(46:59; Vinyl, CD, Digital; These Hands Melt, 08.11.2024)
Mit Drownship kommt norddeutsche Katharsis in Sachen leidenschaftlichem, düsterem Post-Metal in dein Wohnzimmer. Musiker der Extrem-Metaller von Ophis, Todtgelichter und den Post-Metallern von Caleya haben sich 2018 zusammengetan, 2021 eine EP veröffentlicht und wollen es nun mit der Unterstützung von Nikita Kamprad (Der Weg einer Freiheit) im Mastering-Bereich auf diesem Debüt ernsthaft wissen. “Tidal Passages” drückt, kämpft und wühlt sich durch einen Berg von Emotionen – so viel vorweg. Die aktuelle Welt ist düster, manchmal wundervoll, undurchsichtig, uneindeutig, toxisch und voller Abgründe. Drownship ist ein Abbild dessen: Sie verarbeiten diese Dunkelheit emotional, phasenweise aufgewühlt, verzweifelt, melancholisch und selten hoffnungsvoll. In meist drückend-doomigen Szenarien und einer permanent aufbegehrenden Wall of Sound kämpfen sich die Nordlichter durch Riff-Berge – wütend, verzweifelt bis anklagend, mit teils zerbrechlich-natürlichen Vocals. Es wird gegrowlt, mit Hardcore-Wut angeklagt und in fragilen Passagen sinniert – oft ineinander fließend. Die Stimmung ist meist angespannt und wird immer wieder durch stille, fragile Passagen aufgelockert.
‘Where The Flood Springs’ steigt mit voller Sound-Wand und klaren Vocals ein, integriert aber relativ schnell die HC-affinen wütenden Vocals, die in weiten Teilen trotz hoher Dynamik und Abwechslung die dominante Nuance darstellen. Die klaren Vocals, die zum Teil parallel zum Brüllen/Schrei-Gesang inszeniert wurden, haben ihren doch sehr eigenwilligen Touch, sind gewöhnungsbedürftig, kommen aber nach und nach dank vieler atmosphärischer Zwischentöne ins Verständnis des Betrachters. Wenn zu sanften Akkorden verzweifelt in die Stille gebrüllt bzw. gekeift wird, entsteht wie von allein Spannung und Intensität. ‘Those Who Drank From The Waters Of Lethe’ schiebt sich ähnlich massiv, behäbig und verzweifelt durch seelische Kammern – Klargesang und Geschrei ziehen auch hier, wie in einem Zwiegespräch, die Aufmerksamkeit auf sich. Ab der Mitte kehrt man erneut in progressiv verspielte Ruhepausen ein und offeriert Verletzlichkeit – und ist damit von der Melancholie einer Band wie Katatonia nicht weit entfernt. Aber auch hier kehrt man mit berstenden Riffs und der typischen Post-Metal-Aggressivität in die bekannten Fahrwasser zurück. ‘Pacified’ ist wütend, dann wieder still und melancholisch-sanft. Generell ist “Tidal Passages” von massiver urbaner Verzweiflung durchzogen, klagt diese an und erinnert teils an die Atmosphäre der “Viva Emptiness” der Schweden Katatonia, gekreuzt mit der erdrückend brachialen Schwere von Cult Of Luna. Unruhige Klangkaskaden wie ‘Cradled By Fire’ hinterlassen beim Betrachter eher Fragezeichen: Der Klargesang weiß hier zum Teil wundervoll zu berühren, trifft jedoch nicht immer jeden Ton perfekt. Mit Female Vocals und kosmisch-kalten Dark-Wave-Synths wird in ‘A Tomb Between The Stars’ ein tristes, nächtliches Ambiente gezaubert, was innerhalb der Album-Dramaturgie kurz Luft holen lässt. ‘Abysmal Flower’ zieht dann gewohnt mit mahnenden Vocals und zerrender Post-Doom-Power seine Bahnen – ein kurz aufblitzendes Saxophon und verzerrte Vocals samt Sprach-Samples erzeugen eine beklemmende Atmosphäre. ‘Iconoclast’ beendet das Album mit erneut stimmig eingesetzten weiblichen Vocals und hymnischen Post-Rock-Riffs als düsteres, forderndes Statement in Sachen deutschem Post Metal, das Aufmerksamkeit, einen klaren Kopf und Geduld verlangt. Die Musik lässt gelegentlich Raum, ist in der meisten Zeit jedoch angespannt und voller aufgewühlter Schwere und Verzweiflung. Nicht jeder Ton sitzt perfekt, wird aber mit viel emotionaler Leidenschaft und guter Produktion vorgetragen, was Fans von Cult Of Luna, The Ocean und der kalten, metallischen Seite von Katatonia gefallen dürfte.
Bewertung: 11/15 Punkten
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Line-Up:
Jonas Borchers – Vocals
Floris Lange Van Ravenswaay – Guitars
Torsten Radtke – Guitars
Edgar Berlies – Bass / Vocals
Wolfram Zarnack – Drums
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Alle Abbildungen wurden uns mit freundlicher Genehmigung von All Noir zur Verfügung gestellt