Whispering Void – At The Sound Of The Heart
(43:02; Vinyl, CD, Digital; Prophecy Productions, 18.10.2024)
Die Besetzung dieses Projektes hat es schonmal in sich. Mit Wardruna-Sängerin Linda-Fay Hella und Gaahl, dem berüchtigten Frontmann der Black Metaller von Gorgoroth und Gaahl’s Wyrd, stehen hier zwei charismatische Stimmen im Fokus. Gitarrist Ronny Stavestrand (Trelldom), der treibende musikalische Teil hinter Whispering Void, und Iver Sandøy von Enslaved machen dieses norwegische Westküsten-Outfit komplett.
In vielen nordischen Mythen verfügen Stimmen über magische Kräfte. Diese alten Traditionen erforschen Whispering Void mit ihrem Debüt “At The Sound Of The Heart” und finden sich musikalisch tief in der Mitte der Neunziger Jahre wieder. Seinerzeit kreative Bands wie The 3rd And The Mortal präsentierten auf kongeniale Weise atmosphärische, nordische Klänge zwischen Doom, Progressive Rock und stimmungsvollen, weiten Ambient-Sounds. Gerade deren großartiges, zweites Album, “Painting On Glass”, muss hier genannt werden, kann doch “At The Sound Of Heart” auf ähnliche Weise in seiner ganz eigenen individuellen Interpretation nordischer Klänge verzaubern.
‘Vinden Vier’ eröffnet sanft mit allerhand psychedelisch anmutenden Klangfarben (Indische Slidegitarre) und tänzelt mit feinen nordischen Melodien durch den Spätsommer. Sanft singt Linda die ersten Takte, ein Fenster öffnet sich wundervoll , die Drums setzen ein und, ähnlich der doomigen Schwere von besagtem “Painting On Glass” flirren kosmische Synth-Klänge über nordische Fjorde. Mit ordentlich Wehmut und Melancholie begrüßt ‘Vi Finnen’, Gaahl raunt, flüstert mit geheimnisvollen, dunklen Vocals zu schwebenden Gitarrenakkorden und fein akzentuierten Drums. Wenn sich die sehnsüchtigen weiblichen Vocals liebevoll in den sanftmütigen Reigen einklinken, ist diese Art nordischer Romantik und Schwermut wie ein bittersüßer Tanz unter dem Polarlicht. Nordisch-folkig wird unter Hinzunahme der Hardanger Fiddle die orchestrale Dynamik-Schraube angezogen. Die Drums spielen variabel auf. Ein wundervoller Sound-Teppich bettet den Hörer sanft. Die Band erzeugt ein intensives Crescendo. In ‘Whispering Void’ stehen die pathetischen, deutschen Empyrium unmissverständlich Pate im Sound – Cello und flüsternde Vocals sind trunken von Gemüts-Schwere. Mehrstimmige Vocals machen den Song erneut zu einem feingliedrigen Kleinod in Sachen dunkler naturromantischer Tonkunst. Das Titelstück lebt von wundervollen Gitarren-Phrasierungen, das Cello summt eine traurige Melodie und Linda fleht im Hintergrund zu erneut geflüsterten Vocals von Gaahl. Wer hier nicht zwangsläufig an “Weiland” von Empyrium denken muss, addiert um die ambiente Dunkelheit manch alter Seigmen-Songs, der Tristesse von Beyond Dawn, gepaart mit dem neoklassischen Vibe eines Oberon Songs, dem ist auch hier nicht zu helfen. Ja, die vielen guten nordischen Mittneunziger Nischen-Veröffentlichungen schauen auf dieser Platte aus dem Dickicht. Die immer ein wenig von Mond und Wald geprägte Atmosphäre macht das Album zu einem einsamen, aber wunderschönen Trip.
Die kristallklaren Gitarren im fast rockigen ‘Lauvvind’ ähneln der Atmosphäre Madrugadas, wandern sie doch auf verlorene Weise über einsame Straßen ins polare Nirgendwo. ‘We Are Here’ ist langsam, geisterhaft und hoffnungslos wie die Nacht. Erneut werden diese wunderschön in Szene gesetzten Gitarren zum einsamen, stillen Begleiter: Die akzentuierten, weichen Drums begleiten das Trauerflor. Gaahl raunt erneut in unbekannte, dunkle Räume hinein, während explosive, postrockige Entgleisungen für kurze Momente intensiv und wahnhaft eskalieren. Entrückt mit Chorälen und pathetischen Melodien, entschwebt man mit dem Doom-Rock von ‘Flower’ in die nordische Nacht und man möchte das Album gleich nochmal hören.
“At The Sound Of The Heart” lebt von vielen atmosphärischen Details, ist perfekt für diese Art Sound produziert und will mit seinen beiden Promi-Vokalisten keinerlei künstliches Ego-Rampenlicht erzeugen. Im Gegenteil, mit viel Respekt gibt man der sogartigen Musik ihren wohlverdienten Raum und setzt im richtigen Moment treffsicher Akzente. Dieses Album für die dunkle Jahreszeit kommt nah an die viel gescholtene Atmosphäre so manch oben genannter nordischer Klassiker heran und ist schon jetzt eines der Highlights des Jahres 2024.
Bewertung: 14/15 Punkten
At The Sound Of The Heart von Whispering Void
Line-up:
Ronny Stavestrand – Guitars
Lindy-Fay Hella – Vocals
Kristian Eivind Espedal – Vocals
Iver Sandøy – Drums & Percussion, Bass, Guitar, Keyboards
Guest Musicians:
Ole André Farstad – Guzheng, Indian Slide Guitar on ‘Vinden Vier’,’Lauvvind’
Matias Monsen – Cello on ‘Whispering Void’, ‘At the Sound of the Heart’, ‘We Are Here’
Silje Solberg – Hardanger Fiddle on ‘Vi finnes’, ‘The Vines’
Surftipps zu Whispering Void:
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Cover mit freundlicher Genehmigung von Prophecy Productions.