(36:30; CD, Digital, Vinyl; Crazysane Records, 08.11.2024)
“Painkiller No.1” in der Doppelbetreuung
Teil 1: Rajko Baers
Schmerzkiller Nr.1 ? Ja, diese Platte könnte ein Therapeutikum darstellen, definitiv! Butterweicher Post Punk, New Order-Bassläufe, chilliger Elektronik Pop, monotone Krautrock-Allüren und in Hall getauchte Shoegaze Vocals mit ganz viel Hypnotik sind die Zutaten, aus denen sich der Schmerztöter speist. Zugegebenermaßen, die Vorgänger kenne ich nicht, das muss nachgeholt werden. Album Nummer Drei ist wie am Faden gezogen, ein wunderbarer Flow ist mit dem ersten Durchgang bereits durchschaut. Jeder Song greift in den nächsten und die dichte Produktion ist das Sahnehäubchen. Die flirrenden Synths haben was von frühem New Wave eines Gary Numan. Die urbane Melancholie der ersten M83-Alben ist sicher ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Es gibt keine großen Ausreißer in Sachen Atmosphäre, ein kompaktes, driftend schimmerndes Grau beschreibt die Szenerie ganz gut, ohne in zu große Schmerzpunkte hineinzuspielen. Die Leipziger fordern Dich nicht heraus, im Gegenteil, Du bist ohne Umschweife im Wohlfühlbad gefangen und drehst Dich in Endlosschleife zu den warmen melancholischen Melodien.
Die sanfte Trübsal in ‘White Sharks’, der elektronisch treibende Post Punk im Titelsong mit Schwebe-Atmosphäre oder die passiv aggressiven Anwandlungen in ‘Allies’ sind akustische Wohltaten, zeigen keine wirklichen Ecken und Kanten, was der Intensität und Tiefe des Albums aber keinen Abbruch tut. Nichts klingt oberflächlich, der feine unsichtbare urbane Schmerz ist fühlbar, in sanfte Pop-Melodien gebettet und oben drauf mit ganz viel Melancholie und Sehnsucht überzuckert. Ein wenig Joy Division Dunkelheit findet sich in ‘Scenes Of Quiet Life’, der Gesang immer ein wenig süsslich a la The Drums, die Franzosen AIR sind letztlich durch das omnipräsente elektronisch organische Sound-Bild die ganze Zeit im Hinterkopf. ‘Disconnected Bliss’ ist Synth-Kraut-Rock mit verqueren Gitarren, ‘Glowing One, Pt.3’ elektronisch gespeiste, experimentelle Pop-Spielerei. Flirrende Sequenzen definieren das atmosphärische Nacht-Setting in ‘Moon Presence’, während ‘Terminal’ ein einfach nur eingängiges Stück Indie Pop darstellt. Dream Pop-Vocals und nach vorne marschierende Rhythmik sind leichtfüßig und sommerlich.
Seventies Elektronik und Kraut Rock, ätherisch schwebende Vocals, Achtziger Jahre Post Punk, moderner Indie Pop, am Ende fließen all die Einflüsse zu einem schwer eingängigen Cocktail zusammen, der im richtigen Moment süchtig machen kann. Die Leipziger spielen mit Hinzunahme befreundeter Musiker ein harmonisches Album bzw. Palliativum) ein, das auf den Punkt in sich geschlossen agiert und qualitativ ohne Ausnahme eine Blaupause sein könnte.
Bewertung: 12/15 Punkten
Teil 2: Carsten Agthe
Album Nummer drei des Leipziger Duos ist gleichzeitig der “Painkiller No. 1”. Und es ist wieder einmal keine Einbildung, dass die selbst klassifizierten Charakteristika Krautrock und Neo-Kraut auch hier einen derben Eighties-Wave-Einschlag besitzen. Hinsichtlich der Synthies und nervösen Bässe kuscheln sich AUA auch hier an Heroen wie Joy Division und New Order an, ohne jedoch zu allzu emsigen Epigonen zu werden. Das aus den beiden Aktiven Fabian Bremer und Henrik Eichmann gebildete Duo, welches am Bass lebhafte Unterstützung durch Dominik Fink sowie Sally Brown (“Allies”, Plattenbau, Anika) erlebt, entführt uns mittels Vocoder-getriebenen Vocals und einem Dr. Avalanche an den Drums zu den Neon- und Stroboskop-gewitterten Dancefloors der Eigthies, wobei man neben Lack und Leder auch dem einen oder anderen Krähennest ansichtig wird. AUA sind aber natürlich viel zu flott und positiv gestimmt unterwegs und servieren sympathisches Hitfutter am Stück. Der Titeltrack ist schon einmal der gewisse Stomper, der jede Party zum Kollaps bringen könnte, ‘Allias’ und ‘Walking Mystery’ druckvolle Wavenummern und ein ‘Moon Presence’ das beste Stück, dass The Cure nie geschrieben haben. Also: Painkiller, Auftrag erfüllt!
Bewertung: 11/15 Punkten
Bwesetzung:
Fabian Bremer
Henrik Eichmann
Surftipps zu AUA:
Facebook
YouTube
Bandcamp
Instagram
Spotify
Diskografie (Studioalben):
“I Don’t Want It Darker” (2020)
“The Damaged Organ” (2022)
“Painkiller No.1” (2024)
Rezensionen:
“The Damaged Organ” (2022)
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Crazysane Records & Sozius PR zur Verfügung gestellt.