Thurston Moore – Flow Critical Lucidity
(40:30; Vinyl, CD, MC, Digital; Daydream Library Series, 27.09.2024)
Dass Thurston Moore bisher nicht auf unseren Seiten rezensiert wurde, erstaunt mich doch sehr. Ob mit seiner früheren Band Sonic Youth (mit Ex-Ehefrau Kim Gordon) oder solo: solch ein Künstler gehört einfach hier hin, alleine schon aufgrund seiner vielschichtigen Karriere, seiner unbändigen Leidenschaft mit vielen diversen Künstlern zu arbeiten und nicht zuletzt aufgrund seiner immer wieder tadellosen Veröffentlichungen im Bereich des Indie und Alternative Rock. Progressive Musik bedeutet ja auch, dass die Musik eines Künstlers sich weiter entwickelt, was ihm mit “Flow Critical Lucidity” diesmal sogar außerordentlich gut gelungen ist.
Sein neuestes Werk erschien dieser Tage sogar auf Kassette. Dieser Umstand alleine verleiht dem Künstler (fast) ein Alleinstellungsmerkmal. Seine Fangemeinde wird es freuen, denn der 66-Jährige genießt unter seinen Hörern nicht nur durch seine Musik ein hohes Ansehen, sondern auch noch durch seine schriftstellerischen Fähigkeiten. Die Texte seiner Alben werden allerdings wie so oft meist von Radieux Radio geschrieben und handeln diesmal über den Zustand der Welt und der Misswirtschaft der Politik in Fragen des Naturschutzes. Musikalisch bedient sich Thurston Moore dabei auch mal fernöstlicher Instrumentierung und Komposition, bleibt meist leise und ruhig und ist hie und da mehr Erzähler als Sänger.
Mit ‘New In Town’ geht es behutsam los mit reichlich asiatischem Einschlag, bevor ‘Sans Limites’ und ‘Shadow’ in typisch Moore’schem Sound das Album weiterführen. Das ist bisher ein tadelloser Einstieg in sein neues Werk und zeigt uns, dass Rock-Musiker auch ohne Hexenzauber und Lautstärke voll auf der Höhe musizieren können. Die Atmosphäre, oft ein Schwachpunkt bei vielen Alben unserer Zeit, trifft voll ins Herz und Hirn des Hörenden. Aber: The best is yet to come. Das wirklich hypnotische ‘Hypnogram’ besticht durch seine Schlichtheit, was Fans von Thurston Moore zwar nicht überraschen dürfte, dafür aber vielleicht jene, die noch keinen Kontakt mit ihm als Solist hatten. Es braucht halt keine hundert Taktwechsel in einem Song, um überzeugend zu wirken. Manchmal ist weniger tatsächlich mehr.
Zäh und schleppend, dann ‘We Get High’. Ein absolutes Highlight des Albums, in welchem es natürlich um halluzinogene Wirkungen geht. Mit dem folgenden ‘Rewilding’ geht es nahtlos auf hohem Niveau weiter. Der Song handelt über eine Initiative, die den Einfluss des Menschen auf die Natur verhindern will und zurück zum ursprünglichen Zustand der Gewässer und Wälder führen soll. Zum Abschluss dann noch das sehr ruhig fließende ‘The Diver’, ein Acht-Minuten Track, der sich ständig um sich selbst windet und wiederum hypnotische Kräfte freisetzt. Dass der Bass von der My-Bloody-Valentine-Bassistin Debbie Googe gespielt wird und die Stereolab-Sängerin Laetitia Sadier als Background zu hören ist, zeigt mal wieder die Vielseitigkeit von Thurston Moore in der Disziplin, mit anderen Musikern zu spielen. Auch Jon Leidecker sollte nicht unerwähnt bleiben. Dieser ansonsten sehr experimentelle Künstler bringt interessante E-Sounds mit, ohne diese allerdings zu sehr in den Vordergrund zu setzen.
Das neue Album von Thurston Moore überzeugt mich somit auf ganzer Linie und ist neben dem hervorragenden 2017er Werk “Rock’n’Roll Consciousness” mal wieder ein Highlight. Allerdings in einem sehr ruhigen Rahmen, also eigentlich das Gegenteil des 2017er Werkes. Er beherrscht beides eben einfach gleichermaßen gut, was in meine Punktewertung sicher mit eingeflossen ist. Die “12” hab ich mir aber verkniffen, obwohl… Für Freunde des gepflegten Klanges sei noch erwähnt, dass die Aufnahme sehr detailreich und audiophil klingt.
Bewertung: 11/15 Punkten (MC 11, KR 11)
Line-Up:
Thurston Moore – vocals, guitars
Laetitia Sadier – backing vocals
Debbie Googe – bass
Jon Leidecker – keyboards
James Sedwards – guitars
Jem Doulton – drums
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