehandelt haben. Denn Geoff hatte bereits vorab kommuniziert, dass es bei ihm erst um Viertel vor Acht losgehen würde. Warum also Josh nicht noch etwas länger spielen lassen? Nobody knows.

Geoff Tate

Aber irgendwann war auch dieses (natürlich beim Warten immer nur noch heftiger werdende) Geprolle und Gelärme überstanden. Und er erschien, auf den alle gewartet hatten. Frohgemut, zwar ohne Stock. Aber der Jägerhut mit Feder stand ihm auch so gut.

Ein fettes “Orchester”-Intro vom Band führte uns ein ins immer wieder gern erlebte ‘Empire’.

Stirnrunzeln beim zweiten Song – ‘Desert Dance’ von “Tribe” hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Wird auch nach dieser Live-Aufführung mit etwas quengelndem Gesang kein Lieblingssong werden. Aber wenn man die Wahl des Liedgutes mal außen vor lässt und sich nur mit dem Vortrag beschäftigt: Geoffs Kopfstimme kann immer noch “schneiden”.

Auch Queensrÿches “Promised Land” zählt ja nicht gerade zu den Publikumslieblingen. Aber nur ‘I Am I’ mal wieder zu hören war schön.

Bei “Q2K” sieht es kaum besser aus. Hier sollte uns nun ‘Sacred Ground’ zum Umdenken bringen. Na ja.

Dann doch lieber rauf auf die ‘Thin Line’ (“Empire” again)! Eingeleitet von einem (später noch einmal zurückkehrenden) Saxophon-Part vom Zeremonienmeister.

Nun aber Schluss mit dem Vorgeplänkel: ‘Operation: Mindcrime’, Ladies and Gentlemen! Unkaputtbarer Kult. Gefolgt von ähnlich unwiderstehlichem Material wie ‘I Don’t Believe In Love’, ‘Walk In The Shadows’, ‘Another Rainy Night (Without You)’ oder dem Crowd Pleaser ‘Jet City Woman’.

Längere Ansage von Geoff – wenn auch kaum zu verstehen durch das Dauergesabbel:

Ich LIEBE Deutschland.
Ich bin hier geboren.
Meine Frau kommt aus Freiburg
Und ich treffe hier immer wieder auf Menschen, die mir erzählen, wie wichtig diese Songs für ihr Leben waren und sind.
Zum Beispiel dieser
People have married to this song.
People have been buried to this song.
Children have been born to this song.
Children have been made to this song.


(Es ging um ‘Silent Lucidity’.)

Die Ansage seiner “international band” ging wieder im permanenten Gebrabbel unter:
Gitarrist 1: (unverständlich, Dario Parente?), aus Rom, Italien,
Gitarrist 2: (unverständlich), aus Frankreich,
Bassist: (unverständlich), ein Riesenbaby aus Australien,
Drums: (unverständlich), sein Homie aus Seattle, USA (der blieb übrigens aus Sicht des Autors am eklatantesten hinter den Leistungen der Originalband und den Original-Aufnahmen und -Konzerten mit Scott Rockenfield zurück).

Zur ersten Zugabe, ‘Welcome To The Machine’ haben wir uns dann auch vom Acker gemacht. Abschied von einem Livemusik-Abend mit enormem Potenzial, aber auch nennenswerten Störfaktoren.