Vorwort
Zu Fehlern sollte man stehen. Deswegen möchte ich diesen Artikel auch in genau der Form stehen lassen, in der er online gegangen ist. Trotz eines gravierenden Fehlers, der nicht hätte passieren dürfen.
Als jemand, der Threshold noch nie zuvor live gesehen hatte und dem das Aussehen ihres aktuellen Frontmannes unbekannt gewesen ist, war mir leider nicht aufgefallen, dass an diesen Abend nicht Glynn Morgan auf der Bühne stand, sondern Alessio Garavello (A New Tomorrow, ex Power Quest), der für diesen, für die letzten Konzerte der Tour, aus krankheitsbedingten Gründen eingesprungen war. Glynn Morgan hatte im Laufe der Tour wohl seine Stimme verloren.
Vielen Dank an unsere aufmerksamen Leser, die mich auf diese unverzeihliche Peinlichkeit aufmerksam gemacht haben.
Ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, bei all unseren Lesern, bei Glynn Morgan und natürlich bei Alessio Garavello, der an diesem Abend einen fantastischen Job gemacht hat!
Through Time
Unter dem Titel ‘Through Time” ist die englische Progressive-Metal-Formation Threshold jüngst durch die Hallen Europas getourt, um ihrem Publikum eine musikalische Reise durch ihre 36-jährige Bandgeschichte zu präsentieren. Für den 2017 zur Band zurückgekehrten Sänger Glynn Morgan bot sich somit eine Gelegenheit, sich zu beweisen, denn der Großteil des Backkatalogs der Band war entweder vom 2011 verstorbenen Andrew “Mac” McDermott oder von Damian Wilson eingesungen worden.
Grace And Fire
Mit Grace And Fire hatten Threshold eine englische Newcomerband im Schlepptau, die für sich eine ganz eigene musikalische Schublade beanspruchen können. Sie selbst bezeichnen ihren Stil als Melodic Progressive Hard Rock. Ausdrucksstarker Gesang, melodisch-progressive, aber zurückhaltende Keys, virtuoses Gitarrenspiel und eine druckvolle Rhythmusfraktion produzierten eine eigenwillige Mischung, die beim Publikum ganz gut ankam.
In ihren extremen Momenten waren Grace And Fire dem Betreuer dann aber doch etwas zu viel des Guten. Spätestens dann, wenn die verfrickelten Gitarrensoli des virtuosen Gitarristen nicht mehr dem Song, sondern nur noch dem Selbstzweck dienlich waren, allerspätestens dann, wenn die Gesangsmelodien so cheesy wurden, dass man sich an die Balladen Bon Jovis erinnert fühlte.
Godsnake
Mit Godsnake hatten Threshold auch eine deutsche Band als Support mit an Bord. Proggy oder experimentell war bei den Hamburgern allerdings gar nichts. Stattdessen gab das Quintett mit seinem 90s Melodic Thrash Metal ordentlich auf den Latz. Lange Haare, metaltypisches Gepose und ein Frontmann, der mit seinem Hamburger Schnack immer wieder den Kontakt zum Publikum suchte.
Eine Band, so wunderbar Old School und klischeebeladen wie Thrash Metal nur sein kann. Da fragt sich der Redakteur doch gleich, ob das, was er ansonsten so hört, überhaupt noch als Metal bezeichnet werden kann…
Threshold
Glynn Morgan als Sänger eines Best-Of-Programms mag für viele Fans noch immer ein Umstand sein, der ihnen Anlass zum Fremdeln gibt. Zu prägend waren “Mac” und Damian als Frontmänner für die Marke Threshold gewesen. Für den diensthabenden Betreuer stellte Glynn Morgan jedoch das genaue Gegenteil dar. So hatte dieser Threshold einst mit “Psychedelicatessen”, dem bis 2017 einzigen Album, auf dem Morgan als Sänger zu hören war, kennen und lieben gelernt. Unergründliche Umstände führten im Anschluss dazu, dass der Betreuer die Band fast vollständig aus den Augen verlor bis zu dem Zeitpunkt, als Glynn Morgan für “Legends Of The Shire” zu Threshold zurückkehrte. Zu einem Konzertbesuch hatte es trotzdem nie gereicht, bis zu diesem Abend.
Ein Umstand, der sich als Vorteil erweisen sollte, denn wo so mancher Besucher schon während des Konzertes darüber diskutierte, welcher der drei Sänger für welchen Song denn nun die bessere Stimme besitzt, fehlten dem Betreuer als Kaum-Kenner und Konzert-Debütant der Band praktisch jegliche Vergleiche, sodass er sich voll und ganz auf Show und Musik einlassen konnte, ohne alles hinterfragen zu müssen.
Überraschend heavy begannen Threshold ihre Show mit ‘Slipstream’ vom “Dead Reckoning”-Album. Solch fette Riffs, solch druckvolles Schlagzeug und vor allem die deftigen Gutturals von Richard West zu Beginn des Stückes, hatte ich in dieser Form nicht erwartet. Doch schon wenige Momenten später, als proggige Keys und melodischer Gesang einsetzten, vervollständigte sich das Klangbild zum typischen Threshold-Sound.
Obwohl er keine Rampensau wie Damian Wilson ist, schaffte es Glynn Morgan spätestens mit dem nächsten Stück, den Großteil des Publikums in seinen Bann zu ziehen, denn das vor dieser Tour letztmals 2001 gespielte ‘Devoted’ war schon immer eines seiner Lieder gewesen. Es folgte eine Ansage, dass man sich für diese Tournee vorgenommen hatte, mindestens einen Titel von jedem ihrer Studio-Alben der Band spielen zu wollen. Lange nicht mehr live gehörte Stücke wurden an diesem Abend so zur Regel, nicht zur Ausnahme, wie etwa der “Extinct Instinct”-Klassiker ‘Virtual Isolation’. Als hernach das Über-Stück ‘Freaks’ vom McDermott-Debüt “Clone” folgte, kam für eine Weile die Ahnung auf, dass es fortan in chronologischer Reihenfolge weitergehen könnten. Zumindest, bis die Band einen auf Heavy Schmacht Prog machten und mit ‘The Mystery Show’ einen Zeitsprung ins Jahr 2017 vollführten.
Mit ‘Falling Away’ verdeutlichten Threshold eindringlich, dass es von untergeordneter Bedeutung für den Bandsound ist, wer bei Threshold gerade hinter dem Mikrofon steht, solange Richard West die Keyboards und Karl Groom die Gitarren bedient und die beiden ihre Instrumente so herrlich proggy miteinander tanzen lassen. Zurück in die Anfangstage der Band ging es anschließend mit ‘Mother Earth’ vom ’93er Debütalbum ‘Wounded Land’, bei welchem Glynn Morgan sein Metalkehlchen strahlen lassen konnte. Verträumt, orchestral und haarscharf am Kitsch vorbei hingegen ging es bei ‘The Man Who Saw Through Time’, dem elf-minütigen Herzstück des “Legends Of The Shire”-Albums.
Beim deutlich flotteren ‘Ashes’ ließen die Musiker im Anschluss wieder die Zügel los und nutzten die Gelegenheit, um ordentlich auf ihren Instrumenten zu frickeln. ‘The Ravages Of Time” hingegen bot Schlagzeuger Johanne James und Bassist Steve Anderson einmal mehr die Gelegenheit zu glänzen und auch Sänger Glynn Morgan überzeugte hier durch eine bravouröse stimmliche Leistung.
Mit ‘Silenced’ und seinem gab es schließlich auch ein Stück vom aktuellen Album “Dividing Lines” zu hören, bevor das Quintett mit ‘Mission Profile’ zum Abschluss noch einmal einen Klassiker auspackte, bei dem das Publikum dann auch lautstark mitsang. So waren am Endes des Hauptsets dann tatsächlich alle zwölf Studio-Alben abgedeckt worden. Eine wunderbare Zeitreise durch die Bandgeschichte, bei der es, trotz mehrfacher Zeitsprünge, keine wirklichen Brüche gab.
Natürlich kamen Threshold noch einmal zurück auf die Bühne, um ein paar Zugaben zu spielen. Doch anstatt noch ein paar Klassiker wie etwa ‘Pilot In The Sky Of Dreams’ oder etwas ‘Long Way Home’ nachzulegen, kehrte man mit ‘Snowblind’ und ‘Small Dark Lines’ noch einmal für zwei Stücke zu “Legends Of The Shire” zurück.
Vielleicht nicht unbedingt die beste Wahl für das breite Threshold-Publikum, doch für den Betreuer, der mit diesem Album zur Band zurückgefunden hat, eine mehr als runde Sache.
Fotos: Prog in Focus
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Wikipedia
Rezensionen:
“Legends Of The Shire” (2017)
“March Of Progress” (2012)
“Dead Reckoning” (2007)
“Surface To Stage” (2006)
“Subsurface” (2004)
“Critical Energy” (2004)
“Critical Mass” (2002)
“Hypothetical” (2001)
“Clone” (1998)
“Extinct Instinct” (1997)
Interviews:
Richard West im Interview (2002)
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Veranstalter: Kulturgesellschaft Neunkirchen
Venue: Stummsche Reithalle